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Kommentar Präsidentschaftswahl USADie falsche Kandidatin

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Clinton steht nach Sanders Sieg schlecht da. Und doch wird sie es sein, die gegen Trump antritt. Unterstützung wird sie eher widerwillig bekommen.

Ein Bad in der Menge – aber wie sehr stehen die Wähler_innen wirklich hinter ihr? Foto: reuters

B ernie Sanders, der linke Senator aus Vermont, hat noch einmal Vorwahlen der Demokraten gewonnen – in West Virginia. Das bringt ihm fünf Delegiertenstimmen mehr ein als Hillary Clinton. Für den Sieg reicht das nicht, zu groß ist Clintons Vorsprung. Zum Weitermachen dagegen schon. Und um Clinton schlecht aussehen zu lassen, erst recht.

Auf der republikanischen Seite hat Donald Trump hingegen die Kandidatur in der Tasche. Es ist paradox: Dort hat es das Parteiestablishment nicht geschafft, den Aufstieg Trumps als Kandidat einer Oppositionsbewegung aufzuhalten – bei den Demokraten hat es eine Oppositionsbewegung nicht geschafft, die Kandidatin des Establishments aufzuhalten.

Im Ergebnis wird eine enthusiastische Trump-Unterstützerschaft – mit der bis November garantiert organisierten vollen Unterstützung der Republikanischen Partei – einer widerwillig auf Linie gebrachten Demokratischen Partei gegenüberstehen, die sich allenfalls darin einig ist, Trump verhindern zu wollen, von der eigenen Kandidatin aber nicht viel erwartet.

Bei Sanders wäre das anders: Wo Clinton als machtgeiles Designerprodukt gilt, beansprucht er Authentizität mit einem radikal anderen Politikverständnis – genau wie Trump auf der Gegenseite. Kein Wunder, dass Sanders seit vielen Wochen in allen Umfragen viel deutlicher gegen Trump gewinnen würde als Clinton. Das kann sich sogar noch weiter verschärfen, wenn weitere Details aus Clintons E-Mail-Affäre bekannt werden sollten.

Dennoch: Hillary Clinton wird Kandidatin der Demokraten werden, und sie wird die falsche sein. So wie die republikanischen Parteigrößen Trump unterschätzt haben, wird Clinton von den demokratischen Strategen überbewertet. Das könnte am 8. November ein bitteres Erwachen geben: Wenn Trump eine Chance hat, im November zum Präsidenten der USA gewählt zu werden, dann gegen Clinton. Und das kann nun wirklich niemand wollen, der bei Verstand ist.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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6 Kommentare

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  • Ganz ehrlich: Wenn Hillary Clinton Kandidatin wird und das Duell also Trump gegen Clinton heißt, wird es mir schwerfallen zu beurteilen, wer schlimm und wer schlimmer ist. Ich würde sogar beinahe dazu tendieren, Clinton als das größere Übel zu sehen - bei Trump weiß man nicht, was praktisch auf uns zukäme, bei Clinton schon: genau die Kriegstreiber- und Neocon-Politik, die man von einem stolzen "Goldwater Girl" erwarten darf. Zudem kämpft Trump wenigstens mit offenem Visier und versucht nicht, seine widerlichen Positionen humanistisch zu tarnen. Insofern bin ich geneigt zu sagen: Alles ist besser als Hillary Clinton. Wissend, dass ein US-Präsident sowieso nur einen engen Spielraum hat.

  • Die Situation bei den Demokraten ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Linken nicht strategisch denken. Mir ist Herr Sanders lieber als Frau Clinton und als Herr Trump natürlich sowieso. Wenn er und seine Berater jedoch vernünftig wären, würde er seine mittlerweile aussichtslose Kandidatur zurückziehen und Clinten unterstützen.

  • Schon klar Männer machen Politik, Frauen sind machtgeil. Schon wegen dieses Kommentars sollte man Clinton wählen.

    • @Marie Minue:

      Das ist in diesem Fall jetzt wirklich nicht angebracht. Der Erfolg von Sanders ist nur auf seine Unterstützer und Anhänger aufgebaut, wesentliches Vermögen besitzt er nicht. Hillary Clinton dagegen hat nicht nur ein beträchtliches Vermögen (32 Mios glaub ich), sondern auch einen entsprechenden Apparat hinter sich. Und das sie eine Frau ist sagt noch lange nichts über ihre Politik aus. Durch genau solche oberflächlichen Bewertungen werden Despoten an die Macht gehievt.

  • das kann man auch anders sehen. Wenn die Amerikaner eins nicht mögen, dann "Sozialismus", das ist ungefähr das Schlimmste, was sie sich vorstellen können und Sozialismus ist dort sehr weit gefasst. Viele Wähler würden Sanders ablehnen, weil er genau diesen Ruf eines "Sozialisten" hat, auch wenn das sicher falsch ist, wenn man den Begriff so versteht, wie man ihn hier verwendet.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Dr. McSchreck:

      Allerdings sind die Amerikaner, v.a. in den Krisensituationen, lernfähig.

      So war z.B. für amerikanische Verhältnisse der New Deal viel einschneidender in das Selbstverständnis der Nation als alles was Sanders jetzt vorschlagen kann: staatliches Geld ohne Arbeit, Spitzensteuersatz von 25% auf 63% mit der Verdoppelung (!) der effektiven Besteuerung von oberem 1%, Social Security Act.

      Und was man heute vielleicht vergisst - mehr oder weniger waren das die USA bis zu der Mitte/Ende der 70er Jahre.