Kommentar Nationalfeiertag in Österreich: Strache im Bürgerkrieg
Der FPÖ-Chef dämonisiert die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. So erhält er die maximale Aufmerksamkeit der Wähler.
A ngela Merkel „ist nicht nur die mächtigste, sondern auch die gefährlichste Frau Europas“, so FPÖ-Chef Heinz Christian Strache am Montag in seiner Rede zum österreichischen Nationalfeiertag. Seine Begründung: die deutsche Kanzlerin habe den „Startschuss zur größten Völkerwanderung seit Jahrhunderten“ gegeben.
„Völkerwanderung“: das ruft bei den halbgebildeten Stammwählern der Rechtspartei Bilder von kriegerischen Reitervölkern aus dem Osten hervor, die die römische Zivilisation zu Fall brachten. Nach den Warnungen der Rechtspopulisten Europas droht der christlich-abendländischen Kultur ein ähnliches Schicksal, wenn weiter muslimische Migranten ins Land gelassen werden. Merkels Spruch „Wir schaffen das!“ wird als Kriegserklärung für das Abendland gedeutet.
Strache weiß, dass die Dämonisierung der Kanzlerin blanker Unsinn ist. Doch es geht Demagogen selten um beweisbare Behauptungen. Er kann sich aber sicher sein, dass seine Sprüche Empörung wie begeisterte Zustimmung auslösen werden. Beides bringt gratis Medienpräsenz. Und darum geht es ja: Anfang Dezember will FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei der verschobenen Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl endlich gewinnen. Und vermutlich wird 2017 auch der Nationalrat vor der Zeit gewählt. Da will Strache seine guten Umfrageergebnisse in harte Zahlen umsetzen und Kanzler werden.
In letzter Zeit war es aber still geworden um den Oppositionsführer. In der Flüchtlingsfrage hatte die Regierungspartei ÖVP mit ständig neuen Verschärfungsvorschlägen den Ton angegeben. Da muss man nachlegen, wenn man weiterhin in die Medien kommen will. Deswegen fährt Strache schwere Geschütze auf: Die Zuwanderung erweise sich als Bedrohung für Europa und „mache mittelfristig einen Bürgerkrieg nicht unwahrscheinlich“.
In den sozialen Medien hat die FPÖ den Krieg bereits angezettelt. Ein von Strache ins Netz gestelltes Video, das einen syrischen Asylwerber zeigt, wie er sich in suizidaler Absicht vor ein Auto wirft und dann auf eine Straßenbahn klettert, wurde zigtausendmal kommentiert. Im Stil von: „Wo bleibt der Starkstrom, wenn man ihn braucht“ oder „Direkt Kopfschuss, Alter!“. Kritische Beiträge werden schnell aus dem Forum getilgt, aber beim Löschen von Hasspostings lässt sich die FPÖ Zeit.
Bisher hat ihr das Motto „Auch negative Propaganda ist Propaganda“ immer geholfen. Und wenn man „Mutti“ zur Totengräberin des Abendlandes erklärt, dann passt das ins Bild einer sich immer weiter hochschraubenden Kampfrhetorik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Krieg in Nahost
Israels Dilemma nach Assads Sturz
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
USA nach Trump-Wiederwahl
Das Diversity-Drama