Kommentar OB-Wahl in Görlitz: Noch nichts gewonnen
Die Görlitzer haben bei der Oberbürgermeister-Stichwahl das kleinere Übel gewählt und die AfD gestoppt. Für die Landtagswahl heißt das noch nichts.
N ein, das war keine Richtungswahl am Sonntag in Görlitz, wie der neue Oberbürgermeister Octavian Ursu (CDU) behauptet. Und die CDU-Spitzen AKK und Paul Ziemiak preisen die Union gar als das bürgerliche Bollwerk gegen die AfD! Keineswegs aber hat die CDU allein, mit einer klugen Politik oder gar mit einem souveränen Kandidaten den ersten AfD-Oberbürgermeister in einer größeren deutschen Stadt verhindert.
Hätten die drittplatzierte Grüne Franziska Schubert und die abgeschlagene Linke Jana Lübeck nicht nach dem ersten Wahlgang vom 26.Mai zurückgezogen, wäre es nicht zu einem faktischen Verhinderungsbündnis gegen AfD-Kandidat Sebastian Wippel gekommen. Beide mobilisierten immerhin ein Drittel des Wählerpotenzials. Bei den Rechtsnationalen ätzte man auch prompt gegen die „Blockparteien“.
Um Schubert ist es besonders schade. Sie ist die klare Favoritin der U30-Generation und gut vernetzt, verkörpert das vitale Görlitz und ist als Christin auch für Konservative anschlussfähig. Aber die Grüne Welle ist noch nicht bis an die Neiße geschwappt. Ihr schmerzhafter Rückzug war aber taktisch richtig, weil ihr als Herausforderin Wippels die CDU-Wählerschaft nur bedingt gefolgt wäre. Es herrscht dort außerdem immer noch das Platzhirsch-Denken vor, der über zweieinhalb Jahrzehnte in Sachsen unantastbar scheinende Machtanspruch der CDU.
Nun haben die Görlitzer das kleinere Übel gewählt. Linke, SPD, Grüne und die „Bürger für Görlitz“ sind dabei anders als die Union über ihren Schatten gesprungen und haben für Ursu votiert. Für die Landtagswahl am 1.September ist damit noch gar nichts vorgezeichnet, weder im Görlitzer Prestigewahlkreis von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) noch sachsenweit.
Die AfD zeigte sich in Görlitz von der OB-Niederlage kaum beeindruckt und lässt weiterhin ihr Spitzenpersonal für die Regierungsübernahme coachen. Sie weiß in der Lausitz als stärkste Partei rund ein Drittel der Wähler hinter sich, auch im Görlitzer Stadtrat. Und wenn Wippel gegen Kretschmer um das Landtags-Direktmandat kämpfen wird, ist ihm überregionale Aufmerksamkeit erneut gewiss.
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