Kommentar Kretschmann zu Ceta: Hohes Risiko für die Grünen
Die Anhänger der Partei lehnen TTIP und Ceta ab. Das zu ignorieren, könnte auch für Winfried Kretschmann gefährlich sein.
D ass die Regierungsgrünen in Baden-Württemberg das Programm ihrer Bundespartei nicht in allen Punkten vertreten, ist ärgerlich genug. In der Flüchtlingsfrage hat Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei den „sicheren Herkunftsstaaten“ bereits gegen die Parteilinie gestimmt, und auch bei der Erbschaftsteuer fühlen sich die baden-württembergischen Grünen dem Verband der Familienunternehmen näher als dem eigenen Parteiprogramm.
Bei diesen Themen hat der eigenständige Kurs dem einzigen Ministerpräsidenten der Grünen zumindest nicht geschadet. Das scheint ihn zu ermutigen, auch beim Thema Freihandel von der Parteilinie abzuweichen: Kretschmann findet für die geplanten Abkommen mit den USA und Kanada, TTIP und Ceta, durchaus freundliche Worte. Und der gerade unterzeichnete Koalitionsvertrag lässt eine Zustimmung ausdrücklich offen – obwohl die Grünen hier ausnahmsweise mal der stärkere Partner waren und damit die bessere Verhandlungsposition hatten.
Mit dieser Haltung fahren die baden-württembergischen Grünen einen höchst riskanten Kurs. Die Freihandelsabkommen gehören zu den wenigen Themen, die die Menschen in diesem Land wirklich bewegen. Unter den Grünen-AnhängerInnen ist die Ablehnung mit über 90 Prozent besonders hoch.
Wenn die Partei in Baden-Württemberg ihr klares Wahlversprechen ignoriert, wäre das ein Vertrauensverlust, den die Grünen bundesweit zu spüren bekommen würden. Auf der Straße gegen Freihandelsabkommen zu demonstrieren und sie anschließend im Bundesrat durchzuwinken, ist einfach nicht vermittelbar.
Das sollten auch jene Grüne bedenken, die ihr gesamtes Heil in einem möglichst wirtschaftsfreundlichen Kurs suchen. Denn ein Wahlkampf unter dem Motto „Gegen TTIP und Ceta – außer wenn es auf unsere Stimme ankommt“ wäre auch für die Realos der Partei wenig erfolgversprechend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Misogynes Brauchtum Klaasohm
Frauenschlagen auf Borkum soll enden
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz