Kommentar Kampf gegen Antisemitismus: Es braucht einen Bundesbeauftragten
Mehr Prävention und mehr Widerstand gegen Antisemitismus: Ein Gastbeitrag eines Parlamentariers aus Berlin-Neukölln.
B ei Demonstrationen auf dem Pariser Platz und in Neukölln haben TeilnehmerInnen antisemitische Parolen skandiert und jüdische Symbole verbrannt. Dieser Missbrauch der Versammlungsfreiheit vergiftet und spaltet unsere vom friedlichen Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft geprägte Stadtgesellschaft.
Einwanderung bedeutet immer auch, dass die Konflikte der Herkunftsländer bei uns ankommen. Das muss man wissen und bis zu einem bestimmten Punkt auch hinnehmen. Die Menschen, die zu uns kommen, haben alle ihre Prägungen und Verletzungen im Gepäck. Schlägt sich dies aber in Verhetzung nieder, darf es dafür keine Toleranz geben.
Die Ächtung und aktive Bekämpfung von Antisemitismus in jeder Form ist deshalb von zentraler Bedeutung. Wir benötigen verstärkte Präventionsanstrengungen – unbedingt auch in den Integrationskursen – und eine Auseinandersetzung im Schulunterricht mit den aktuellen Erscheinungsformen des Antisemitismus, besonders in Brennpunktquartieren.
Denn der Antisemitismus nimmt an Kraft und Sichtbarkeit auch in Deutschland wieder zu – neben israelbezogenem Antisemitismus in der Einwanderungsgesellschaft und in Teilen der Linken ist hier auch der aktuelle Geschichtsrevisionismus auf nationalistischer Seite zu nennen.
ist seit 2013 SPD-Bundestagsabgeordneter für Berlin-Neukölln.
Ich halte es für das Gebot der Stunde, dass wir diese Entwicklung mit deutlich mehr Wachsamkeit und Widerstand beantworten. Wir brauchen wieder eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Antisemitismus: Woran erkennt man ihn, wie kann man ihm entgegentreten, warum hat Deutschland eine besondere Verantwortung? Ziel muss es sein, die Resilienz gegen den Antisemitismus in der Gesellschaft insgesamt stärken.
Dazu gehört auch ein effektiverer institutioneller Rahmen. Ich schließe mich daher ausdrücklich der Forderung des zweiten Unabhängigen Expertenkreises Antisemitismus an, einen Bundesbeauftragten gegen den Antisemitismus einzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut