Kommentar Merkels Gleichstellungspolitik: Hätte, hätte, Fahrradkette
Die Kanzlerin spricht sich für Geschlechterparität im Kabinett aus. Das ist nur Wahlkampfshow. Denn sie macht sie von der Koalition abhängig.
H alb und halb im nächsten Kabinett: 50 Prozent Männer, 50 Prozent Frauen. Eine schöne Vorstellung. Offensichtlich auch für Angela Merkel. Zumindest hat sich die Kanzlerin und CDU-Chefin dafür ausgesprochen, die nächste Bundesregierung geschlechtergerecht zu gestalten.
Aber was ist von einer solchen Äußerung zu halten? So mitten im Wahlkampf? Im Vorfeld zum Bundesdelegiertentag der Frauenunion am Wochenende? Die Antwort fällt wenig überraschend aus: nicht viel.
Es ist das übliche Spiel: Jede und jeder versucht wenige Wochen vor dem Wahltag mit Themen und Vorschlägen zu punkten, die für viele verlockend klingen und trotzdem überraschen. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will beispielsweise der Automobilbranche „mehr Druck“ machen und fordert eine Quote für Elektroautos. Die FDP will Tegel retten, CSU-Seehofer den Diesel. Und Merkel schlägt jetzt mal eben ein weiblicheres Kabinett nach dem 24. September vor.
Folgt man allerdings ihrem Nachsatz, wird klar, dass ihr Vorstoß nicht mehr ist als eine Wahlkampfshow. Sie müsse „natürlich“ erst mal abwarten, welche Vorschläge da „die möglichen Koalitionspartner machen“.
Diese Relativierung kann man als Realitätssinn lesen, schließlich weiß – trotz aller Prognosen – heute noch niemand, wie die nächste Bundesregierung tatsächlich aussehen wird. Andererseits ist Merkels Einschränkung schon jetzt ein Eingeständnis einer Niederlage: Am Ende sind die anderen schuld – falls es mit halb und halb doch nicht klappt. Sowohl bei einer erneuten Auflage von Union und SPD als auch bei einer durchaus möglichen Jamaika-Koalition mit einer männerlastigen FDP.
Dennoch könnte man Merkel zugutehalten, dass sie laut über eine Geschlechterquotierung der nächsten Bundesregierung nachdenkt. Andererseits: Dieses Thema ist viel zu wichtig, um es so leichtfertig zu verspielen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland