Kommentar Repression gegen linke SprecherInnen: Gefährliches Bauchgefühl
In Bremen sind Polizei und Staatsanwaltschaft ungerechtfertigt gegen einen linken Pressesprecher vorgegangen. Das ist eine gefährliche Kriminalisierung.

Die Linke streng im Blick: PolizistInnen während des G20-Gipfels in Hamburg Foto: dpa
Peinlich, aber auch gefährlich ist es, was Polizei und Staatsanwaltschaft mit der Anklage gegen den Pressesprecher eines linken G20-Blockade-Bündnisses in Bremen veranstaltet haben. Aus einem vagen Bauchgefühl heraus hatte ein Polizist entschieden, ein Aufruf zu einer angemeldeten und am Ende völlig friedlichen Demonstration im Hamburger Hafen während des G20-Gipfels könnte eine Aufforderung zu Straftaten sein. Statt die Sache sofort einzustellen, verfolgte die Staatsanwaltschaft den Fall weiter. Erst die Richterin gebot dem am Montag Einhalt und stellte das Verfahren ein.
Die politisch-motivierte Einschüchterung von gewaltfreiem linken Protest, die Kriminalisierung jeglichen radikalen Einspruchs aber bleibt hängen. Darf man Staat und Kapital noch kritisieren, ohne Post oder Besuch von der Polizei zu bekommen? Diese Frage stellen sich nach solch absurden Anklagen auch andere. Das gefährdet die Freiheit der Rede und ist deshalb skandalös.
Zumal: Der Angeklagte H. alias Timon Simons, der als Sprecher des „Social Strike“-Bündnisses auftrat, war bei G20 nicht der einzige Pressesprecher einer linken Gruppe, der sich dialogbereit und ansprechbar zeigte und dafür Repression zu spüren bekam.
So gab es unter anderem eine Razzia bei Deniz Ergün, Mitorganisator eines der Protestcamps, weil er in einem taz-Interview angeblich einen Brandanschlag gerechtfertigt haben sollte. Ermittelt wurde gegen die Sprecherin der Interventionistischen Linken, Emily Laquer, und die Rote-Flora-Sprecher Andreas Beuth und Andreas Blechschmidt. In ihren Fällen stellte die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen rund sieben Monate nach dem G20-Gipfel ein.
Aber: In all diesen Fällen wurden die Angeklagten durch ihr öffentliches Auftreten zu einem Ziel der Strafverfolgung – anstatt es als Indiz dafür zu werten, es nicht gerade mit klandestin arbeitenden Gewalttätern zu tun zu haben. Dass die Bremer Staatsanwaltschaft Simons nun tatsächlich abstrafen wollte, passt daher zu diesem „Gipfel der Demokratie“.
Kommentar Repression gegen linke SprecherInnen: Gefährliches Bauchgefühl
In Bremen sind Polizei und Staatsanwaltschaft ungerechtfertigt gegen einen linken Pressesprecher vorgegangen. Das ist eine gefährliche Kriminalisierung.
Die Linke streng im Blick: PolizistInnen während des G20-Gipfels in Hamburg Foto: dpa
Peinlich, aber auch gefährlich ist es, was Polizei und Staatsanwaltschaft mit der Anklage gegen den Pressesprecher eines linken G20-Blockade-Bündnisses in Bremen veranstaltet haben. Aus einem vagen Bauchgefühl heraus hatte ein Polizist entschieden, ein Aufruf zu einer angemeldeten und am Ende völlig friedlichen Demonstration im Hamburger Hafen während des G20-Gipfels könnte eine Aufforderung zu Straftaten sein. Statt die Sache sofort einzustellen, verfolgte die Staatsanwaltschaft den Fall weiter. Erst die Richterin gebot dem am Montag Einhalt und stellte das Verfahren ein.
Die politisch-motivierte Einschüchterung von gewaltfreiem linken Protest, die Kriminalisierung jeglichen radikalen Einspruchs aber bleibt hängen. Darf man Staat und Kapital noch kritisieren, ohne Post oder Besuch von der Polizei zu bekommen? Diese Frage stellen sich nach solch absurden Anklagen auch andere. Das gefährdet die Freiheit der Rede und ist deshalb skandalös.
Zumal: Der Angeklagte H. alias Timon Simons, der als Sprecher des „Social Strike“-Bündnisses auftrat, war bei G20 nicht der einzige Pressesprecher einer linken Gruppe, der sich dialogbereit und ansprechbar zeigte und dafür Repression zu spüren bekam.
So gab es unter anderem eine Razzia bei Deniz Ergün, Mitorganisator eines der Protestcamps, weil er in einem taz-Interview angeblich einen Brandanschlag gerechtfertigt haben sollte. Ermittelt wurde gegen die Sprecherin der Interventionistischen Linken, Emily Laquer, und die Rote-Flora-Sprecher Andreas Beuth und Andreas Blechschmidt. In ihren Fällen stellte die Staatsanwaltschaft Hamburg die Ermittlungen rund sieben Monate nach dem G20-Gipfel ein.
Aber: In all diesen Fällen wurden die Angeklagten durch ihr öffentliches Auftreten zu einem Ziel der Strafverfolgung – anstatt es als Indiz dafür zu werten, es nicht gerade mit klandestin arbeitenden Gewalttätern zu tun zu haben. Dass die Bremer Staatsanwaltschaft Simons nun tatsächlich abstrafen wollte, passt daher zu diesem „Gipfel der Demokratie“.
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Schwerpunkt G20 in Hamburg
Kommentar von
Jean-Philipp Baeck
Reportage & Recherche
Jg. 1983, Reporter im Ressort Reportage & Recherche. +++ Bis April 2022 war er Produktentwickler der taz im Netz, zuvor Chef vom Dienst der taz nord in Hamburg. Er ist seit 2011 Journalist bei der taz, wo er in Bremen mit seinem Volontariat begann. +++ Soziologe und Kulturwissenschaftler, Studium in Bremen und Melbourne, Forschungsaufenthalt in Phnom Penh +++ Schwerpunkte seiner journalistischen Recherchen liegen auf der Beobachtung der extrem rechten Szene und des Rechtsterrorismus, dem Auftreten von Rassismus und Antisemitismus, der Flüchtlingspolitik und der Diskriminierung der Roma in Südosteuropa. +++ Im März 2020 erschien: "Rechte Egoshooter. Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat" im Ch. Links Verlag Berlin, herausgegeben mit Andreas Speit. +++ Threema UWSDA226 +++ https://keys.openpgp.org/search?q=baeck%40taz.de
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