piwik no script img

Kommentar Neuerung des Pressekodex'Eine Information, die nicht weiterhilft

Kommentar von Jana Anzlinger

Das Wissen um die Herkunft Tatverdächtiger ist überflüssig. Sie nährt nur Vorverurteilungen, die besonders häufig People of Colour treffen.

In Köln hielt die Polizei an Silvester viele Männer stundenlang wegen äußerlicher Merkmale fest Foto: dpa

D as Leben der Royals interessiert viele Menschen. Sie alle haben Gründe für ihr Interesse. Trotzdem veröffentlicht niemand unvorteilhafte Videos aus dem Kreißsaal, wenn Kate Kinder kriegt. Begründetes öffentliches Interesse besteht an allen möglichen Themen. Es rechtfertigt nicht immer, dass berichtet wird oder wie berichtet wird.

Dennoch erlaubt der Presserat ab sofort, bei Straftaten die Herkunft der Tatverdächtigen zu erwähnen, wenn Journalist*innen meinen, dass es ein „begründetes öffentliches Interesse“ gibt.

Wozu soll das gut sein? Die Information, wo mutmaßliche Täter*innen geboren wurden, hilft niemandem weiter. Wer sie häufig liest, sieht oder hört, verknüpft Herkunft und Kriminalität miteinander. Mediennutzer*innen sind es gewohnt, dass Informationen im Bericht vorkommen, weil sie beim Verständnis der Tat helfen.

Der (falsche) Eindruck, dass die meisten Straftaten von Menschen anderer Abstammung begangen werden, entsteht dadurch, dass Nationalitäten meist eben nicht erwähnt werden. Wenn bei verdächtigen Personen ihr „deutsches Aussehen“ nicht erwähnt wird, dann geraten Angehöriger bestimmter Gruppen, bei denen ihr Andersaussehen stets Thema ist, unter Generalverdacht. Die rechtspopulistische Forderung, sie alle abzuschieben, lauert gleich um die Ecke.

Hinzu kommt, dass die entscheidenden Wörter „tatverdächtig“, „mutmaßlich“ und „verurteilt“ schnell überlesen werden. Dabei werden zum Beispiel People of Color häufiger zu Unrecht verdächtigt. Schon jetzt sind sie im Polizeibericht überrepräsentiert.

Selbst bei gesicherten Täter*innen ist es fragwürdig, sich auf persönliche Merkmale zu konzentrieren: Immer mehr Berichte über Kriminalität geraten zu Porträts der Kriminellen. Dabei sollten eigentlich nicht sie im Vordergrund stehen, sondern das, was passiert ist – und die Menschen, die unter der Tat leiden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Gerade die Nummer mit der "Herkunft" ist schon entlarvend.

    Wie lange müssen denn jemandes Vorfahren z.B. in Deutschland leben und die deutsche Staatsangehörigkeit haben, bis er nicht mehr als "Deutsch-XXX" bezeichnet wird?

    Es genügt einfach nicht die deutsche Staatsangehörigkeit allein. Nein, sie muss im Zweifel bis ins wievielte (?) Glied vorliegen, bevor wie jemanden wirklich als Deutschen begreifen?

    Damit zeigen wir eigentlich ganz deutlich, dass wir zwar andauernd "Integration" fordern, uns aber das Recht nehmen sie von unserer Seite je nach Bedarf quasi nie als abgeschlossen zu betrachten!

    Das zeigt schon, wie tief unsere Vorstellung von der "Herrenrasse" und der ach so guten deutschen "Volksgemeinschaft" verwurzelt sind

    • @Life is Life:

      Vielleicht ja lange genug, bis die hier geltenden Werte, die sich bspw. im Grundgesetz niederschlagen (Gleiche Rechte für Mann & Frau, Religionsfreiheit und Unabhängigkeit des Staates von Religionen, Gewaltmonopol des Staates, Verbot der Diskriminierung von Homosexuellen, sexuelle Selbstbestimmung etc. pp.) im Bewusstsein dieser Menschen angekommen sind?

       

      Die Nazikeule, die Sie im Schlusssatz heraus holen, ist einfach nur armseelig und erinnert mich fatal an die Äußerungen von Erdogan. Sie verharmlosen, indem Sie alle und jeden, der Ihnen nicht in den Kram passt, erst mal als "Nazi" verorten, die Verbrechen des Nationalsozialismus und tun sich einen Bärendienst. Letztlich also eine enorme Unreife, die Sie hier an den Tag legen!

       

      Wenn Sie mit "wir" auch sich selbst meinen, dann müssten Sie sich ja vermutlich selber als Anhänger der Idee einer Herrenrasse und einer deutschen "Volksgemeinschaft" ansehen? Ich persönlich glaube nicht daran.

      • @Alfonso_Knisterbeutel:

        Schade, dass es Ihnen nicht gelingt nur mit markigen Worten an der Oberfläche zu bleiben.

        Aber mal ein Tipp:

        Man braucht kein NSDAP Parteiabzeichen sondern lediglich eine ganz normale bürgerliche Sozialisation in dieser Republik um immer und überall dem unterschwelligen Gedanken "Wir sind was Besseres" zu begegnen. Das zu erkennen und sich bewusst damit auseinanderzusetzen ist der erste Schritt um diesen gedanklichen Weg zu verlassen.

        Und dann verraten Sie mir einmal wie Sie beurteilen können, ob die Verfassungswerte, die Sie aufzählen, wirklich verinnerlicht und gelebt sind, wenn Sie über einen Menschen allein die Herkunft seiner Vorfahren kennen ohne ihn als Person kennenzulernen.

        Mal ganz davon abgesehen, dass ich bei leider sehr vielen Deutschen ohne X-Herkunft berechtigte Zweifel habe, ob sie das auch wirklich verstanden haben und leben wenn ich höre was die so von sich geben.......

        • @Life is Life:

          >>>Und dann verraten Sie mir einmal wie Sie beurteilen können, ob die Verfassungswerte, die Sie aufzählen, wirklich verinnerlicht und gelebt sind

           

          Das lässt sich bei der Berichterstattung über bestimmte Straftaten gut zusammen reimen. Wie "angekommen" ist bspw. ein Mann, der seine Ex-Liebschaft zur Bestrafung mit einem Seil um den Hals am Auto hinter sich herschleift? Oder eine Gemeinschaft von tausenden Mhallamiye-Kurden, die mitten in D ihre eigenen Gesetze macht, von der Stütze lebt und die freie Gesellschaft hier verachtet? Islamistische Prediger, die hier Asyl vor Verfolgung wg. ihrer Religion finden und diesen Status dazu nutzen, gegen Ungläubige zu hetzen, Jugendliche zu radikalisieren & in Kriegsgebiete zu treiben? Oder "Ehren"morde, die mitten in D stattfinden? Wollen Sie diese und viele andere, von aus patriarchal-rückständig-mittelalterlich geprägten Landsmannschaften Stammenden wegrelativieren? Selbstverständlich ist die Nennung des kulturellen Hintergrunds in der Berichterstattung nötig, eine Einordnung ermöglichen zu können. Ich brauche keinen Filter, der mich vor der Wahrheit beschützt, guter Mann.

           

          Davon abgesehen, gibt es viele Zuwanderer, die unter genau diesen Rückständigen Gewalttätern leiden. Diese gilt es genauso zu schützen, was Informiertheit über die Täter voraus setzt.

           

          Ihr NSDAP-Parteibuch-Beispiel ist ja schon untergrenzertig. Vllt sollten Sie realisieren, dass wir im Jahr 2017 leben und hier nicht nostalgisch die 1950-1980er Jahre nachspielen müssen. Die Fragen, die sich uns heute stellen, sind andere und komplexer geworden. Ja, es gibt Faschisten, Reichsbürger und Neonazis. Es gibt aber auch islamistische Faschisten, Graue Wölfe, und eben ganz normal gewalttätige Zuwanderer, die nicht lernen wollen, dass gewisse Verhaltensweisen illegal sind.

           

          Es gibt leider auch Relativierer wie Sie, die stets die Nazikeule schwenken. Auf welchem moralischen Podest Sie sich wohl wähnen?

