piwik no script img

Kommentar Nazis im JustizministeriumIm Kern braun

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Dass Nazis nach 1945 nicht einfach aus dem öffentlichen Leben verschwanden, ist bekannt. Aber wie stark sie weiter wirkten, ist erschreckend.

Die Rosenburg am Venusberg in Bonn: offenbar von innen noch brauner als gedacht Foto: dpa

D as Ausmaß der NS-Infiltration im Bundesjustizministerium übersteigt alle bisherigen Befürchtungen. Ja, wir wussten schon lange, dass die NS-Elite in der jungen Bundesrepublik neuen Unterschlupf fand. Aber dass mehr als die Hälfte der Leitungspositionen in diesem Ministerium in der Hand alter NSDAP-, SA- oder SS-Kameraden war – das ist schon ein Hammer. War also nur die juristische Hülle der Bundesrepublik demokratisch, der Kern aber weiter braun angefärbt?

Dafür spricht einiges, wie der jetzt vorgestellte Bericht über die Nazi-Verstrickungen der Behörde zeigt. Viele Historiker verstehen die Frühzeit der Bundesrepublik als ein Erfolgsmodell, weil es gelungen sei, die NS-Eliten im demokratischen Sinne so zu beeinflussen, dass sie in Theorie und Praxis nicht länger ihrer Ideologie anhingen. Es seien geläuterte Nazis gewesen, die dem Land nichts Böses mehr tun wollten. An dieser These bestehen erhebliche Zweifel. Viele der Ex-Nazis im Justizministerium verfolgten weiter ihre alten Vorstellungen.

Zunächst einmal kümmerten sich diese Herrschaften um sich selbst und ihresgleichen: Sie sorgten dafür, dass Tausende NS-Schreibtischtäter einer Bestrafung entgingen. Ihnen haben wir zu verdanken, dass nur ein einziger NS-Richter jemals für seine Taten zur Rechenschaft gezogen worden ist. Zudem aber hatten diese angeblichen Demokraten ihre Feindbilder fest im Blick: Die Opfer von einst, Sinti und Roma, Kommunisten oder Homosexuelle, blieben auch im neuen Staat verfolgt und landeten zwar nicht mehr im Konzentrationslager, aber doch hinter Gittern.

Alles sehr bedauerlich, aber lange her, mag da mancher denken. Tatsächlich sind die NS-Bürokraten von damals heute längst verstorben. Viele ihrer damals jungen Opfer aber leiden bis heute unter den Strafen, die sie in der Bundesrepublik erhalten haben. Erst wenn sie rehabilitiert sind, wenn der Staat Abbitte bei ihnen geleistet und eine Entschädigung gezahlt hat, ist das Kapitel der Nazi-Juristen wirklich abgeschlossen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Hier wurde ein schreckliches Erbe nicht aufgearbeitet. Es vergiftet unsere Gesellschaft bis heute. Zwei Beispiele http://www.br.de/nachrichten/oberfranken/inhalt/peggy-boehnhardt-dna-forensiker-zweifel-ermittlungspanne-100.html

    http://www.vielfalt-info.de/index.php/rituelle-gewalt/definitionen

     

    Extremistische Verhaltensweisen und die sexualisierte Misshandlung von Kindern bedingen einander. Die NS-Verbrecher wurden nach Ende des zweiten Weltkrieges fast naht- und geräuschlos wieder in die Gesellschaft integriert. Häufig setzten sie ihre Schreckensherrschaft in ihren Familien fort. Eine teuflische Hinterlassenschaft. Wir sind bis heute damit belastet.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die als Kinder und/oder Jugendliche Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Dann bennen wir doch mal beispielhaft einen der übelsten Vertreter dieser Furchtbaren Juristen

    (Ingo Müller) - dieser Nazi-Juristen

    Im BMJ - mit so unerhört weitreichenden Folgen. ~>

     

    "Eduard Dreher (* 29. April 1907 in Rockau (heute Ortsteil von Dresden); † 13. September 1996 in Bonn)[1] war ein deutscher Jurist und hoher Ministerialbeamter in der frühen Bundesrepublik Deutschland. Zur Zeit des Nationalsozialismus war Dreher Erster Staatsanwalt am Sondergericht Innsbruck und stieg in den 1960er Jahren zu einem der einflussreichsten westdeutschen Strafrechtler auf. Dreher ist durch seinen Kommentar zum Strafgesetzbuch bekannt geworden..."

    & - wie dort zu lesen - eben nicht nur dadurch ~> https://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Dreher

     

    Bitte alles dort Haarsträubendes lesen.

    Danke.

    & http://www.zeit.de/2011/36/Ferdinand-von-Schirach &

     

    Drehers StGB-Kommentar stand jahrzehntelang als

    Handkommentar praktische auf jedem Strafrichterschreibtisch.

     

    &

     

    Zu seiner raffiniert trickreichen

    Volte mit der Verjährung zugunsten der Nazi-Mörder & Verantwortlichen Versteckt im OWiG!!! -

    Bemerkte der wahrlich integre und kluge Jurist und damals JuMi -

    Gustav Heinemann sinngemäß -

    " Ich/wir habens schlicht -

    Nicht gemerkt!"

    https://www.tagesschau.de/inland/justizministerium-nsjuristen-dreher-101.html

    klar - reuelos! ~> &

    http://www.pnn.de/campus/751379/

  • "Erst wenn sie rehabilitiert sind, wenn der Staat Abbitte bei ihnen geleistet und eine Entschädigung gezahlt hat, ist das Kapitel der Nazi-Juristen wirklich abgeschlossen."

     

    Dann wird's aber Zeit!!!