Kommentar Mercosur-Abkommen der EU: Dreister Hinterzimmer-Deal
Nach 20 Jahren ist das Freihandelsabkommen der EU mit den Mercosur-Staaten fertig. Aber warum wurde dazu schon wieder das Parlament übergangen?
M an hätte abwarten können, bis der EU-Sondergipfel in Brüssel vorbei ist und ein neuer Kommissionspräsident bestimmt wurde. Man hätte auch warten können, bis sich das neu gewählte Europaparlament am Mittwoch konstituiert. Aber nein, Jean-Claude Juncker wollte nicht warten. Angefeuert von Kanzlerin Angela Merkel und einigen anderen heißblütigen Staats- und Regierungschefs, hat er die Bombe platzen lassen: Nach 20 Jahren zäher Verhandlungen ist das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten fertig geworden.
Ist es ein guter Deal, ist es ein schlechter Deal? Wir wissen es nicht, denn der ausgehandelte Text liegt noch nicht vor. Nicht einmal Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron scheint alle Details zu kennen. Und die neu gewählten Europaabgeordneten blicken in die Röhre. Sie sitzen auf der Zuschauerbank und warten.
Das ist eine Frechheit. Fünf Wochen nach der Europawahl haben wir zwar immer noch keine neue EU-Führung, aber schon wieder einen Freihandelsvertrag, der im Hinterzimmer ausgehandelt wurde. Wird das Klimaabkommen von Paris darin hinreichend geschützt? Werden die Rechte von Arbeitnehmern durchgesetzt, auch am Amazonas?
All das liegt im Dunkeln. Juncker und seine Kommission behaupten, mit ihrem Deal Maßstäbe für einen nachhaltigen und fairen Handel gesetzt zu haben. Vieles spricht dafür, dass es eher darum geht, den Export deutscher Autos und südamerikanischen Rindfleischs zu fördern. „Cars for cows“ – das scheint das Leitmotiv zu sein. Ist es wirklich das, was die EU-Bürger bei der Europawahl gewollt haben? Wollten sie einen Vertrag mit Brasiliens rechtsradikalem Präsidenten Jair Bolsonaro – oder haben sie sich vielmehr für Demokratie, Menschenrechte und eine klimafreundliche Politik eingesetzt?
Diese Fragen wird auch der oder die nächste EU-KommissionschefIn beantworten müssen – und erklären, wieso die EU so kurz nach der Europawahl schon wieder die gewählten Abgeordneten übergeht.
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