Kommentar Rüstungsgüter für Jemenkrieg: Das reine Gewissen
Statt infantiler Vereinfachung bräuchte es tatsächliche negative Folgen für Saudi-Arabien, um dessen erbarmungslosen Krieg in Jemen zu stoppen.
W as sind die Sozialdemokraten stolz gewesen, als sie im vergangenen Jahr im Koalitionsvertrag ein totales Waffenembargo gegen die am Jemenkonflikt beteiligte Allianz durchgesetzt hatten. Gefühlt war der Krieg damit praktisch fast schon beendet – ein großer Sieg für die deutsche Friedenspolitik.
So schien es. Und nun zeigt eine Kleine Anfrage der Grünen: Es wurde doch wieder geliefert an Saudi-Arabien und seine Verbündeten, die im Jemen eine der schlimmsten humanitären Katastrophen verursacht haben. Ein weiterer schwerer Rückschlag für die Glaubwürdigkeit der Regierungskoalition.
Doch bevor die Grünen den Zeigefinger erheben und sich womöglich gar einbilden, dass mit ihrer Regierungsbeteiligung alles besser wäre, sei daran erinnert, dass Waffenexporte in Krisengebiete auch unter Rot-Grün an der Tagesordnung waren und sogar Spitzenwerte erreichten. Claudia Roth, teilweise Parteichefin in jener Zeit, sind die Lieferungen bis heute peinlich.
Für linke Parteien bedeutet Friedenspolitik, keine Waffen in instabile Weltregionen zu liefern und sich möglichst überhaupt nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen zu beteiligen. Und natürlich sind diese Überlegungen nicht falsch, gerade in einem Land, von dem schlimmste Kriegsverbrechen und ein Völkermord ausgegangen sind. Aber es ist auch eine fast schon infantile Vereinfachung internationaler Konflikte.
Ein Druck- und Drohszenario wäre nötig
Was wäre denn, wenn Deutschland keine „sondergeschützten Geländewagen“ für 831.003 Euro an Saudi-Arabien lieferte? Sicher, man hätte ein reines Gewissen (das Equipment bekämen die Saudis woandersher). An dem Krieg im Jemen und der ungeheuren Notlage aber änderte sich nichts. Denn zur Wahrheit gehört auch, dass es nicht einmal annähernd reicht, Waffenlieferungen zu stoppen und mehr Geld für humanitäre Hilfe auszugeben.
Wer ernsthaft Krisen und Konflikte beenden will, braucht außenpolitische Konzepte und eine ganze Armada von Mediatoren und auf Krisenmanagement spezialisierte Diplomat*innen. Es ist ein Druck- und Drohszenario nötig, das viel mehr umfasst als nur ein Waffenembargo. Saudi-Arabien müsste auf allen Ebenen mit den negativen Folgen seines erbarmungslosen Krieges im Nachbarland konfrontiert werden.
All das ist kompliziert, teuer und auch nicht immer erfolgreich. Es macht Mühe und bedeutet politische und wirtschaftliche Risiken. Aber es ist der ehrlichere und zugleich realistischere Umgang mit internationalen Krisen und Konflikten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?