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Kommentar Medizinversuche an KindernPsychiatrien sind noch immer Tatorte

Jean-Philipp Baeck
Kommentar von Jean-Philipp Baeck

Die Frage, wie Entmenschlichungen in Psychiatrien, Heimen und geschlossenen Einrichtungen verhindert werden können, bleibt aktuell.

Fixierungen sind in der Psychiatrie immer noch an der Tagesordnung Foto: dpa

U mfassende Aufklärung und Diskussionen sollten die mindeste Konsequenz aus den nun aufgedeckten illegalen „medizinischen“ Versuchen an Kindern in Niedersachsen sein. Denn die Misshandlungen sind kein Einzelfall, sondern Symptome eines falschen Systems.

Bereits bekannt waren illegale Medikamententests in einer Kinderpsychiatrie in Wunstorf in den 1970er-Jahren. Nun kamen weitere Menschenversuche ans Licht: Ohne Indikation wurde den Kindern Hirnwasser aus dem Rückenmark entnommen und Luft eingeführt. Ein furchtbarer Eingriff, der zu tagelangen Schmerzen führte. Das Sozialministerium wartet nun auf die Ergebnisse eines „medizinhistorischen“ Berichts.

Der böte die Chance, Profiteure zu identifizieren und zur Verantwortung zu ziehen. Ungenehmigte Menschenversuche waren für Ärzte auch damals schon strafbar, sind juristisch aber wohl verjährt. Umso mehr muss es nun um Entschädigungen für die Opfer gehen – durch das Land Niedersachsen als damaligen Träger, durch womöglich beteiligte Pharmafirmen oder Institute.

Der Skandal ist zudem mitnichten „nur“ historisch. Denn die Psychiatrie als Tatort ist kein Zufall. Die Frage bleibt relevant, wie Entmenschlichungen in Psychiatrien, Heimen und geschlossenen Einrichtungen verhindert werden können.

Denn: Sie passieren bis heute. Die Zeitungen sind voller aktueller Beispiele des „bürgerlichen Todes“ des Individuums, wie ihn der Soziologe Ervin Goffmann 1961 für „totale Institutionen“ beschreibt: Misshandlungen in den Haasenburg-Kinderheimen etwa oder in den Heimen der Firma Friesenhof in Schleswig-Hostein.

Oder in Bremen, wo 2013 eine Psychiatrie­reform beschlossen wurde, zuletzt aber herauskam, dass in der Psychiatrie in Bremen-Ost die Fixierungen und Zwangsbehandlungen zugenommen haben – neben anderen Skandalen.

All das zeigt: Die Diskussion um Reformen oder sogar die Abschaffung von Anstalten, in deren intransparenten und autoritären Strukturen immer die Entrechtung der Kinder, Patienten und Insassen droht, ist notwendig.

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Jean-Philipp Baeck
Investigativreporter
stv. Ressortleiter Reportage & Recherche. /// Zuvor: Produktentwickler der taz im Netz, Chef vom Dienst der taz nord in Hamburg, Redakteur und Volontär der taz in Bremen. /// Seit 2011 Journalist bei der taz, mehrere Jahre zudem auch beim Norddeutschen Rundfunk NDR. /// Soziologe und Kulturwissenschaftler, Studium in Bremen und Melbourne. /// Herausgeber von "Rechte Egoshooter - Von der virtuellen Hetze zum Livestream-Attentat", Ch. Links Verlag 2020, mit Andreas Speit /// Rainer-Reichert-Preis zum Tag der Pressefreiheit 2024 /// Threema-ID: UWSDA226 /// PGP Fingerprint: 3045 4A0E 6B81 226A A64E 0790 36BF 9C3A 6EC6 5D1F
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18 Kommentare

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  • Menschen mit Psychiatrischer Diagnose werden auch heute noch in manchen Kliniken als Menschen dritter Klasse ohne elementare Grundrechte behandelt.

    Siehe: u.a. https://psychiatrienogo.wordpress.com/2017/07/24/der-ort-der-unmenschlichkeit/

  • Psychiatrische Zwangsbehandlung ist nach Meinung der Folterbeauftragten des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte Folter. Psychiatrisch Behandelte leben je nach Studie 20-32 Jahre kürzer als der Bevölkerungsdurchschnitt. Grund ist die hemmungslose Verschreibung von Psychopharmaka.

    Ermöglicht wird dieses heimliche Morden durch die Arztgläubigkeit großer Teile der Bevölkerung, welche sich auch auf die Berichterstattung der Medien auswirkt. Die Macht der Psychiatrie wird stetig größer, da immer mehr Menschen in psychiatrischen Kategorien denken.

    Berichte über Zwangsbehandlungen finden sich hier: http://bpe-online.de/aktuelles/zwang-berichte.htm

  • Ich kann es nur hier vor Ort beschreiben: Kranke Menschen (meist ohne Krankheitseinsicht) werden wieder entlassen, eine Medikation gegen den Willen Betroffener unmöglich, weil Zwang. Kein Richter, kein Arzt befürwortet Zwangsmassnahmen, Betreuer stehen hilflos alleine mit ihren Patienten.

    Keinesfalls werden Beschlüsse blind abgenickt, ohne Anhörung, oder Betreuer eingeschüchtert, bedroht oder abgesetzt. Wenn allerdings Betroffene nicht mit Betreuer einverstanden sind, werden diese entlassen.

    https://www.onetz.de/weiden-in-der-oberpfalz/vermischtes/gewalttaetiger-33-jaehriger-aus-psychiatrie-entlassen-kritik-an-bezirkskrankenhaus-d1807745.html

  • Eine unabhängige Kontrollstelle (z.B. vom Gesundheitsministerium) die eigene Mitarbeiter in jeder psychiatrischen Einrichtung haben würde, könnte viele Probleme lösen.

    • @Stefan Mustermann:

      [...]







      Im Übrigen werden die Psychiatrischen Kliniken seit Jahrzehnten von den Behörden kontrolliert. Das sind strenge Kontrollen, die es in keiner Heimeinrichtung oder einem anderen medizinischen Fachgebieten gibt.

       

      Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Moderation

  • Von 504 784 in der BRD behandelten Psychiatriepatient/inn/en kamen 1996 bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 36,5 Tagen 3 125 zu Tode. Hierin sind 76 724 Suchtpatient/inn/en mit 47 Todesfällen enthalten. Das sind von jedem/r nachzulesende Zahlen des statistischen Jahrbuchs 1998.

    http://www.psychiatrie-erfahrene-nrw.de/psychopharmaka/todesfaelle.html

     

    Mehr als 500 Menschen sterben jährlich in Deutschland an den Folgen durch die Vergabe von Psychopharmaka. Dies wird von Ärzten zugegeben (Quelle: Statistisches Jahrbuch). Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich wesentlich höher.

    http://www.stachel.de/02.02/2psy.html

     

    Laut dem Statistischen Bundesamt starben im Jahr 2010 deutschlandweit 25.079 Menschen aufgrund von psychischen und Verhaltensstörungen. Die Tendenz stark steigend. Im Jahr 2015 waren es 44.594 Menschen.

    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/511041/umfrage/todesfaelle-aufgrund-psychischer-und-verhaltensstoerungen-in-deutschland/

  • Patienten werden in psychiatrischen Anstalten gefesselt und mit Psychopharmaka ruhiggestellt. Das ist ein äußerst lukratives Geschäft. Psychiater selbst geben offen zu, dass der Tod infolge einer solchen Behandlung häufig unvermeidbar ist. Sie kommen ungestraft mit fahrlässiger Tötung davon.

    http://www.cchr.de/videos/psychiatry-an-industry-of-death/psychiatric-coercion-and-restraint.html

  • Es ist hinreichend bekannt, dass jede psychiatrische „Fürsorge“ auf den Erhalt des Lebens und nicht auf dessen Beendigung hinwirken sollte. Niemand würde daher annehmen, dass Patienten in psychiatrischen Kliniken zu Tode kommen. Jedoch geschieht genau das tagtäglich auf der ganzen Welt – still und leise –, und zwar unter der Obhut von Psychiatern in psychiatrischen Einrichtungen.

     

    Fixierungs-„Methoden“ sind vielleicht der beste Beweis für die barbarischen Praktiken der Psychiater, die sie als Therapie oder Behandlung bezeichnen. Diese Brutalität macht nicht einmal vor der Jugend Halt, wie es menschliches Mitgefühl gebieten würde.

     

    Seit 1969 untersucht und enthüllt die Citizens Commission on Human Rights (CCHR), in Deutschland vertreten durch die Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V. (KVPM), Todesfälle als direktes Resultat einer psychiatrischen „Behandlung“.

     

    Jan Eastgate

    Präsidentin der Citizens Commission

    on Human Rights International

    http://www.cchr.de/cchr-reports/deadly-restraints/introduction.html

  • Sehr schön wie die Anti-Psychiatrie hier eine Plattform bekommt und die Tatsachen verdreht.

     

    Vor 40 Jahren gab es keine flächendeckende Versorgung mit CT oder MRT. Die Pneumencephalographie war eine schmerzhafte aber gängige Untersuchungsmethode des Gehirns, um z.B. behandelbare Hirn-Tumoren zu finden. Ob hier tatsächlich ohne Anlass Kinder untersucht wurden, muss geklärt werden ...

     

    Dass Zwangsbehandlungen und Unterbringungen in der Psychiatrie zunehmen, liegt allein an den strengeren Gesetzen, die es den Kliniken sehr schwer machen schwer & akut Kranke Menschen gegen den geäußerten Willen zu Behandeln. Jede noch so kleine Maßnahme muss von einem Richter im Falle der Ablehnung durch den Patienten genehmigt werden.

     

    Was tatsächlich in den letzten Jahren massiv zugenommen hat, ist die Gewalt von Patienten gegenüber dem Personal von Kliniken. Früher eine absolute Rarität, selten mehr als 1-2 Mal pro Klinik im Jahr gehört es heute fast zu den täglichen Ereignissen. In 20 Jahren werden wir über diese Opfer reden müssen ... im Moment möchte niemand darüber reden - die Betroffenen aus Scham, die "Täter" (die ja eigentlich nichts dafür können, weil in dem Moment krank und unbegrenzt) erst recht nicht.

    • @TazTiz:

      Oben gibt's auch schon Kommentare mit Links auf Tarnorganisationen von Scientology...

  • Warum kommt es immer wieder zu Entmenschlichungen in nicht wenigen Krankenhäusern und Psychiatrien?

     

    Die Kontrollfunktion dieser Einrichtungen ist zu schwach. Und vor Gericht, wenn es überhaupt dazu kommt, bekommt fast immer der Arzt Recht und nicht der Patient.

    • @Stefan Mustermann:

      2018 muss jedes psychiatrische und psychosomatische Krankenhaus bzw. jede Einrichtung mit entsprechender Fachabteilung auf das neue System umsteigen. Bis Ende 2019 entstehen den Einrichtungen durch den Wechsel keine Gewinne oder Verluste, da die Umsetzung bis dahin budgetneutral bleibt. Ab 2020 entfaltet das neue Vergütungssystem seine ökonomische Wirkung.

      https://www.psychiatrie-entgelt.de/pepp-system/

       

      Was das neue Abrechnungssystem bringt, wird die Zeit zeigen. Schon jetzt gibt es Kritik wegen falscher Anreize.

       

      Das DRG Abrechnungssystem in der Medizin ist ja mit sehr vielen Skandalen, negativen Pressemitteilungen und Stellungnahmen von Ärzten selbst verbunden.

       

      Kontrolle über Geldflüsse anhand von Abrechnungen ist – INDIREKT (weil nicht der Sinn und Zweck des neuen Abrechnungsverfahrens) - ein kleiner Beitrag, um die psychisch Kranken Menschen zu schützen.

  • Der Artikel hinterlässt einen fassungslos... Wie kommt dieser Unsinn im Sinne der "Anti-Psychiatrie"-Bewegung in eine seriöse Zeitung?! Psychiatrie sind Krankenhäuser zur Behandlung psychisch Kranker. Deren Abschaffung wird vor allem von Organisationen wie Scientology propagiert, und diese Forderungen führen in erster Linie zur Stigmatisierung der Patienten. Soll das ernst gemeint sein, derartiges in der TAZ wiederzugeben?

     

    Die Vorfällte, um den es im Artikel geht, sind über 40 Jahre her. Fordert Herr Baeck morgen dann die Abschaffung aller ("normalen") Krankenhäuser, weil es dort vor 40 Jahren Skandale gab? Gerade zum Raum Bremen fällt einem da noch ein ganz anderer Skandal ein, da ging es aber nicht um die 1950er Jahre, und auch nicht um schmerzhafte Behandlungen, sondern um über 100 getötete Patienten.

     

    Also: Lasst uns alle Krankenhäuser abschaffen! Wie, der Vorschlag ist lächerlich...? Ach so...

    • @Stefan Groß:

      Ihr Kommentar wiederum lässt mich fassungslos werden. Wo bitte lässt der Artikel den Eindruck entstehen dass alle Psychiatrien geschlossen werden sollten? Das wird hier doch gar nicht in den Raum gestellt. Was sie mit ihrem Kommentar (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) jedoch betreiben ist eine Verharmlosung von Unrecht welches auch heute noch Alltag ist. Heute werden (hoffentlich) keine "medizinischen" Experimente mehr durchgeführt doch wie vielerorts mit Patienten in Psychiatrien umgegangen wird widerspricht allem wofür der Artikel 1 des Grundgesetzes steht. Ich oute mich hier jetzt mal als jemand der zwei mal auf einer psychiatrischen Station einen Monat verbracht hat wegen schwerer Depression infolge des Verlustes meiner Eltern mit 25 (nächsten Monat werde ich 31). Nicht wegen suizidgefahr sondern weil es für einen Typ 1 Diabetiker sehr gefährlich werden kann aufgrund einer Depression die einfachsten Dinge zu vernachlässigen (Hygiene, Essen, Blutzuckermessung, Insulin Injektionen etc.). Wie mit bipolaren oder schizophrenen Menschen in manchen Psychiatrien umgegangen wird ist einfach nur skandalös. Da wird fixiert weil der Personalschlüssel auf psychiatrischen Stationen ein Witz ist. Da werden stärkste Psychopharmaka (bsplw. Lorazepam) verabreicht weil kaum mal ein Psychiater zugegen ist, betreut einer doch gern mal 3-4 Stationen parallel. Und wenn es der Patient zu bunt treibt mit dem Widerspruch gegen Zwangsmaßnahmen wird nicht selten ganz offen mit der juristischen Entrechtung gedroht. ALLES selbst gesehen! Also schwafeln sie hier nicht so einen Müll dass heute ja alles in Ordnung sei und das alles so lange her ist dass es kaum lohnt drüber zu reden. Und vom Umgang mit Suchtpatienten will ich gar nicht erst anfangen. Psychiatrien sind reine Gelddruckmaschinen. Ausstattung nicht der Rede wert, Personalaufwand minimalistisch und die gängigen Medikamente vergleichsweise spottbillig. Deswegen legt sich jedes Krankenhaus eine psychiatrische Station zu wenn es kann.

      • @Der Epping:

        "Wo bitte lässt der Artikel den Eindruck entstehen dass alle Psychiatrien geschlossen werden sollten?"

         

        Letzter Absatz "Die Diskussion um Reformen oder sogar die Abschaffung von Anstalten, [...] ist notwendig."

         

        Oder ist das irgendwie anders interpretierbar? Wie gesagt: Der Artikel trägt zur Stigmatisierung psychisch Kranker bei, keinen Deut dagegen zur Verbesserung der Situation in den Kliniken.

      • @Der Epping:

        "Wo bitte lässt der Artikel den Eindruck entstehen dass alle Psychiatrien geschlossen werden sollten?"

         

        Letzter Absatz "Die Diskussion um Reformen oder sogar die Abschaffung von Anstalten, [...] ist notwendig."

         

        Oder ist das irgendwie anders interpretierbar? Wie gesagt: Der Artikel trägt zur Stigmatisierung psychisch Kranker bei, keinen Deut dagegen zur Verbesserung der Situation in den Kliniken.

    • @Stefan Groß:

      Ihre pauschale Schelte ohne erkennbaren Bezug zu den differenzieren Aussagen des Artikels ist mir unerklärlich. Die strukturellen Defizite sind hochaktuell. Die oberbayerische Justiz etwa braucht mit Ausnahme weniger Kammern auch nach Mollath rege Nachhilfe seitens BGH und BVerfG in Sachen Grundrechtsschutz psychisch Kranker. Urteile der Amtsgerichte müssen regelmäßig aufgehoben werden. Die Argumentation der bayerischen Justiz in diesen Verfahren ist geradezu grotesk und gleicht oft einem Musikantenstadl. Dass die Richter mit dem Verfahrenspfleger gemeinsam im Auto zum Termin fahren, ist nur der Anfang. Der Inertia- und Perserveranzeffekt ist dort allgegenwärtig. Im Ergebnis werden Betroffene über Wochen hinweg ununterbrochen fixiert und zwangsbehandelt, auch ohne Gerichtsbeschluss. Ergeht ein Beschluss, wurde er oft blind abgenickt, oft ohne wirksame Anhörung. Kritische Betreuer werden immer wieder eingeschüchtert, bedroht und abgesetzt.

  • Zitat: „Ungenehmigte Menschenversuche waren für Ärzte auch damals schon strafbar, sind juristisch aber wohl verjährt. Umso mehr muss es nun um Entschädigungen für die Opfer gehen – durch das Land Niedersachsen als damaligen Träger, durch womöglich beteiligte Pharmafirmen oder Institute.“

     

    Typisch (West-)Bürgertum! Man zahlt einfach ein Schweigegeld, schon ist man die Geschichte los. Der Ablasshandel ist nicht tot zu kriegen! Vor allem da nicht, wo die Knete steckt – und Kontinuität für ein recht großes Erbe sorgen soll.

     

    Ja, liebe taz, die Frage bleibt trotz Einmalzahlung relevant: Wie kann Entmenschlichung in Psychiatrien, Heimen und geschlossenen Einrichtungen verhindert werden? Mit derartigen Forderungen nicht. Die ändern gar nichts am Gefälle, das zwischen Machthabern und Ohnmächtigen herrscht. Sie ändern (fast) so wenig was, wie Diskussionen etwas ändern. Die Opfer müssen nicht entschädigt werden. Sie müssen nur Gerechtigkeit erfahren. Und zwar konkret und individuell.

     

    Ja, wichtig wäre es, dafür zu sorgen, dass Taten, die sich auf ein ganzes Leben auswirken, nicht schon nach 30 Jahren (oder gar schon nach 3 Jahren wie seit 2002) verjähren. Wichtig wäre, „Anstalten“, in deren intransparente und autoritäre Strukturen Grundlage der Entrechtung Schwacher sind, aufzulösen. Und zwar ohne Entschädigung. Wer Mist baut, soll ihn auch verantworten. Entscheidend aber wäre etwas völlig anderes. Entscheidend wäre Solidarität. Und zwar mit Taten und nicht nur mit Worten. Entscheidend wäre, dass sich Täter schämen müssen, nicht ihre Opfer.

     

    Leider wird nichts davon zeitnah passieren. Wer sich nicht wehrt, der ist halt selber Schuld. Der hat es sich verdient, dass man ihn unterdrückt und quält. Und zwar auch dann, wenn er sich gar nicht wehren kann. Das steht in Stein gemeißelt über den Gesetzen. Survival of the fittest made in germany. Wie sollten wir auch ohne das Prinzip die Rolle einer „Mittelmacht“ ausfüllen in einer Welt, in der angeblich nur der Starke überleben kann?