Kommentar Namen deutscher Kasernen: Grenzen der Befehlsgewalt
Ursula von der Leyen will sauber zwischen der Bundeswehr und der Wehrmacht im Dienst des NS-Staats unterscheiden. Das ist nicht einfach.
W olf Graf Baudissin diente im Zweiten Weltkrieg an der Seite von Erwin Rommel im Generalstab des Afrikakorps. Für seinen Einsatz gegen die Alliierten erhielt er das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse. Ein Handlanger der Nazis also, der mit der Tradition der Bundeswehr nichts gemein haben darf?
Wolf Graf Baudissin prägte als späterer Generalleutnant der Bundeswehr in den 1950er Jahren den Begriff des Staatsbürgers in Uniform. Der Soldat solle kein blinder Befehlsempfänger mehr sein, sondern auch ein freier Bürger bleiben. Baudissin war eben auch Begründer der Armee eines demokratischen Staates, nach dem in Hamburg eine Kaserne benannt ist.
Das Beispiel illustriert, welche Probleme der Versuch von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen beinhaltet, sauber zwischen der Bundeswehr einerseits und der Wehrmacht im Dienst des NS-Staats anderseits zu unterscheiden. Denn diese Trennung ist schlicht nicht immer möglich. Die Bundeswehr bestand bei ihrer Gründung 1956 zu großen Teilen aus dem Führungspersonal der Wehrmacht.
Natürlich sollte die Baudissin-Kaserne ihren Namen behalten dürfen. Wie aber verhält es sich mit der Unterkunft, benannt nach einem gefallenen, hoch dekorierten Piloten der Wehrmacht? Selbst wenn dieser Helmut Lent kein Nazi gewesen ist, so diente er diesen doch als soldatisches Vorbild in einem verbrecherischen Angriffskrieg. Das schließt eine Identifikation mit diesem „Kriegshelden“ aus.
Also umbenennen und fertig? Da lässt Graf Baudissin grüßen. Denn seine Staatsbürger in Uniform, also die in der Lent-Kaserne stationierten Offiziere, möchten weiter unter diesem Namen dienen. Man muss das verurteilen. Aber die Ministerin hat jetzt ein Problem: Ignoriert sie die Stimmen der Soldaten, demontiert sie das bisschen Demokratie in der Bundeswehr. Bleibt sie deshalb aber untätig, widerspricht sie ihren eigenen Worten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?