Kommentar Regierungsfähigkeit Trumps: Genie oder Trottel?
Die Frage ist verfassungsrechtlich relevant. Ist der Präsident nicht in der Lage, seine Pflichten auszuüben, geht die Macht an den Vizepräsident über.
E s schien kaum vorstellbar, dass Donald Trump noch weiter entzaubert werden kann. Seit dem Wahlkampf wussten wir, dass er Frauen für Freiwild hält und weder psychisch noch intellektuell für das Amt des Präsidenten geeignet ist. Dann wurde deutlich, dass er sich seine Agenda von einem politischen Heckenschützen aus dem rechtsextremen Spektrum soufflieren ließ, einem gewissen Steve Bannon. Der warf nach ein paar Monaten frustriert hin.
Nun richtet Bannon seine Kanonen gegen seinen ehemaligen Helden Trump. Was er dem Autor Michael Wolff für dessen Enthüllungsbuch „Fire and Fury“ erzählte, sorgt für ein politisches Erdbeben in den USA. Wolff schildert nicht nur die Laienhaftigkeit und die Grabenkämpfe im Weißen Haus, sondern auch die dort herrschenden Zweifel am Charakter Trumps.
Dies reicht aus, um im politischen Washington ernsthaft die Frage aufzuwerfen, ob der derzeitige Präsident der USA mental in der Lage ist, sein Amt auszuüben. Die Frage wurde so unüberhörbar, dass Trump sie auf Twitter, seinem bevorzugten Medium, persönlich verneinte: Er sei ein „geistig stabiles Genie“ und außerdem „wirklich klug“.
Als Beobachter hält man bei solchen Aussagen immer wieder verblüfft den Atem an, wie schon wenige Tage zuvor, als Trump Kim Jong Un mitteilte, er habe einen größeren Atomknopf als der nordkoreanische Diktator. In Wolffs Buch werden mehrere enge Mitarbeiter Trumps zitiert, die ihn für einen „Trottel“ oder „Idioten“ halten. Er sei unfähig, einen Text zu erfassen, der länger als eine Seite ist.
Die Frage, ob Trump ein Genie oder ein Trottel sei, hat auch verfassungsrechtliche Seiten. Im 25. Verfassungszusatz der USA ist festgelegt, dass für den Fall, dass der Präsident nicht in der Lage sei, seine Amtspflichten auszuüben und dies vom Vizepräsidenten und einer Mehrheit des Kabinetts oder des Kongresses offiziell festgestellt wird, alle Machtbefugnisse augenblicklich auf den Vizepräsidenten übergehen. Höchste Zeit, darüber nachzudenken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist