Kommentar Nato-Mission in der Ägäis: Konjunkturprogramm für Schleuser
Den Schleppern wird mit der Mission keineswegs das Handwerk gelegt. Im Gegenteil: Ihr Profit wird möglicherweise sogar steigen.
B ekämpfung der Schlepper, nicht der Flüchtlinge – das ist der offiziell verkündete Zweck der Nato-Mission in der Ägäis, die in den kommenden Tagen starten soll. Grundsätzlich wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn die türkische und die griechische Küstenwache effektiver gegen die Schleuserbanden vorgehen würden, deren millionenschweres Geschäftsmodell es ist, Not und Elend von Menschen auszunutzen. Nur: Nach dem derzeitigen Stand wird die Nato dazu keinen Unterstützungsbeitrag leisten. Im Gegenteil: Ihre Mission könnte sich sogar als Schleuserkonjunkturprogramm erweisen.
Seit dem Nato-Eilbeschluss vor drei Wochen beteuert Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen unablässig, mit Hilfe der Nato solle den Flüchtenden der Anreiz genommen werden, sich in Hände der kommerziellen Fluchthelfer zu begeben und die gefährliche Überfahrt zu wagen. Daher sei „fest verabredet mit der Türkei“, so behauptet sie, „dass die Flüchtlinge zurück in die Türkei gebracht werden“.
Doch der Eindruck, den von der Leyen vermitteln will, ist falsch. Wie bisher auch schon wird es vom jeweiligen Hoheitsgewässer abhängen, an welchem Ufer die Passagiere eines abgefangenen Bootes landen werden. In die Türkei zurück müssen nur diejenigen, die noch in türkischen Gewässern aufgegriffen werden.
Somit besteht nach wie vor die Chance, es nach Griechenland zu schaffen – wenn auch eine geringere. Das bedeutet, dass sich weiterhin Menschen den Schleppern ausliefern werden. Das erhöhte Risiko werden diese einzupreisen wissen. Ihr Profit dürfte also steigen, statt zu sinken. Den Preis zahlen die Flüchtlinge, so oder so: Allein in diesem Jahr haben bislang 410 Menschen ihr Leben in der Ägäis verloren.
Was der Bekämpfung des Schleuserunwesens tatsächlich dienen würde: Flüchtlingen eine legale und sichere Einreise in die EU zu ermöglichen. Das wäre effektiv und human. Aber wer will das schon?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands