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Kommentar MütterrenteTeuer und rückwärtsgewandt

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Die Mütterrente, die nun in Kraft tritt, belohnt das Dasein als Hausfrau und bestraft ein Arbeitsleben. Und sie zementiert Ost-West-Unterschiede.

Träumt Ministerin Andrea Nahles davon, die Mütterrente wieder aus dem Paket zu nehmen? Bild: dpa

D ie Mütterrente, die ab Dienstag gilt, ist ein Erfolg. Findet die Union. Sie hat um sie gekämpft, wie eine Mutter um ihr Baby kämpfen würde. Aber die Mütterrente ist kein Erfolg. Sie ist genau das Gegenteil: ungerecht, teuer und rückwärtsgewandt. Und sie zementiert einen Ost-West-Unterschied, der 25 Jahre nach dem Mauerfall aufgehoben sein sollte.

Wenn die Frauen, die vor 1992 Kinder bekommen haben, demnächst auf ihren Rentenbescheid schauen, sollte da ein höherer Betrag für einen zusätzlichen Rentenpunkt stehen. Für Mütter im Westen bis zu 28,61 Euro im Monat mehr für jedes Kind, im Osten bis zu 26,39 Euro. So weit die Theorie.

Stellt sich zunächst jedoch die Frage, warum die Leistung einer Mutter im Westen 2,22 Euro mehr wert ist als die Leistung einer Mutter im Osten. Hat Frau W. aus Wetzlar ihre Kinder mehr geliebt als Frau O. in Oschatz? Hat sie ihnen öfter bei den Hausaufgaben geholfen und sie regelmäßiger zum Klavierunterricht und zum Fußballtraining gefahren?

Der Grund für die Ost-West-Diskrepanz liegt nach wie vor in der „unterschiedlichen Wirtschaftskraft“, sagt eine Sprecherin der Deutschen Rentenversicherung: Das Rentenniveau sei immer noch nicht angeglichen.

Die Bundesregierung hat die Mütterrente einst mit dem Slogan beworben: „Nicht geschenkt, sondern verdient“. Der Satz stimmt nicht. Es ist eher genau andersrum: Diejenigen Mütter, die nichts verdient haben, weil sie nicht berufstätig waren, bekommen genau dafür etwas geschenkt. Und diejenigen, die etwas verdient haben, nämlich ihr eigenes Geld, bekommen deswegen noch lange nichts geschenkt.

Und das geht so: Jene Mütter, die wegen der Kinder und des Mannes längere Zeit oder ganz auf ein Erwerbsleben verzichten und dadurch nur wenig oder nie in die Rentenkasse einzahlen, bekommen die volle Mütterrente. All jene jedoch, die schon früher an später denken, arbeiten und die Rentenkasse bestücken, bekommen nicht unbedingt die volle Summe. Nämlich dann nicht, wenn ihr Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze liegt. Ihre Mütterrente wird mit der Rente, die sie sich selbst erarbeiten, verrechnet. Die Mütterrente belohnt also ein Hausfrauendasein und bestraft ein Arbeitsleben.

Und das in einer Zeit, in der die SPD-Familienministerin mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf tun will und immer mehr Männer Vätermonate nehmen. In der immer mehr Mütter in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft durchstarten und das Institut der deutschen Wirtschaft feststellt, dass Arbeit insbesondere Frauen glücklich macht. Zumindest sind diejenigen mit einer geregelten Arbeit zufriedener als jene ohne Job.

Sieben Milliarden Euro zusätzlich

Nun muss man vorsichtig sein, man darf Mütter nicht gegeneinander ausspielen. Jede Mutter – und jeder Vater – verdient es, Anerkennung zu bekommen. Egal, wo und wie sie ihre Kinder großzieht.

Teuer ist die Mütterrente auch noch. Rund 9,4 Millionen Rentnerinnen und Rentner sollen laut Bundesregierung davon profitieren. Doch wie lange? Diese Rentenerhöhung kostet etwa 7 Milliarden Euro zusätzlich jedes Jahr. Zunächst wird die Summe aus der Rentenkasse bezahlt. Damit finanzieren also auch jene Frauen, die gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben, die Mütterrente von Frauen, die als Hausfrauen nie etwas eingezahlt haben. Unabhängig davon, dass sie nicht einmal die volle Summe ausbezahlt bekommen – siehe oben.

Und später, wenn die Überschüsse in der Rentenversicherung aufgebraucht sind, die sich in den vergangenen Jahren angesammelt haben, müssen die Steuerzahlerinnen und -zahler die Mütterrente begleichen. Auch hier zahlen wieder jene, die arbeiten. Die profitierenden Hausfrauen zahlen nichts: keine Erwerbsarbeit, kein Einkommen, keine Steuerleistungen.

Übrigens: Die Rentenversicherung selbst spricht von der Mütterrente nicht als Lebensleistungsrente, so wie das die Regierung tut. Sondern von einer Mindestrente. Die Lebensleistungsrente ist etwas komplett anderes: eine Aufstockung der Altersrente für all jene, die trotz lebenslanger Arbeit eine geringe Rente bekommen, die zum Leben nicht reicht.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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9 Kommentare

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  • ich habe 4 Kinder groß gezogen, war bis einschließlich dem 2. Kind berufstätig und nachdem meine Kinder alt genug waren wieder. Somit habe ich zum einen die Steuerzahler von heute großgezogen, zum andern Steuer bezahlt. Nur ist es auch relativ schwierig, wenn meine Generation wieder in den Beruf voll einsteigen will, mit ganz vielen Neuerungen wie zum Beispiel Computer. Ich hatte noch Steno Schreibmaschine und Fernschreiber, nur um ein Beispi el zu nennen.

    Außerdem war vor ca. 35 Jahren es sehr schwierig Kinder so in Betreuung unterzubringen, dass man mit ruhigen Gewissen zur Arbeit gehen konnte. Früher war also eher die Entscheidung Familie oder Kariere im Beruf. Beides war fast nicht möglich.

    Ich werde,obwohl ich gearbeitet habe, obwohl ich 4 Kinder groß gezogen habe bestimmt keine großen Sprünge mit meiner Rente machen können.

  • Mich wundert immer wieder, dass die Taz-AutorInnen scheinbar nicht zwischen den Themen "Kindeserziehung" und "Familie und Beruf" unterscheiden können. Natürlich ist es gut, wenn alles dafür getan wird, Frauen, obwohl sie Kinder bekommen, gleiche Karrierchancen zu ermöglichen. Dies durch Kita-Ausbau und ähnliches zu unterstützen finde ich gut und richtig. Wer aber meint, ein Tag in der Kita sei für ein Kind das Gleiche wie ein Tag Zuhause (nur das im ersten Fall die "faule" Mutter arbeiten gehen kann, sprich nach Lesart der Taz eine "Gute Mutter" ist) ignoriert, dass in den Kitas keine "Erziehung" stattfinded, sondern "Betreuung". Das ist ein Unterschied.

    Das die Taz schon seit längerem Elternteile, die ihre Kinder zu Hause erziehen, abwechselnd als faul, unionsnah oder -wie jetzt- rückwärtsgewandt beschimpft, finde ich nicht nur fragwürdig, sondern auch beleidigend. Das war bei der Herdprämie schon so, bei der gesamten Kitaausbau-Diskussion und ist jetzt bei der Mütterrente auch nicht anders.

  • Was soll das sein ?

    Bewußte Falschdarstellung oder einfach Unfähigkeit der Recherche.

    Marieken hat schon darauf hingewiesen, dass die Mütterrente nicht mit den sonstigen Anwaltschaften verrechnet wird.

     

    Einzige Streitfrage ist, ob sie Steuerfinanziert (und damit von allen) oder Beitragsfinanziert (und damit von Lohnabhängigen und deren Arbeitgebern) werden soll.

     

    Der Ost-West-Unterschied ist auch reichlich konstruiert.

    Für Frauen, die vor 92 Kinder in der ehemaligen DDR Kinder bekommen haben, werden im Durchschnitt viel höhere Renten als für West-Frauen bezahlt.

    Was nicht an der Faulheit der West-Frauen lag, sondern einfach an den unterschiedlichen Systemen.

     

    In Zukunft bedarf es sicher einer Ost-West-Angleichung der Renten.

    Gerade auch wegen der unterschiedlichen Lebensverhältnissen, einfach auch aus sozialen Gründen.

     

    Dennoch darf man nicht vergessen dass die Rentengewinner bei der Wiedervereinigung dank ihrer ununterbrochenen Erwerbsbiografien vor allem Frauen im Osten (gerade jene, die vor 92 geboren hatten) waren.

     

    Das genau wird sich in Zukunft ändern und umkehren, gerade auch wegen der hohen Alleinerziehendenrate im Osten.

    Man kann diese beiden Systeme nicht miteinander vergleichen. Man muß aber große Ungerechtigkeiten ausgleichen und versuchen Härten zu vermeiden.

     

    Desshalb, weil die Mütter im Westen kaum Rentenbeiträge bezahlen konnten und weil ihre Erziehungsleistung, die sie ohne Unterstützung von staatlichen Betreuungseinrichtungen und sozialistischem Arbeitsmarkt, alleine erbringen mussten, ist es recht und ziemlich billig diese Minimütterrente zu erweitern.

    Und das rückwärtsgewandt zu nennen, heißt jede Maßnahme auf sozialen Ausgleich abzulehnen.

     

    Die Frauen, welche davon betroffen sind sind durchschnittlich weit über fünfzig.

    • @Seifenblase:

      Frauen im Osten sind Rentegewinner- soviel Zynismus kann nur jemand aus dem Westen schreiben. Frauen hatten in der DDR mehr Möglichkeiten zur beruflichen Entwicklung und sie haben diese genutzt. Daher kommen die Renten für Ostfrauen- dennoch haben Ostfrauen durch die unfaire Berechnung nur vergleichsweise geringe Renten. Viele berufstätige geschieden Ostfrauen leben heute in Altersarmut- ich kenne da Beispiele.

      Die Mütterrente wird für Frauen gezahlt, die zu Hause gebleiben sind, Frauen, die wieder arbeiten gegangen sind UND dabei ihre Kinder erzogen haben, bekommen dafür nichts. Die Aktiveren werden benachteiligt-.

      • @Tupaq:

        zur Mütterrente hier eine Information der DRV

         

        http://www.deutsche-rentenversicherung.de/Allgemein/de/Inhalt/4_Presse/infos_der_pressestelle/02_medieninformationen/03_pressematerial/rv_leistungsverbesserungsgesetz/140212_faq_muetterrente.html

         

        "Die Mütterrente wird für Frauen gezahlt, die zu Hause gebleiben sind, Frauen, die wieder arbeiten gegangen sind UND dabei ihre Kinder erzogen haben, bekommen dafür nichts. Die Aktiveren werden benachteiligt-."

         

        Ich hoffe nun, dass nach dem Lesen etwaige Missverständnisse, die durch den Artikel entstanden, beseitigt wurden. Ihre Aussage ist schlichtweg falsch.

         

        Nochmals berufstätige Mütter bekommen die Rentenpunkte obendrauf!

        Der hypotetische Fall, dass eine Mutter 45 Jahre über der Beitragsbemessungsgrenze versichert war und eine Höchstrente von 2200 Euro bezieht, wird selbst von der DRV als theoretisch (das heißt unwahrscheinlich ) genannt.

        Was verrechnet wird ist die Hinterbliebenenrente und Renten in der Grundsicherung und nicht die Rente aus aktiver Arbeit.

         

        Zum Problem der Altersarmut von geschiedenen Ostfrauen habe ich im Übrigen auch Stellung bezogen.

         

        Tatsache ist aber unbestreitbar dass kurz nach der Wende Ostrenten im Schnitt wegen der ununterbrochennen Erwerbsbiografien viel höher waren als Westrenten und dass diese Kosten auf die Westversicherten abgewelzt wurden.

        Das war politisch so gewollt und daher hatten damals die unterschiedlichen Berechnungen der Renten zwischen Ost und West durchaus ihre Berechtigung. Was sie natürlich mit Angleichung der Biografien heute langsam verlieren.

         

        Der Ost-West Krieg von wegen "ich bin die bessere Mutter und der bessere Mensch" ist mir persönlich zu doof und nicht mein Ding !

  • Absolute Zustimmung zum Artikel- alle Argumente sind schlüssig, alle Problem auf den Punkt gebracht!

  • Maria Wersig , Autor*in ,

    Wie kommen Sie denn darauf, dass die "Mütterrente" mit eigenen Anwartschaften verrechnet wird? Das ist nicht der Fall, die erwerbstätige Frau bekommt diese Leistung zusätzlich. Alles andere wäre auch verfassungswidrig.

  • in die zukunft projeziert ist die mütterente ein schlechtes signal und fördert evtl. das "zuhausebleiben", aber frauen, die ihr leben als hausfrau verbracht haben, kann man nicht mehr ermutigen beruftstätig gewesen zu sein. das hausfrauen so weit verbreitet waren/sind hatte auch gesellschaftliche gründe. diese frauen jetzt dafür zu benachteiligen, weil sie damals eine entscheidung getroffen haben (oder für sie getroffen wurde) , die heute nicht mehr gewünscht ist, kann auch keine lösung sein.

    • @nutzer:

      "..ermutigen beruftstätig gewesen zu sein. .."

       

      Sie sollten den Karl-Valentin-Orden bekommen.