Kommentar Ökostrom-Förderung: Die Ignoranz der Experten
Die Forderung von Wissenschaftlern nach einem Aus für das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist absurd. Gefährlich ist sie trotzdem.
E igentlich könnte man darüber lachen, so absurd ist der Vorgang. Sechs Ökonomen, die eigentlich die Forschungspolitik der Bundesregierung evaluieren, verlangen die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – mit der Begründung, dass es weder dem Klima nütze noch zu Innovation führe.
Innovation misst die sogenannte „Expertenkommission“ dabei ausschließlich an der Zahl der Patentanmeldungen. Dass das deutsche Modell der Ökostrom-Förderung etwa beim Solarstrom innerhalb von zehn Jahren zu Preissenkungen von 80 Prozent geführt hat, ignorieren sie ebenso wie die gewaltigen technischen Fortschritte bei der Windkraft.
Von wenig Kenntnis zeugt auch die Aussage, der Ausbau der erneuerbaren Energien trage nicht zum Klimaschutz bei, weil der Emissionshandel in der EU dazu führe, dass dann an anderer Stelle mehr Treibhausgase ausgestoßen werden. Diese Behauptung übersieht, dass der Ausbau der Ökostromerzeugung bei den EU-Zielen natürlich fest eingeplant ist.
Es ist ein vernichtendes Urteil: Sie komme zu dem Schluss, „dass das EEG weder ein kosteneffizientes Instrument für den Klimaschutz ist noch eine messbare Innovationswirkung zu entfalten scheint“, schreibt die „Expertenkommission Forschung und Innovation“ in ihrem Jahresgutachten, das am Mittwoch der Bundesregierung übergeben wurde. Als Belege nennt das Gremium, dass die finanzielle Förderung über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht zu mehr Patenten geführt habe. Zudem böten die festen Einspeisetarife „keinen Anreiz zur Entwicklung neuartiger Technologien“. Aufgrund des europaweiten Emissionshandels vermeidet das deutsche EEG nach Ansicht der Wissenschaftler zudem keine CO2-Emissionen. Als Konsequenz fordert das Gremium die Abschaffung des Gesetzes.
Unkritisch verbreitet
Doch um über so viel Ignoranz nur zu lachen, ist die Situation leider zu ernst. Denn das Gutachten wird trotzdem von vielen Medien unkritisch verbreitet. Und es reiht sich ein in eine Serie von Veröffentlichungen, mit denen die bisherige Ökostrom-Förderung schlechtgemacht wird. Und das bleibt nicht ohne Folgen.
Zwar hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die jüngste Kritik der Forschungsberater erfreulich klar zurückgewiesen. Mit seinen EEG-Reformplänen, die ein deutliches Abbremsen der Energiewende vorsehen, zeigt er jedoch, wie anfällig die Regierung für das Dauerfeuer ist. Die großen Energiekonzerne, die zu den Verlierern der Energiewende gehören, werden auch das neue Unsinns-Gutachten nutzen, um Stimmung gegen die Ökostrom-Förderung zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen