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Kommentar Rede von Kim Jong UnDie Warnung des Diktators

Fabian Kretschmer
Kommentar von Fabian Kretschmer

Die Neujahrsansprache des nordkoreanischen Diktators wird weltweit interpretiert. Sie richtet sich aber in erster Linie ans eigene Volk.

Inhaltlich weder überraschend noch neu: die Neujahrsansprache von Kim Jong Un Foto: dpa

S tets wird die Neujahrsansprache des nordkoreanischen Machthabers bis auf ihre letzte Silbe von Journalisten, Politikern und Akademikern weltweit interpretiert. Dabei wird jedoch meist vergessen, dass sie vor allem und zuallererst an die eigene Bevölkerung gerichtet ist. Die Kernbotschaft lag eindeutig auf der Wirtschaftspolitik des Regimes – einem Thema, dem Kim Jong Un den Großteil seiner 31-minütigen Ansprache gewidmet hat.

Im Detail sprach der 35-Jährige vom Ausbau der heimischen Leichtindustrie, der Einführung innovativer ­Managementmethoden und dem Wunsch, im Bereich der Landwirtschaft verstärkt wissenschaftliche Erkenntnisse einfließen zu lassen. Für ein Land, das noch vor wenigen Jahrzehnten hyperstalinistisch funktioniert hat; in dem es de facto weder Privatbesitz gab noch Geldwährung eine nennenswerte Rolle gespielt hat, ist das mehr als erstaunlich, dass dessen Staatsoberhaupt sich nicht nur explizit für Reformen ausspricht, sondern indirekt eigene Fehler bei der Wirtschaftspolitik zugibt.

Für Schlagzeilen sorgt jedoch ein ganz anderer Aspekt von Kims Ansprache: Dass nämlich das nordkoreanische Regime bei der Annäherung mit den USA auch „einen anderen Weg“ einschlagen kann, sollte Washington bei den gemeinsamen Verhandlungen nicht sein Versprechen von Gegenmaßnahmen, wie etwa der Lockerung von Wirtschaftssanktionen, einhalten. Kim Jong Un hat sich zwar erneut für die atomare Abrüstung der Koreanischen Halbinsel ausgesprochen. Jedoch bedeutet dies keinesfalls die einseitige Abrüstung des nordkoreanischen Nuklearprogramms, wie es US-Präsident Donald Trump der Öffentlichkeit verkauft hat.

Eine Abrüstung der Koreanischen Halbinsel sieht de facto ebenfalls vor, dass die USA ihre Truppen aus Südkorea abziehen und keine Militärmanöver mit Nuklearbomben mehr abhalten. Inhaltlich ist dies für Beobachter des Regimes weder überraschend noch neu. Die diesjährige Neujahrsansprache war dafür in seinem Format neuartig.

Ebenso adressierte Kim seine Rede zu Beginn auch an seine „Landsleute aus Südkorea“– denn auch dort wurden seine Worte, zeitgleich wie im nord­koreanischen Staatsfernsehen, übertragen.

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Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
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7 Kommentare

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  • "Kann man Kim trauen.."

    Kann man Trump trauen oder Orban? Kann man Macron trauen oder Jens Stoltenberg, Jean-Claude Juncker? Kann man Putin trauen oder Poroschenko? Oder etwa Erdogan? Ganz zu schweigen von Mohammed bin Salman, dem wir gerne mit Waffen versorgen.

  • Trumps Entscheidung sich nicht mehr als Weltpolizist zu generieren ist gleichermaßen Chance wie Risiko.



    Kann man Kim trauen...ich hätte da so meine Probelme würde ich in Südkorea leben.



    Anywas: Militärapparate in beiden Staaten abbauen wäre hilfreich. Im Norden ein Segen für die eigenen Bürger, im Süden ein Fluch für die US-Rüstungsindustrie.



    Übrigens: Nettes Bild bzw. mächtige Bildersprache die den eigenen Leuten die Stärke des Nordens zeigt, so wie der Diktator so dasitzt, der gut genährte Kim! :-) Kann der ärmlich "dünne" Süden natürlich nicht mithalten!

    • @Tom Farmer:

      „Kann man Kim trauen...ich hätte da so meine Probleme würde ich in Südkorea leben“



      Ich schließe mich den Zweifeln an. Zur Erinnerung:



      Nordkorea hatte sich 1985 nach immer stärkeren Forderungen der Weltöffentlichkeit endlich entschlossen, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten. Doch schon damals wurde gemunkelt, dass in diesem Land heimlich an Atomwaffen gebastelt wurde, was die Staatsführung als „böswillige Erfindung der amerikanischen Imperialisten“ abtat.



      2003 trat das Land dann aus dem Vertrag aus und gab 2006 seinen ersten Kernwaffentest bekannt.



      Anlässlich einer Hungerkatastrophe 2007 versprach das Regime die Zerstörung der Atomanlagen im Austausch gegen Hilfsmaßnahmen für die notleidende Bevölkerung.



      2013 führte das Regime einen erneuten Atomtest durch und verband die diesbezügliche Mitteilung mit dem hämischen Hinweis, dass die Vorbereitungen hierzu „unter den wachsamen Augen der Feinde“ gelungen seien. (Alles nachzulesen u. a. in Wikipedia!)



      Kim hat an Trump keinerlei Zusagen gemacht, die ihm schwergefallen wären, wie z. B. die Schließung des längst allgemein bekannten Testzentrums. Streng geheimer Ersatz ist bestimmt in Arbeit. Das von ihm im Gegenzug geforderte Ende der Militärmanöver USA-Südkorea ist leicht zu erklären: Südkorea allein dürfte für Kim dadurch viel leichter „handhabbar“ werden!

  • Endlich einmal wieder ein Kommentar mit Sachkenntnis und der notwendigen Distanz. Lesenswert. Danke dafür.

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Ein sehr richtiger und einleuchtender Kommentar von Herrn Kretschmer.



    Die Amis haben noch nicht begriffen, daß ein Vertrag immer für beide Seiten gilt. Aber vielleicht müssen die Amis die Rede erst analysieren.



    Da die Amis ja neuerdings nicht mehr Weltpolizist sein wollen, könnten sie doch mit Nordkorea vereinbaren: Jeweils 30% der Atomwaffen werden verschrottet.

    • @91672 (Profil gelöscht):

      Meine Zustimmung: Kretschmer ist einer der wenigen ortskundigen, (NATO-)unabhängig denkenden und besonnenen Korea-Beobachter in der deutschsprachigen Medienlandschaft. Deshalb hat er ja mit seinen Recherchen und Kommentaren in der Mainstreampresse (fast) keine Chance. Dank auch an die TAZ!

  • Ja, wenn der Kommunist gegen die Amis prahlt, ist es immer besonders toll.