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Kommentar Macrons GrundsatzredeEn Marche durch die Institutionen

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Macron versprach den Franzosen eine „Revolution“. Tatsächlich baut er ein paar politische Posten ab und seine eigene Machtfülle aus.

Niemand kann sagen, Macrons Reform der Institutionen komme überraschend Foto: ap

V on Montebourg über Mélenchon bis zu den Populisten hatten viele Politiker in Frankreich den WählerInnen von der „Sechsten Republik“ vorgeschwärmt. Mit mehr Demokratie und Wohlfahrt sollte sie die bisherige Fünfte ersetzen. Was bisher nur Wahlpropaganda gewesen ist, soll nun unter Emmanuel Macron Realität werden. Oder war das, was er in Versailles vor dem Kongress angekündigt hat, nur Nachwahl-Rhetorik?

Der neue Präsident hat einen Eilmarsch durch die Institutionen angekündigt, mit dem das Gefüge des politischen Systems umgepflügt werden solle: Viel weniger Parlamentarier als bisher, eine teilweise Verhältniswahl zur Verbesserung der Repräsentativität, ein Forum für den Dialog zwischen BürgerInnen und Staat. Der Präsident hat dabei auch sich selber nicht vergessen: Seine eigene Position als unbestrittener Boss wird nicht etwa „normalisiert“, wie dies sein Vorgänger in kläglicher Weise versucht hatte, sondern noch verstärkt.

Das also ist die „Revolution“, von der Macron in einem gleichnamig betitelten Buch gesprochen hatte. Niemand kann sagen, diese Reform der Institutionen komme überraschend. Wer keine Gebrauchsanweisungen liest und dann ratlos dasteht, ist selber schuld. Hingegen darf man sich in Frankreich zu Recht fragen, ob es nicht viel Wichtigeres gibt, als über die Zahl der gewählten Mandatsträger oder die Abschaffung der Sondergerichtsbarkeit für (mutmaßlich) korrupte Minister zu streiten.

Immerhin hat Macron auch versprochen, dass im Herbst der Ausnahmezustand beendet und so den Bürgern die Freiheit zurückgegeben werde. Klingt konkret, ist aber kein Geschenk: Zuvor nämlich werden diverse umstrittene Eingriffe in die Bürgerfreiheiten in Sicherheitsgesetzen verankert. Macrons Strategie ist also doppelzüngig und gar nicht revolutionär. Sie klingt eher nach den altbekannten Praktiken der Fünften Republik, die in Frankreich die Politik diskreditiert und die Glaubwürdigkeit der Staatschefs untergraben haben.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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19 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Endlich fallen Herrn Balmer Schuppen von den Augen, kommen bei ihm Zweifel auf, wo er doch Macrons Wahl rückhaltlos unterstützt hat. Macron ist es nie um eine Vertiefung der Demokratie gegangen, er steht auf dem Standpunkt, dass der vom Volk gewählte Präsident niemandem Rechenschaft schuldig ist. Der Umstand, das er vor dem Kongress geredet hat, hat mit einer Aufwertung des Parlaments nichts zu tun, denn es handelt sich nur darum, dass er das Parlament von seinen Absichten in Kentnis setzt, was dieses kommentarlos zur Kenntnis zu nehmen hat. Desweiteren hat sein Wahlverein entgegen allen parlamentarischen Traditionen alle wichtigen Parlamentsämter und Ausschussvorsitze unter Ausschluss der Opposition an sich gerissen, was zu einer Krise mit den Konservativen geführt hat. Macron befindet sich in seinem demokratischen Selbstverständnis in gefährlicher Nähe zu Erdogan. Mal sehen, was sein Innenminister, der die Flüchtlingshelfer in Calais barsch zurechtgewiesen hat, gegen unangenehme Demonstranten macht. Für die Demokratie sieht es in Frankreich nicht gut aus, die Enkelin wartet auf ihre Stunde.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @82236 (Profil gelöscht):

      Ja ja, der Möchtegernpolitiker Macron: Ex-Rothschildbanker, Neoliberaler und Günstling Schäubles und Merkels; verzogener Elitezögling und Verantwortlicher für all die Unbill Frankreichs (er war ja mal für einige Monate Minister). Nie wird es diesem Parvenue gelingen, Präsident zu werden, ooops ....

      Naja, zumindest wird es ihm nie gelingen eine parlamentarische Mehrheit zu finden, oooops ....

      Nun ist er eine Gefahr für Fankreich weil die Mehrheit zu deutlich ausfiel. Drum ist er mindestens Erdogan. Übermorgen werden Sie ihn mit Putin (und falls das für Sie kein Schreckgespenst ist), dann eben mit Pol Pot vergleichen.

      Außerdem ist Macron ja gar nicht legitimer Präsident wegen des Mehrheitswahlrechts, das er nun abzuschaffen trachtet, aber egal.

      In jedem Fall wartet entweder die Faschistin, unabhängig davon natürlich, dass sie gerade mächtig einen eingeschenkt bekommen hat von den Wählern und demnächst von der Staatsanwaltschaft einen weiteren eingeschenkt bekommen wird. Dazu die Bewegung, die pleite ist und der alte Nazivattern, der ihr im Nacken sitzt.

      Wenn alle Stricke reißen kommt dann halt die Enkelin, auch wenn die sich gerade vom Acker gemacht hat, voller Frust.

      Macht es Ihnen eigentlich gar nichts aus, ständig daneben zu liegen und selbst Dinge in greifbarer Zukunft zuverlässig grundfalsch zu beurteilen ?

      Oder liegt es nur an Ihrer offenbar ideologisch begründeten abgrundtiefen Verachtung für Macron, die zur Verblendung führt ?

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @60440 (Profil gelöscht):

        Konkret mal, was sagen Sie dazu, dass Macron es kategorisch abgelehnt hat, die französischen Mittelmeerhäfen für die Flüchtlinge zu öffnen, um das völlig überforderte Italien zu entlasten?

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @60440 (Profil gelöscht):

        Ich glaube, was die Verblendung anbetrifft, Ihre absolut unkritische, grenzenlose Bewunderung für den selbsternannten autokratischen Jupiter, der sich im Prunk von Versaille sonnt und von seinen treuen Vasallen huldigen lässt, stehen Sie mir in nichts nach, à bon entendeur salut!

        Sein Grosswesir hat bei seiner Regierungsansprache 17 Massnahmen aufgezählt und 17 Mal sind seine Marionetten wie eine Frau/Mann aufgesprungen und haben ihre vorher in einem Seminar einstudierten Ovationen abgegeben.

        Aber Herr Kreibig, wenn Sie für eine arbeitgeberfreundliche Politik sind, wenn Sie meinen, dass es der Demokratie gut tut, wenn die Notstandsgesetzgebung in das normale Strafrecht einfliesst, wenn Sie dafür sind, dass die 19 schrottreifen Atommeiler nicht abgeschaltet werden, wenn Sie für Steuererleichterungen der Reichen sind, also die Kapitalssteuer für Reiche abschaffen wollen und dafür die Arbeitnehmer mehr belasten wollen, wenn Sie für das Ende von Langzeitarbeitsverträgen sind und vieles mehr dann haben Sie ja die Möglichkeit Macrons Gesinnungsgenossen Christian Lindner im September zu wählen. Ich habe natürlich eine Ihnen völlig entgegengesetze politische Meinung, aber das kann man ja sachlich Argument gegen Argument ausdiskutieren. Sie brauchen mir nur zu sagen, welche Massnahmen von Ihrem Champion Sie besonders gut finden, aber bitte konkret und kein Wischiwaschi oder Kwassa Kwassa.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @82236 (Profil gelöscht):

          Atommeiler, ah ja: Nicolas Hulot wollten schon Chirac, Sarkozy, Hollande in ihre Regierung holen. Nur Macron hats geschafft. Warum wohl ?

          Manchmal machen es einem Macron-Kritikaster echt zu leicht ...

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @60440 (Profil gelöscht):

            Sie sind wirklich schlecht informiert. Hulot hat sich nicht gegen den schnellen Brüter in Flamanville gestellt und will die Kernenergie nur um 25% verringern. Der Premierminister Edouard Phillippe hat für den staatlichen Atomkraftwerkbauer Areva gearbeitet und war für das Lobbying der Atomindustrie zuständig. Das Problem ist, dass sie keine Argumente haben und genauso inhaltsleer wie ein En Marche Militant daherreden.

            Auf meine Frage bezüglich Macrons Weigerung, die französischen Mittelmeerhäfen für Flüchtlinge zu öffnen haben Sie keine Antwort oder drücken sich feige um eine Antwort. Eine Diskussion Argument gegen Argument ist unmöglich mit Ihnen, da sie gar keine haben.

      • @60440 (Profil gelöscht):

        Das Bübchen Macron hat gerade mal 13 Prozent der Wahlberechtigten erreicht.

        Und Nuit debout sowie die Banlieus werden sich schon noch zu Wort melden.

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @Linksman:

          Und er ist doch Präser. Finden Sie sich damit ab !

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @Linksman:

          Frankreich schafft sich ab. Mindestens.

  • Ganz so einfach ist das mit dem Etikett "neoliberal" nicht: Macron hat gerade super Vorschläge eingebracht, natürlich von der BRD gleich BeeRDigt, die zum Beispiel die Zerstörung der europäischen Solarindustrie verhindert hätten. Das ist alles andere als "neoliberal."

  • "Sie klingt eher nach den altbekannten Praktiken der Fünften Republik, die in Frankreich die Politik diskreditiert und die Glaubwürdigkeit der Staatschefs untergraben haben."

     

    Und da wird es auch alles enden, denn das Rad wird einfach nicht nochmal erfunden. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Macron in fünf Jahren wie ein geprügelter Hund das Amt verlässt. Was er wirklich macht, ist doch, Arbeitnehmerrechte aushöhlen, Arbeitgeberpositionen stärken und die soziale Sicherheit von Durchschnittsarbeitnehmern einschränken. Das hatte schon Hollande zu Fall gebracht und es wird Macron um die Ohren fliegen. Mag sein, dass hier und da eine vernünftige Änderung gelingt, da wo es aber wirklich eng ist, dort wird Macron nur neoliberale Ruinen hinterlassen. Und es stimmt: Eine Partei, die aus einem Menschen besteht, ist keine Partei, sondern ein Wahlverein und solche Dinge gehen eigentlich nie gut aus.

    • 6G
      60440 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      Diese negativen Prognosen Macron und seine Politik betreffend haben eines gemeinsam: Sie treffen nie zu.

      Das ist sehr tröstlich.

      • 8G
        82236 (Profil gelöscht)
        @60440 (Profil gelöscht):

        Haben Sie das in Ihrer Glaskugel gesehen? Der Teleevangelist hat es Ihnen wirklich angetan mit seinen schläfrigen Reden, seinen an der Perlenkette gereiten Zitaten und Allgemeinplätzen, seiner absoluten Kunst des Nichtssagens und seinem lächerlichen monarchistischen Prunk als Gipfel der Erneuerung, Hugue Capet reviens!

        • 6G
          60440 (Profil gelöscht)
          @82236 (Profil gelöscht):

          Ihre Verbitterung in allen Ehren. Aber die sog. Linke hat abgewirtschaftet. Zu recht. Und wer als Unbeugsamer Faschisten nicht verhindern hilft, ist moralisch bankrott und zu Recht in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

          Sie sollten sich damit abfinden und nicht ständig Weltuntergangsszenarien entwerfen, die zudem den Nachteil (bzw. Vorteil) haben, NIE einzutreffen. Dazu brauch ich keine Glaskugel. Das ist pure Empirie ...

          • 8G
            82236 (Profil gelöscht)
            @60440 (Profil gelöscht):

            Es haben 66% für Macron gestimmt, davon ein Grossteil gegen MLP, aber diese Stimmen wurden schnell von Macron usurpiert, nach dem Motto ihr habt für mich gestimmt, deshalb gehören eure Stimmen mir. Es wird Ihnen ja nicht entgangen sein mit welcher Verachtung Macron und seine Wanderer die Opposition behandeln. Mélenchon hat das vorhergesehen und wollte nicht in diese Falle tappen und das war richtig so. Übrigens was den Abbau der Grundrechte anbetrifft, das Regieren über den Kopf des Parlaments hinweg, die restriktive reaktionäre Asylpolitik von Macrons faschistoiden Innenminister Gérard Collomb in Bezug auf Calais, die rassistischen Witze von Macron bezüglich der Komorer, seine Verachtung für die kleinen Leute, die für ihn nichts sind, wie er in Rennes geagt hat, was hätte Marine Le Pen da noch schlimmeres tun können?

            • 6G
              60440 (Profil gelöscht)
              @82236 (Profil gelöscht):

              Melenchon hat gegen Europa Stimmung gemacht. Gegen die Faschistin hats nicht so recht gereicht. Rote Karte, setzten !

              • 8G
                82236 (Profil gelöscht)
                @60440 (Profil gelöscht):

                Mélenchon hat gegen das wirtschaftsliberale und antisoziale Europa der Steuerbetrüger und Sparneurotiker Stimmung gemacht. Er hat sich gegen MLP gestellt, wollte aber Macron seine Stimmen nicht schenken, denn es ist eingetreten, was zu befürchten war, Macron hat die 42% Stimmen, die er zusätzlich gegen MLP im zweiten Wahlgang gewonnen hat usurpiert, indem er versucht, glaubhaft zu machen, dass dire für ihn bestimmt waren. Mélenchon hat das Richtige getan. Und wie gesagt, Macrons postdemokratische Politik hätte Marine Le Pen auch nicht anders oder besser machen können.

                • 6G
                  60440 (Profil gelöscht)
                  @82236 (Profil gelöscht):

                  Es gibt Fehler, die sind unverzeihlich. Und wenn Sie ganz genau in sich hineinschauen, wissen Sie, dass die fehlende Wahlempfehlung gegen die Faschistin nicht zu rechtfertigen ist. Unter keinen Umständen. Egal wie verschwurbelt man argumentativ so daherkommt.

                  Wer Faschismus so unterstützt, wahrscheinlich aus gekränkter Eitelkeit, ist und bleibt schon als Leiter einer Schule charakterlich ungeeignet. Wie gesagt: Goebbels und Ulbricht beim BVG-Streik in Berlin im Jahr 1932.

  • Veranstaltet der Hoffnungsbringer gerade eine neoliberale Revolution, oder sehe ich das falsch?