  • Ich finde es auch bedauerlich, dass der Presserat das macht. Ich sehe kaum Vorteile - aber viele Nachteile.

    Aber am letzten Satz des Artikel stoße ich mich ungemein: Die Täter sollen nicht im Fordergrund stehen, sondern die Opfer. Sowas kenne ich aus der Pädagogik und da macht es unter Umständen auch Sinn. Aber hier? Da hätte ich gerne ein Begründung, warum die Täter nicht auch biographisch beschrieben werden sollten.

    Im übrigen: Um die Opfer kümmert sich die Bildzeitung.

    • @pitpit pat:

      „Um die Opfer kümmert sich die Bildzeitung.“

      Das meinen Sie doch nicht ernst, oder?

      • @Zwieblinger:

        Selbstverständlich meine ich ich das ernst. Das ist ja das Traurige.

  • Der Presserat "erlaubt" oder verbietet nicht, weil es in Deutschland keine Zensur gibt.

    Er kann lediglich Empfehlungen geben.

     

    Btw: Warum soll nur die (nichtdeutsche )Herkunft von Tätern geschützt werden? Was ist mit Geschlecht und Alter? Nicht schutzwürdig?

  • Kann man nicht auf unsinnige Anglizismen wie "People of Colour" verzichten? Oder ist die deutsche Sprache per se so rassistisch, daß man sich nur unter Rückgriff auf englische Ausdrücke korrekt äußern kann? Warum nicht "Schwarze" oder "Farbige" statt "People of Colour"? Fakt ist jedenfalls, daß sowohl im Südafrika der Apartheid-Ära als auch in den USA zur Zeiten der Sklaverei eher Englisch als Deutsch gesprochen wurde, und es deshalb schon verwundern muß, daß angeblich die Verwendung eines englischen Ausdrucks die einzig nichtrassistische Formulierungsvariante sein soll.

    • @yohak yohak:

      im übrigen ist "Schwarze" eine weithin als akzeptabel geltende Bezeichnung.

       

      "Farbige" hingegen ganz und gar nicht!

    • @yohak yohak:

      "People of Color" ist im Gegensatz zu den anderen genannten Begriffen eine so genannte selbstgewählte Bezeichnung.

       

      Soll heißen, von Interessenverbänden, die tatsächlich aus Angehörigen der jeweiligen Minderheit bestehen, ausgewählt.

       

      Und wenn diese sich dazu entscheiden, den Begriff "People of Color" als Anglizismus zu übernehmen, als Selbstbezeichnung, dann ist das eben deren Entscheidung.

      • @Existencielle:

        Das behaupten Sie so, können Sie das bitte auch belegen? Wer sind die im Plural genannten "Interessenverbände"? Vermutlich meinen Sie hier genau einen Interessenverband aus den USA, der naheliegenderweise englischsprachig ist. Eine in Englisch geäußerte Fehlinformation ist auf den ersten Blick weniger einfach als solche zu identifizieren. Nach der Übersetzung "Farbige" zeigt sich der Fehler aber doch recht schnell.

         

        Meine Ehefrau stammt aus Kenya. Sie ist weder bunt noch schwarz, sondern braunhäutig. So wie alle Hautfarben von einem Grad der Ausprägung des Hautpigments Melanin abhängig sind, so habe ich weniger Pigmente in meiner Haut als unser gemeinsamer Sohn, bin aber dabei nicht "weiß", sondern sehr hellbraun, so wie auch meine Ehefrau nicht "schwarz" ist. Unser gemeinsamer Sohn ist nicht bunt, sondern mittelbraun. Beide fühlen sich von US-amerikanischen Interessenverbänden NICHT vertreten.

         

        Bitte legen Sie mir dies nicht als Korintenkackerei aus. Ich möchte nur sehr gerne veranschaulichen, dass Sie hier überprüfbar Falsches behaupten. Aber Sie sind sicher noch jung genug, dazu zu lernen und sich von politischen Allerweltsungereimheiten peu a peu fortzuentwickeln.

         

        Irgendwann werden Sie wissen, dass die Realität komplizierter ist als Ihre selbstgewählte Ideologie. Z.B. der Fakt, dass der Sohn meiner Ehefrau, der dunkelbraun ist, mitten in Berlin wegen seiner Hautfarbe von Arabern gemobbt wird. Und dass so der Rassismus gegen Afrikaner in Berlin nicht geringer ist als in Dresden, wo wir bis vor einigen Jahren gelebt haben.

         

        Selbst wenn das in Ihrem Weltbild bisher noch nicht vorkommt: es gibt auch rassistische Ausländer, die selber bräunlich sind. Dies sind aus meiner Erfahrung meistens Arabisch- oder Türkischstämmige. Und wenn sich hier mitten in Berlin Großfamilien, wohlgemerkt gegenseitig, auf die Fresse hauen, dann sind das eben Großfamilien aus diesem Kulturkreis. Und es ist auch völlig OK, das in der Presse so zu schreiben.

        • @Alfonso_Knisterbeutel:

          ich muss zugeben ich gebe nur weiter, was mir von Leuten, die einen entsprechenden Vortrag gehalten haben, erzählt wurde. Ergänzt durch das, was auf Internetseiten, die dort empfohlen wurden, stand. Ich hatte bisher keinen Anlass anzunehmen, dass diese Aussage nicht stimmt, der Vortrag wirkte ansonsten sehr gut recherchiert, in sich schlüssig und die Vortragende hatte vorzuweisen, dass sie sich bereits eine ganze Weile auf dem Gebiet betätigt und dort anerkannt zu sein schien.

           

          Und mir ist auch klar, dass eine Interessenverband nie für alle, für die er einzutreten vorgibt, sprechen kann, es Leute anderer Meinung etc. geben kann. Aber letztlich habe ich als gänzlich unbetroffener keine Möglichkeit, dazu qualifiziert irgendetwas zu sagen, und so bleibt mir nur, auf Leute zu verweisen, die sich damit auszukennen scheinen und die vor allem auch selbst Erfahrung mit Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe gemacht haben.

           

          Darüber hinaus verstehe ich nicht, was Sie mir unterstellen ("selbstgewählte Ideologie", etc.), das scheint sich nämlich nicht auf das, was ich geschrieben habe zu beziehen, sondern wohl auf Annahmen, die Sie glaubten, über mich treffen zu können.

          • @Existencielle:

            Ich danke Ihnen für Ihre Antwort.

             

            Dass Sie sich einen Vortrag angehört haben, dessen Tenor Sie nun widergeben, dessen Inhalt Sie aber nicht aus voller Überzeugung und Informiertheit teilen, erschließt sich aus Ihren vorherigen Posts aber leider nicht. Dort stehen klar gesetzte Aussagen wie, Zitat: "im übrigen ist "Schwarze" eine weithin als akzeptabel geltende Bezeichnung.

            "Farbige" hingegen ganz und gar nicht!"

            die mir zwangsläufig erscheinen müssen, als wären Sie davon ganz deutlich überzeugt.

             

            Seltsam finde ich aber, dass Sie nicht berücksichtigen, dass die Grundform des diskriminierenden Wortes "Neger" das lat. niger für „schwarz“ ist. Denken Sie, wenn Sie das in Betracht ziehen, nach wie vor, dass die Bezeichnung "Schwarze" OK ist? "Farbige" aber nicht? Das verstehe ich schlicht nicht.

             

            Afrikaner sind nicht schwarz. Punkt.

             

            Andere Informationen über Ihren Hintergrund standen mir darüber hinaus nicht zur Verfügung. Und dass es sich um Ideologie handelt (googlen oder wikipedieren Sie den Begriff doch bitte) habe ich daraus abgeleitet.

             

            Ich empfehle Ihnen, sich nicht alleine aufgrund eines einzelnen besuchten Vortrages das Vokabular und die Überzeugung der Vortragenden zu eigen zu machen, sondern selber mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich mit Themen intensiv zu befassen. Wenn Sie dann zu den selben Schlüssen kommen, gut. Nur wär es dann eben eine fundierte Meinung. So ist es für mich leider völlig inkonsistente Ideologie.