Kommentar Kopftuchverbot in BaWü: Wer ist hier voreingenommen?
Baden-Württemberg will keine religiösen Symbole auf der Richterbank. Dabei geht es der CDU hauptsächlich um das Kopftuch.
V on Winfried Kretschmann stammt der schöne Satz, ihm sei egal, ob Muslimen in Deutschland der Koran wichtiger sei als das Grundgesetz, solange sie sich an ebenjenes hielten. So ähnlich könnte man das auch bei Richtern sehen. Egal was sie auf dem Kopf tragen – Hauptsache, sie sprechen einwandfreie Urteile. Doch offenbar genügt das nicht mehr.
In der aufgeheizten Atmosphäre, in der sich Reichsbürger vom Staat lossagen, sorgt sich die Justiz zunehmend um die Akzeptanz ihrer Urteile. Da will man schon den Anschein einer Befangenheit vermeiden. Deshalb dürfen künftig RichterInnen und StaatsanwältInnen im Südwesten religiöse Symbole nicht mehr sichtbar tragen. Weitere Bundesländer werden dem Vorbild wohl folgen.
Man würde sich hierzulande manchmal die angelsächsische Gelassenheit in diesen Fragen wünschen. In England wurde Rabinder Singh als erster Sikh zum Richter am High Court berufen, ein Sohn mittelloser indischer Einwanderer mit glänzender Juristenkarriere. Sein traditioneller Turban, den ein Sikh niemals ablegt, war kein Hinderungsgrund.
Lange hing in deutschen Gerichtssälen das Kreuz, und trotzdem war klar, dass nicht nach dem Wort Gottes, sondern nach dem Gesetzbuch geurteilt wird. In Folge der umstrittenen Kruzifixentscheidung des Bundesverfassungsgerichts verschwanden auch in vielen Gerichtssälen die Kreuze.
Die Union lief damals Sturm gegen dieses Urteil. Jetzt argumentiert der baden-württembergische Justizminister mit Voreingenommenheit, die entstehen könnte, wenn ein Richter einen Turban oder ein Kreuz als persönliches Kleidungsstück trägt.
Er meint damit wohl kaum seine eigene. Denn dass das Gesetz eigentlich eine Lex Kopftuch ist, versucht die Landes-CDU gar nicht erst zu verschleiern. Man darf gespannt sein, wie die Diskussion im Land verläuft, wenn einmal ein orthodoxer jüdischer Jurist wegen seiner Kippa faktisch vom Richteramt ausgeschlossen werden sollte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!