piwik no script img

Kommentar Protest der BauernKampf für Frankreichs Sozialmodell

Die französischen Landwirte demonstrieren nicht gegen die deutschen Kollegen. Ihr Protest richtet sich gegen den massiven Liberalisierungsdruck in der EU.

Kein Durchkommen: ein französischer Bauer nahe der deutsch-französischen Grenze am Montagvormittag Foto: reuters

Worum kämpfen die französischen Bauern mit ihren Blockaden an der deutschen Grenze? Es geht um viel mehr als Standesinteressen. Es geht um die Konkurrenz.

Stehen sich also französische und deutsche Bauern als Feinde gegenüber, wenn im Elsass bei wilden „Grenzkontrollen“ LKW mit deutschen Landwirtschaftsprodukten von wütenden französischen Landwirten zur Umkehr gezwungen werden?

Natürlich ist die Sache komplizierter. Die französischen Züchter, Milch- und Gemüseproduzenten führen einen verzweifelten Existenzkampf nicht gegen die deutschen Kollegen, deren Auskommen in manchen Fällen nicht beneidenswerter ist, sondern gegen eine wachsende Diskrepanz im Wettbewerb. In diesem Preiskrieg, der hinter den Einkaufsregalen der Supermärkte tobt, kämpfen nicht alle mit gleich langen Spießen. Die Produktionskosten driften auseinander, die Konkurrenz aber verschärft sich – nicht nur wegen des Russland-Embargos der EU und verringerter chinesischer Importe aus Europa.

Frankreichs Sozialmodell wird zu einem Handikap, weil das Arbeitsrecht mit Mindestlohn und Sozialleistungen für alle Beschäftigten gilt und als Kostenfaktor schwer ins Gewicht fällt. Die Beschäftigung von polnischen ArbeiterInnen in der deutschen Landwirtschaft oder in der verarbeitenden Industrie dagegen ist (nicht nur) aus französischer Perspektive ein Exempel für Lohn- und Sozialdumping.

Da es heute für Zehntausende von Landwirten in Frankreich um ihre Existenz geht, kann ihnen diese Form der deutschen Konkurrenz nicht gleichgültig sein.

Die EU und ihre Bürger müssen wählen, es ist die Frage der Stunde: Entweder müssen sich alle dem Liberalisierungsdruck beugen und das Sozialniveau nach unten hin anpassen. Oder aber es werden die sozialen Errungenschaften mit einem Minimum an Sozialleistung und Einkommenssicherung sowie die Umweltnormen gemeinsam verteidigt.

In diesem Sinne sollte man die Bewegung der französischen Bauern trotz der hässlichen nationalistischen Aspekte nicht vorschnell als egoistische Verteidigung von Standesinteressen diskreditieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Das ist doch schöne Marktwirtschaft, wenn sich EU-französische Bauern gegen EU-deutsche Spediteure und Hersteller wehren. Das ist auch ganz normal und der Stärkere wird gewinnen, und wenn es durch das nächste Wahlverhalten geschieht. Es zeigt sich ja an ganz vielen Stellen, daß diese Europakonstruktion gründlich misslungen ist. Ich bin für einen Reset. (und zwar vollständig ohne TTIP-Ambitionen und ohne Merkel)

  • Ich kann die französichen Bauern sehr gut verstehen, speziell die deutsche Gemüsebauern stehen aber zur Zeit ebenfalls unter Druck das es quitscht.

     

    Hauptproblem ist das Embargo gegen Russland. Die polnischen Gemüsebauern fluten den deutschen Markt weil nichts mehr nach Osten geht und sie per se günstige Arbeitskosten und ihre zwar konvertible aber relativ weiche Währung als Vorteil haben.

     

    Die deutschen Gemüsebauern können dem nichts entgegensetzen da sie bei ihren osteuropäischen Saisonarbeitern inzwischen den Mindestlohn eingeführt (finde ich grundsätzlich erstmal gut!) und wg. der Dokumentationspflicht auch Begrenzungen bei der täglichen Arbeitszeit haben.

     

    Also geht die deutsche Ware, nicht nur Massengemüse wie Kohl und Karotten sondern auch der arbeitsintensive Spargel, Obstl etc. neuerdings Richtung Westen da in der französichen Landwirtschaft meist auch teuer ganzjärig fest angestellte Franzosen arbeiten.

     

    Der agrarische Warenfluss hat sich seit der Ukrainekrise also komplett von West-Ost in die andere Richtung gedreht und erst dadurch erlangen die unterschiedlichen Sozialstandards so eine enorme Bedeutung für die jeweilige Wettbewerbsfähigkeit.

     

    Wie sagt man so schön: da ist dann wohl die Politik gefragt...

  • Eines können sich die europäischen Bauern gleich vor Augen halten, auf die deutschen Landwirte werden sie sich nicht verlassen können. Die werden ausser den Ökobauern vom Staat gestützt.

    Da sollten sie sich lieber mit ihren Südeuropäischen Genossen zusammentun und eine eigene Gewerkschaft gründen, vielleicht die erste EU Gewerkschaft und für ihre Interessen kämpfen. Aber sie sollten sich beeilen denn TTIP wird auf Bauern keine Rücksicht nehmen. Monsanto, Syngenta und Bayer stehen schon in den Starlöchern und mit ihnen der deutsche Landwirt. Der rechnet sich einen Riesenprofit aus, wenn man sich die Entwicklung in den USA ansieht wird der im kleinen Deutschland nicht lange anhalten. Fracking und Genanbau das hält der stärkste Boden nicht aus, Das Grundwasser nicht vergessen. In den USA sind 80% der Anbauböden verseucht und nehmen kein Regenwasser mehr auf. Canada ist auf dem gleichen Weg.

    Man kann den südlichen Ländern nur nahelegen zu handeln und nicht wie Griechenland einzuknicken. Ihr seid wahrscheinlich die letzte Hoffnung für den Europäischen Kontinent, nicht für die EU, die sollte möglichst schnell verschwinden.

    • @Rita Dütsch:

      "Monsanto, Syngenta und Bayer" spielen in der französichen Landwirtschaft die gleiche Rolle wie in der Deutschen, der französiche Acker- und Gemüsebau ist mindestens so modern wie der Deutsche und zumindest größer strukturiert als der in Westdeutschland.

       

      Ihre Ausführungen machen einen etwas kenntnisfrei kämpferischen und dabei sozialromantisch eingefärbten Eindruck auf mich.

      • @Waage69:

        Es wäre auch mal interessant wie sich "Fracking und Genanbau" auf die Bodenfruchtbarkeit auswirken sollen.

        Und dann noch diese Aussage wonach in den USA "80% der Anbauböden verseucht und nehmen kein Regenwasser mehr" aufnehmen können.

        Ist schon irgendwie lustig wenn sich das mal richtig durchliest.

  • Die französischen Landwirte demonstrieren nicht gegen die deutschen Kollegen, aber gegen deren Produkte - das klingt aber nicht nach ehrlicher Debatte.

    • @Chutriella:

      Ehrlich hin oder her, sie wissen sich halt nicht mehr anders zu helfen was für die Dramatik ihre Lage spricht.