piwik no script img

Kommentar Nationalfeiertag in ÖsterreichStrache im Bürgerkrieg

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Der FPÖ-Chef dämonisiert die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. So erhält er die maximale Aufmerksamkeit der Wähler.

Herr Strache (r) in voller Kampfmontur, neben seinem Kampfgenossen Norbert Hofer (l) Foto: reuters

A ngela Merkel „ist nicht nur die mächtigste, sondern auch die gefährlichste Frau Europas“, so FPÖ-Chef Heinz Christian Strache am Montag in seiner Rede zum österreichischen Nationalfeiertag. Seine Begründung: die deutsche Kanzlerin habe den „Startschuss zur größten Völkerwanderung seit Jahrhunderten“ gegeben.

„Völkerwanderung“: das ruft bei den halbgebildeten Stammwählern der Rechtspartei Bilder von kriegerischen Reitervölkern aus dem Osten hervor, die die römische Zivilisation zu Fall brachten. Nach den Warnungen der Rechtspopulisten Europas droht der christlich-abendländischen Kultur ein ähnliches Schicksal, wenn weiter muslimische Migranten ins Land gelassen werden. Merkels Spruch „Wir schaffen das!“ wird als Kriegserklärung für das Abendland gedeutet.

Strache weiß, dass die Dämonisierung der Kanzlerin blanker Unsinn ist. Doch es geht Demagogen selten um beweisbare Behauptungen. Er kann sich aber sicher sein, dass seine Sprüche Empörung wie begeisterte Zustimmung auslösen werden. Beides bringt gratis Medienpräsenz. Und darum geht es ja: Anfang Dezember will FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei der verschobenen Wiederholung der Bundespräsidentenstichwahl endlich gewinnen. Und vermutlich wird 2017 auch der Nationalrat vor der Zeit gewählt. Da will Strache seine guten Umfrageergebnisse in harte Zahlen umsetzen und Kanzler werden.

In letzter Zeit war es aber still geworden um den Oppositionsführer. In der Flüchtlingsfrage hatte die Regierungspartei ÖVP mit ständig neuen Verschärfungsvorschlägen den Ton angegeben. Da muss man nachlegen, wenn man weiterhin in die Medien kommen will. Deswegen fährt Strache schwere Geschütze auf: Die Zuwanderung erweise sich als Bedrohung für Europa und „mache mittelfristig einen Bürgerkrieg nicht unwahrscheinlich“.

In den sozialen Medien hat die FPÖ den Krieg bereits angezettelt. Ein von Strache ins Netz gestelltes Video, das einen syrischen Asylwerber zeigt, wie er sich in suizidaler Absicht vor ein Auto wirft und dann auf eine Straßenbahn klettert, wurde zigtausendmal kommentiert. Im Stil von: „Wo bleibt der Starkstrom, wenn man ihn braucht“ oder „Direkt Kopfschuss, Alter!“. Kritische Beiträge werden schnell aus dem Forum getilgt, aber beim Löschen von Hasspostings lässt sich die FPÖ Zeit.

Bisher hat ihr das Motto „Auch negative Propaganda ist Propaganda“ immer geholfen. Und wenn man „Mutti“ zur Totengräberin des Abendlandes erklärt, dann passt das ins Bild einer sich immer weiter hochschraubenden Kampfrhetorik.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Angela Merkel „ist nicht nur die mächtigste, sondern auch die gefährlichste Frau Europas“

     

    Bleibt nur noch zu ergänzen, dass man ähnliche Anmerkungen auch aus der „linken“ Ecke hört. Überhaupt scheint es so, als ob Frau Merkel der kleinste gemeinsame Nenner zwischen „Linken“ und „Rechten“ ist, wenn es um die „Buh-Frau" Europas geht!

    • @Pfanni:

      Frau Merkel hat doch mittlerweile (aus mir unverständlichen Gründen) bei den Linken mehr Rückhalt als in ihrer eigenen Partei.

  • Merkel regiert doch gar nicht in Österreich und ist in Europa isoliert, groteske Spielchen von HC Strache.

  • Schreien kann jeder.

    • 2G
      23138 (Profil gelöscht)
      @Sapasapa:

      Das Probem dabei ist, dass zu viele meiner östereichischen ZeitgenossInnen blind zuhören (und nachquatschen...)