Vor Parteitag von En Marche!: Sie wollen keinen Sonnenkönig
Emmanuel Macrons Bewegung kämpft vor dem ersten Parteitag mit internen Kritikern. Diese bemängeln Strukturen wie im Ancien Régime.
Und nun, Monate nach seiner Wahl? Ein erster Parteitag der Bewegung La République en marche (LREM) am Samstag in Lyon bietet sich an, um eine erste Bilanz zu ziehen – zumal bei den UnterstützerInnen nicht alles eitel Sonnenschein ist.
384.000 Mitglieder hat LREM nach eigenen Angaben. Die Bewegung stützt sich weitgehend auf die lokalen Komitees, die für die Wahlkampagne überall gebildet worden waren. In diesen lokalen Gruppen wurde viel diskutiert und noch mehr für den Wahlkampf gearbeitet. Heute sind nicht wenige der Wahlkampfhelfer frustriert.
Die Dynamik von LREM ist ein halbes Jahr nach der Präsidentenwahl zwangsläufig nicht mehr dieselbe. Die Basismitglieder werden kaum mehr benötigt. Macron ist an der Macht, die Arbeit erledigen die MinisterInnen und die Abgeordneten. Das scheint manchen zu langweilig geworden zu sein. In der Zeitung L’Opinion hat Arnaud Leroy, ein Mitglied der bisherigen Interimsleitung, dazu eingeräumt, von 384.000 seien höchstens noch 120.000 wirklich aktiv. Von einem Mitgliederschwund aber könne keine Rede sein.
Viel weiter als das Eingeständnis einer gewissen Banalisierung der Bewegung, die immer mehr einer gewöhnlichen Partei mit ihren Führungsstrukturen gleicht, geht die Kritik der Gruppe der „100 Demokraten“: Diese hundert wollen am Freitag kollektiv und unter Protest aus LREM gegen den Mangel an Demokratie und echter Debatte protestieren. Die Bewegung „beleidige die fundamentalen Prinzipien der Demokratie“ mit Strukturen wie im Ancien Régime der absolutistischen Könige, zitierten französische Medien aus einer Stellungnahme.
So theatralisch das Vorgehen der 100 Demokraten wirkt – ihre kritische Einschätzung des internen Parteilebens würden auch andere LREM-Mitglieder teilen. Aber wohl ohne sich dabei so drastisch auszudrücken wie Emmanuel Drouin, einer von der selbsternannten „Demokraten“-Fraktion: „Das ist Politik nach alten Mustern. Ich glaube nicht, dass man im Inneren dieser Organisation etwas daran ändern kann. Die Ausrichtung wird von einer Art Politbüro entschieden, die Mitglieder braucht es nur zum Verteilen von Flugblättern bei Wahlen.“ Das kennt er selbst zur Genüge aus seiner langen Mitgliedschaft in der Parti Socialiste.
Emmanuel Drouin, En marche!
Die ebenfalls austrittswillige Tiphaine Beaulieu hat schon vor Monaten eine interne Fraktion (Confédération des Marcheurs de la République) gegründet, um mehr Transparenz zu fordern. Weil sie angeblich gemeinsam mit der extremen Rechten eine Kundgebung organisiert hat, droht ihr jetzt der Ausschluss.
Die Vorbereitung des ersten Parteitags hat den Kritikern dabei zusätzlich Argumente geliefert: Die Debatten im Vorfeld waren minimal, und für den offenen Posten des Parteichefs gibt es nur einen Kandidaten, Christoph Castaner. Der ehemalige Sozialist war Macrons Kampagnensprecher und ist gegenwärtig Staatssekretär und Regierungssprecher.
Kritiker bemängeln, dass keine Urwahl aller Mitglieder vorgesehen ist. Außerdem können Mitglieder ohne Amt nur per Zufallsprinzip ein Stimmrecht auf dem Parteitag bekommen. Die Mehrheit der Stimmberechtigten im sogenannten Nationalrat sind Parlamentarier und andere Mandatsträger.
Doch immerhin hat der Einwand, die interne Demokratie der Bewegung lasse zu wünschen übrig, Wirkung gezeitigt. Auf Wunsch der internen Kritiker organisiert die Parteiführung in aller Eile für den Donnerstagabend doch noch eine Diskussion. Die aber findet unter Ausschluss des Publikums und der Medien im LREM-Hauptquartier statt. Die Mitglieder können sie via Facebook verfolgen – sofern sie die Seite mit einem Klick auf den Like-Button versehen haben.
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