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Kommentar Österreichs neue RegierungBetont herzliche Männerfreundschaft

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Die ÖVP und die rechtsnationalistische FPÖ haben sich immer weiter angenähert. Auch deshalb könnte die neue Regierung sehr lange halten.

Zwei wie Pech und Schwefel: Sebastian Kurz (l.) und Heinz-Christian Strache Foto: dpa

D ie Regierung, die am Montag von Bundespräsident Alexander Van der Bellen vereidigt wird, unterscheidet sich nicht nur graduell von ihren Vorgängerinnen. Die betont herzliche Männerfreundschaft zwischen dem 31-jährigen Shootingstar Sebastian Kurz und dem bald 50-jährigen Politveteranen Heinz-Christian Strache ist symptomatisch dafür, wie sich die bürgerliche ÖVP und die rechtsnationalistische FPÖ einander in den letzten Jahren angenähert haben – bis hin zur Ununterscheidbarkeit in Fragen der Flüchtlingspolitik.

Die „neue“ ÖVP ist eine ganz andere als die von Wolfgang Schüssel, der vor 18 Jahren mit Jörg Haider paktierte. Sebastian Kurz hat mit seiner Kabinettsbesetzung die Verwandlung der alten ÖVP, wo die Bünde und die Länder dem Bundesvorsitzenden ständig in die Suppe spuckten, in eine straffe Führerpartei vollzogen. Optisch wird das durch den Farbwechsel von Schwarz zu Türkis sichtbar gemacht.

Im ÖVP-Teil des Kabinetts sitzt außer Kurz selbst niemand mit Regierungserfahrung. Neben den Seilschaften aus der Jungen ÖVP tummeln sich da Quereinsteiger aus Wirtschaft und Wissenschaft. Ob dieser Kurz-Fanklub im politischen Alltag gegen die Strukturen und die Interessen der „alten“ ÖVP bestehen kann, muss sich erst zeigen – spätestens, wenn in den Mühen der Ebene die Euphorie über den Wahlsieg verflogen ist. Drei wichtige Landtagswahlen im kommenden Jahr werden den Kurz-Effekt auf die Probe stellen.

Strache und seine von rechtsextremen Burschenschaftern durchsetzte Partei werden von Kurz nicht mehr als Gefahr für die Demokratie gesehen. Sonst hätte er sich nicht auf das beängstigende Experiment eingelassen, mit Bundesheer, Polizei und Geheimdiensten den gesamten Sicherheitsapparat dem Koalitionspartner anzuvertrauen. Diese Aufteilung folgt der Cluster-Logik der neuen Regierung: Die einen bekommen die Sicherheit, die anderen Wirtschaft und Soziales.

Jeder macht sein Ding – und der andere redet ihm nicht drein. Mit der SPÖ war das ganz anders: ÖVP und Sozialdemokraten waren einander in zunehmendem Misstrauen verbunden und wollten dem jeweils anderen keinen Erfolg gönnen. Insofern sind die Voraussetzungen, dass diese Regierung zehn Jahre hält, gar nicht so schlecht.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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10 Kommentare

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  • Funfact: Auch nach der Landtagswahl in Kärnten 2004 wurde eine blau-rote Koalition gebildet, die SPÖ wählte Jörg Haider zum Landeshauptmann.

     

    Nur fünf Tage nach der Landtagswahl im Burgenland 2015 einigten sich SPÖ und FPÖ auf eine gemeinsame Regierung.

  • Wer sich vor dem bürgerlichen Extremismus fürchtet, muß sich eingestehen, in seinem Streben vordem gescheitert zu sein. Wer so scheitert, wie wir mit unserer Sozialdenke und sozialistisch geprägten Zwangswirtschaft und Kaderdiplomatie, muß sich davor nicht fürchten - freuen muß man sich darüber. Dieses Dilemma ist das Problem, das wir erzeugen. Was jetzt kommt, ist das Ergebnis.

    • @Picard:

      "sozialistisch geprägte Zwangswirtschaft" - Häh? Schreiben Sie aus Nordkorea, oder doch von einem anderen Planeten?

  • ❝die bürgerliche ÖVP❞

     

    Ja, in Österreich ist der rechte Rand bürgerlich. Beängstigend, was in Österreich passiert.

  • Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.

    • 3G
      39167 (Profil gelöscht)
      @Reinhardt Gutsche:

      Ich befürchte, diese Verhältnisse werden auch bei uns Einzug halten.

      • @39167 (Profil gelöscht):

        Die Einführung von mehr (direkter) Demokratie, wie sie von der Koalition versprochen wird, ist mehr als wünschenswert, auch bei uns.

        Wir müssen unentwegt zuschauen, wie sich die Staatskrake immer weiter ausbreitet und sich selbst bedient und keine Partei auch nur ansatzweise dagegen vorgeht. Nur mit direkter Demokratie ist das möglich.

        • @haraldarc:

          Nein, das ist nicht wünschenswert. Direkte Demokratie ersetzt die Suche nach Kompromissen durch die Tyrannei der Mehrheit über die Minderheit und führt zur Spaltung der Gesellschaft und zur Vergiftung der Debatten, weil nur nch pro und contra übrigbleiben und für Differenzierungen kein Platz mehr ist. Minarettverbot, Brexit, Katalonien... wer das toll findet, mag vermutlich auch Herpes. Zumindest wenn es durch eine Volksabstimmung geheiligt wurde.

          • @Earendil:

            Und warum die FPÖ so auf direkte Demokratie abfährt, ist eh klar: weil sich ihnen damit für ihre demagogischen Hasskampagnen ein wunderbares Feld eröffnet.

  • Klappt doch ganz wunderbar. Bei unserem Nachbarn hat offenschtlich keiner Angst vor einer großen Koalition.