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Kommentar KlimaschutzgesetzAlles auf Rot

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Mit einem Gesetz will Umweltministerin Schulze Ernst machen mit dem Klimaschutz. Scheitert es, ist nicht nur die Koalition in Gefahr.

Sie macht endlich den großen Aufschlag: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) Foto: dpa

E s wird krachen, so viel steht schon fest. Der Entwurf zum „Klimaschutzgesetz“ aus dem Umweltministerium wird für maximalen Streit in der Regierung sorgen. Die Frage, wie strikt die Klimaziele sind und wer dafür liefern muss, hat sogar das Zeug dazu, die große Koalition zu sprengen. Und das ist gut so.

Denn das Bundes-Klimaschutzgesetz von Svenja Schulze ist ein guter Vorschlag. Und so ziemlich die letzte Chance für Deutschland, den Klimaschutz endlich ernst zu nehmen. Er macht Schluss mit dem jahrzehntelangen Schlendrian: Große Ziele ankündigen und dann zusehen, wie sie verfehlt werden.

Wenn sich Schulze durchsetzt, bekommt jedes Ressort seine Vorgaben. Wie es die erfüllt, kann es selbst bestimmen. Wenn es nicht klappt, muss es die teuren CO2-Zertifikate selbst bezahlen, die dann in der EU fällig werden. Das nennt man Verursacherprinzip. Und es wird hoffentlich dazu führen, dass die großen Klima-Ignoranten der letzten Jahre, der Verkehr und die Gebäudewirtschaft, endlich anfangen, ernsthaft CO2 zu sparen.

Die Union baut dagegen die maximale Drohkulisse auf: Eine „leere Hülle“ sei das Gesetz, entspreche nicht dem Koalitionsvertrag und sei „Planwirtschaft, die schon in der DDR nicht funktioniert hat“. Aber bei anderen Vorstellungen, wie die geforderte rasante Reduzierung des klimaschädlichen Kohlendioxids auf praktisch null in 30 Jahren zu schaffen wäre, bleiben CDU und CSU die Antworten bislang schuldig.

Beim Klimaschutzgesetz kommt es jetzt zum Schwur

Die Gegenwehr der Union hat auch weniger damit zu tun, dass sie bessere Ideen hätte. Sondern mehr damit, dass inzwischen auch der letzte Unions-Abgeordnete gemerkt hat, in welche Zwickmühle sie das jahrelange Nichtstun gebracht hat: Einerseits die Klimakrise, die immer deutlicher wird, der Ruf nach Lösungen, die nun sogar Bayern zu einem Klimaschutzgesetz veranlassen.

Und andererseits die Zumutungen, die das für ihre Klientel mit sich bringt: CO2-Preis, ernsthaft Energie sparen, Ausbau der Erneuerbaren, andere Verkehrssysteme, weniger Fleisch.

Beim Klimaschutzgesetz kommt es jetzt zum Schwur: Hat Bundeskanzlerin Angela Merkel noch die Kraft und das Interesse, echte Weichenstellungen für ein grüneres und moderneres Land zu erzwingen? Oder leistet diese Regierung den endgültigen klimapolitischen Offenbarungseid, indem sie das Gesetz verschiebt oder entkernt?

Svenja Schulze, die bisher als Ministerin eher glücklos agiert hat, ist ein kleines Meisterstück gelungen. Sie hat alles auf Rot gesetzt. Und in dieser Frage nicht nur ihre bei Umweltthemen notorisch unzuverlässige SPD hinter sich versammelt. Sondern auch die Union in eine Position gebracht, wo sie bessere Vorschläge bringen muss oder als Klimakiller dasteht.

Ein Scheitern wäre eine Blamage für Schulze

Für Schulze ist das der einzige Weg, aber er ist hochriskant: Wenn das Klimagesetz in der jetzigen Form kommt, ist sie die erfolgreichste Umweltministerin seit langem. Wenn es verhindert oder gestutzt wird, muss sie zurücktreten.

Aber das wäre nicht nur eine Blamage für Schulze und wahrscheinlich das Ende der Großen Koalition. Sondern es wäre auch das Aus für den Anspruch Deutschlands, den Klimaschutz ernst zu nehmen. Und, ganz nebenbei, eine ganz schlechte Nachricht für die Atmosphäre und die Zukunft der Kinder, die jeden Freitag für besseren Klimaschutz demonstrieren.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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20 Kommentare

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  • "Für Schulze ist das der einzige Weg, aber er ist hochriskant: Wenn das Klimagesetz in der jetzigen Form kommt, ist sie die erfolgreichste Umweltministerin seit langem. Wenn es verhindert oder gestutzt wird, muss sie zurücktreten."



    1.) das dürfte Frau Schulze absolut klar sein – und deswegen ein riesiges Danke an sie, dass sie es versucht.



    2.) so muss Politik! Erkenntnis gewinnen, eine Haltung haben und einen Plan bzw. eine Lösung zur Abstimmung stellen, und dann, wenn gescheitert (was ich definitv nicht hoffen möchte!) damit leben (müssen).



    Wieso zurücktreten? Es sind schon ganz andere Politiker wegen ganz anderer Verfehlungen NICHT zurückgetreten. Sie versucht wenigstens eine Zukunft zu möglich zu machen, und die jahrelangen Ankündigungen in die Tat umzusetzen.



    "Aber das wäre nicht nur eine Blamage für Schulze und wahrscheinlich das Ende der Großen Koalition."



    Ende GroKO – GERNE!



    Blamage – wieso Blamage? Sie tut wenigstens was.



    Wie hat Hagen Rether so schön gesagt:



    "The party is over!"



    Dran bleiben Frau Schulze, Sie haben wenigstens Rückgrat. Verursacher-Prinzip – endlich!

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Frau Kirschgrün:

      Möchte Ihnen recht geben. Diese 'Koalitionsverträge' sind wahres Teufelszeug. Denn sie verurteilen alle an der Regierung Beteiligten, sich tagtäglich nur mit dem Konsens zu beschäftigen und ihre Abgeordneten-Gewissensentscheidung immer unter den Tisch zu werfen.



      Ein Koalitionsvertrag dürfte nur ein Minimum sein, alles, was darüber hinausgeht, sollten die Abgeordneten mit persönlicher und gewissenhafter Mehrheitsentscheidung im Bundestag beschließen.



      Aber die Frage bleibt, wieso sich eine SPD in diesem Ausmaß selbst an die Union gekettet hat?

      • @91672 (Profil gelöscht):

        Das Wichtigste habe ich vergessen:



        Alle in der SPD sollten sich das eigene Parteiprogramm mal wieder durchlesen – falls sie Zeit dafür erübrigen könnten, netterweise.^^



        Selbstredend wäre "sehr, sehr hübsch", wenn dieses Durchlesen des Parteiprogramms auch eine entsprechende Handlungsweise und Änderung des Wirtschaftssystems sowie eine nennenswerte Steigernung der Gerechigkeit in diesem Land nach sich ziehen würde – und zwar prestomäßig.

      • @91672 (Profil gelöscht):

        Vermutungen:



        - Machtgeilheit



        - ohne GroKo wären sie sofort weg vom Fenster gewesen



        - Angst an guter Oppostitonsarbeit zu scheitern (mangles Ideen und Konzept)



        - Angst vor einem Erstarken der AfD (dagegen angehen ist aber die schlechteste aller Möglichkeiten, nötig wären Konzepte gewesen – und zwar positive [für Hambi handeln, den Reichen die rote Karte zeigen, aber vermitteln, dass soziale Politik den normalen Menschen etwas bringt, nichts wegnimmt])



        - Dummheit und Ignoranz – Abgehobenheit nicht zu vergessen, weil schon lange weit, weit weg von der Realität



        - keine Kinderstube (Bätschi, in die Fresse)



        - die Basis ignoriert



        - die Menschen belogen und verarscht



        - oder alles zusammen (ergibt 'ne richtige Bin-Doof-Welle)



        Soll ich weitermachen?



        Wer hält es noch mit der Wahrheit? Die SPD? Wer sagt den Reichen, dass Ausbeutung die Grundlage von allem zerstört? Die SPD? Wer sagt ihnen, dass das Patriarchat nicht mehr so weiter funktionieren kann? Die SPD? Wer erzählt den Menschen, dass Kapitalismus nicht das bessere System ist, sondern nur das brutalste? Die SPD?



        Ah wa! Hat doch keine|r Rückgrat, niemand eine Haltung – seit Jahrzehnten nicht. Fallen die auf ihr eigenes Gelalle rein … … ?



        Lügen, verarschen, ignorieren, leugnen, den Falschen in den Arsch kriechen, nicht an einem Strang ziehen, gegen die eigenen Wähler arbeiten (wie doof mussfrauman sein) usw.?



        Wem hilft das? Nicht mal der SPD?



        Bis dann dann.

  • In Anbetracht des eklatanten Versagens der bisherigen GroKo bei der Umsetzung der Klimaziele für Deutschland, die ja noch in den GroKo-Verhandlungen, entgegen den Wahlkampfversprechen der Kanzlerin, abgeräumt wurden, sollte die Union verärgert sein über den schleppenden Fortgang beim Klimaschutz! Und der pragmatischen und entschlossenen Frau Svenja Schulze in Anbetracht Ihres klugen Planes jetzt vorzuwerfen, sie setze auf Aktionismus und Planwirtschaft, ist die übliche Dreistigkeit der Union in solchen Fällen: will die Union denn die bisherige plan- und erfolglose Klimapolitik einfach weiter so fortsetzen? Will die Union denn weiterhin sehenden Auges einen Klimaschutz-Gegner wie „C“SU-Scheuer in ihren eigenen Reihen weiterhin in seiner Untätigkeit gewähren lassen? Und die Unions-Minister Altmaier, Klöckner und Seehofer den Klimaschutz in deren Ressorts weiterhin verbummeln lassen?

    youtu.be/s7Ivdm2-ZCQ

    youtu.be/LpxSXYw9tC0

    youtu.be/-q0gF597WEA

    Viel Spaß und neue Erkenntnisse beim Anhören.

  • Es kommt Bewegung in die Regierung und das ist schon mal ein Anfang. Bin gespannt wie sehr die SPD selber mitmacht. Das geht tief in die Basisarbeit.

  • Was ist mit der Landwirtschaft, dem Umweltschutz, warum ist dieses wichtige Ressort außen vor. Gehört das nicht vorderst zum Klimaschuie einfachstes Sachen rauspicken und damit großese Drama machen?

    • @Sofia Dütsch:

      Wie kommen Sie darauf, dass irgendwelche Ministerien ausgenommen sind?

      Das ist doch gerade der radikale (und richtige) Ansatz, dass alle ihren Anteil beitragen müssen und sich eben nicht hinter anderen Ressorts verstecken können.

      Ich kann nur hoffen, dass der Ansatz von Frau Schulze nicht bis zur Unkenntlichkeit verwässert wird von denjenigen, die meinen "den gesunden Menschenverstand" für sich gepachtet zu haben!

  • die Idee ein Ministerium bezahlt zur Strafe die CO2 mit Steuergeldern klingt irgendwie sehr neoliberal irrsinnig.



    Ein festgelegtes Kontingent tut es auch, da muß nicht Staatsgeld für Strafzahlungen ausgegeben werden. Die erzieherische Maßnahme dürfte auch sehr gering sein, so ein Ministerium ist keine Privatperson, die merkt wenn Geld fehlt.

    • @nutzer:

      Strafzahlungen gibt es doch bereits jetzt. Deutschland zahlt jeden Monat nicht unerhebliche Beträge an die EU, weil bestimmte Ministerien es nicht schaffen dafür zu sorgen, dass geltendes Recht (sprich: Grenzwerte) eingehalten wird.



      Raten Sie mal wovon....von unser aller Geld.







      Ein "Ministerium" agiert ja nicht aus dem Nichts heraus. Es hat einen Etat, der wird gespeist aus Steuern, also unser aller Geld.

      Vielleicht bietet es einen kleinen Anreiz an die Ministerien, gefälligst ihren Job zu machen, wenn sie die von Ihnen durch Nichtstun verursachten Strafzahlungen vollständig aus ihrem Etat abgezogen bekommen.

      Aktuell sind alle Ministerien und damit auch alle Steuerzahlenden in Mithaftung für das Missmanagement in diesen Ministerien, die einfach die Arbeit verweigern.

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Das haben Sie, glaube ich falsch verstanden: Nicht das jeweilige Ministerium soll die Strafe bezahlen, sondern die Ministerien sollen von ihrer Klientel die Änderungen und die Kosten einfordern.



      Man sollte das dem Volk viel klarer mitteilen: Unser 'hochzivilisierter' Karren hat sich verfahren und steckt im Dreck. Nun müssen alle (ja, wirklich alle!) dazu beitragen, die Karre zurückzuschieben.



      Nicht wieder mit der Energienummer: Wenn die Industrie mehr Strom verbraucht, als sie zahlen mag, dann zahlt das schon das Volk. Oder wenn der Bauer für die Artenvielfalt wieder einen Grünstreifen einhalten muss, dann zahlt das schon das Volk.



      Aber, wie ich schon geschrieben habe, die SPD wird krachend scheitern, da sie ja den Unionsklotz am Bein hat.

  • Die SPD ist auf dem richtigen Weg. Linke Politik hat wieder eine Chance.

  • "weniger Fleisch"

    Für alle? Das heißt wahrscheinlich mehr Nudeln für Einige...

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "Denn das Bundes-Klimaschutzgesetz von Svenja Schulze ist ein guter Vorschlag. Und so ziemlich die letzte Chance für Deutschland, den Klimaschutz endlich ernst zu nehmen. Er macht Schluss mit dem jahrzehntelangen Schlendrian: Große Ziele ankündigen und dann zusehen, wie sie verfehlt werden."

    Die 15 Prozent SPD bläst die Backen auf und fordert dies und jenes. Und das ist dann die letzte Chance für Deutschland. Dabei sind die schon wie lange in der Regierungsverantwortung?

    Dann muss ich schon sagen Deutschland, wenn dein (Klima-)Glück von dem Haufen abhängt, dann Gute Nacht Deutschland.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Lieber Jim: Nur zusammen kriegen wir was hin, nicht gegeneinander.

      Wenn von den 45%, die was richtiges wollen sich jedes 7% als die besondere Schneeflocke vorkommt und die anderen sind die Idioten -- dann ist eh nichts mehr zu machen. Dann können wir ganz in Hedonismus verfallen. Ist es das, wohin Du willst?

      Dann kann ich auch mit meinen 62 noch den Führerschein machen.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Häten Sie zum Thema auch etwas sachliches anzumerken?

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @Bitbändiger:

        Nein, ich bin nur für Polemik zuständig.

        • 9G
          91672 (Profil gelöscht)
          @88181 (Profil gelöscht):

          Schreiben Sie doch mal einen polemischen Blog über die Union. Schließlich hat die Union den mit großem Abstand größten Warenkorb, was sie alles blockiert hat, um ihren Wählern zu gefallen. Eigentlich praktisch alles, außer der Alimentation der Reichen.

  • naja, immerhin hat schulze den moment erkannt, wo sie rückenwind hat durch die aufmerksamkeit für die schulstreiks und der schwarze peter klar beim koalitionspartner liegen würde. ---- was draus wird ist ne andere frage. klar hat die SPD leider in den letzten jahren alles versemmelt, was versemmelt werden kann. aber ich würde mich freuen, wenn das ne abwechslung würde....

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Der SPD glaube ich gar nichts mehr. Sie wird wieder umfallen. Frau Schulze kann sich schon mal nach einem anderen Job umsehen.