Kommentar Reform der Leiharbeit: Völlig wirkungslos
Der Entwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles ist ein halbgarer Kompromiss. Die meisten Leiharbeiter haben von den Regelungen überhaupt nichts.
Wenn die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund unisono ihr neues Gesetz gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen begrüßen, dann hat Andrea Nahles wohl alles richtig gemacht. Könnte man meinen. Aber der Schein trügt. Der Entwurf der sozialdemokratischen Arbeitsministerin, auf den sich die Koalitionsspitzen jetzt nach monatelangem Ringen verständigt haben, ist nicht mehr als ein halbgarer Kompromiss. Die Zweiklassengesellschaft in den Betrieben bleibt weiter bestehen.
Zu Recht freuen sich die Gewerkschaften über das geplante Verbot, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen. Ansonsten jedoch ist das Gesetz zwar gut gemeint, zielt aber an der betrieblichen Praxis weitgehend vorbei – weswegen die Arbeitgeber damit auch gut leben können. Den Einsatz eines Leiharbeiters in einem Betrieb grundsätzlich auf 18 Monate zu begrenzen, ist sicherlich nicht verkehrt. Ebenso wenig, dass er immerhin nach neun Monaten den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft erhalten soll.
Doch nicht nur die jeweils möglichen tarifvertraglichen Ausnahmen sind problematisch. Der noch größere Haken: Die meisten Leiharbeiter haben von beiden Regelungen überhaupt nichts. Denn mehr als die Hälfte ihrer Beschäftigungsverhältnisse endet bereits nach drei Monaten.
Eigentlich war die Leiharbeit dazu gedacht, kurzfristige Arbeitsspitzen möglichst einfach auffangen zu können. Tatsächlich wurde sie jedoch in großem Umfang zum Lohndumping missbraucht. Das wird sich auch künftig nicht ändern. Denn das wäre nur möglich, wenn Leiharbeit generell Unternehmern nicht mehr billiger kommen würde als reguläre Beschäftigungsverhältnisse. So wie in Frankreich. Da gilt: gleicher Lohn für gleiche Arbeit ausnahmslos ab dem ersten Tag – und noch ein zehnprozentiger Flexibilitätszuschlag obendrauf. Das wäre eine wirklich uneingeschränkt begrüßenswerte Reform.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“