piwik no script img

Kommentar Justizreform in PolenPolen ist kein Rechtsstaat mehr

Kommentar von Gabriele Lesser

Die Regierungspartei PiS arbeitet seit Jahren an der Politisierung der Justiz. Mit dem neuen Gesetz ist die Gewaltenteilung in Polen aufgehoben.

GegnerInnen der Justizreform protestieren am 4. Juli 2018 vor dem Obersten Gerichtshof in Warschau Foto: reuters

P olen ist keine rechtsstaatliche Demokratie mehr. Polens natio­nalpopulistische Regierungs­partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat ihr Ziel erreicht. Die in der polnischen Verfassung verankerte Gewaltenteilung ist seit Mittwoch aufgehoben. Das Gesetz über die Zwangspensionierung der Richter des Obersten Gerichts ist das letzte in einer langen Reihe, die die Politisierung der Justiz vorantrieben.

Als Erstes brachte die PiS das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle. Polens Präsident Andrzej Duda weigerte sich bereits 2015, die rechtmäßig noch vom Vorgänger-Sejm ernannten Richter zu vereidigen, und maßte sich ein eigenes Auswahlrecht an. Stattdessen vereidigte er Richter, die die PiS mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament ausgewählt hatte. An die Stelle des alle verpflichtenden Rechts trat das Prinzip Willkür. Zwar verwarf das Verfassungsgericht noch einige Gesetze der PiS als verfassungswidrig, doch die damalige Premierministerin Beata Szydło weigerte sich, diese Urteile im Amtsblatt der Regierung zu veröffentlichen, wie es ihre Pflicht gewesen wäre. Formalrechtlich gesehen traten die Urteile damit nicht in Kraft.

Mit insgesamt 13 Gesetzen „reformierte“ die PiS seit Ende 2015 Polens Gerichtswesen, erklärte den Bürgern mit einer groß aufgezogenen Werbekampagne, dass es nur darum gehe, die „arrogante Richterkaste“ zu disziplinieren, Altkommunisten und „korrupte Banditen“ unter den Richtern aus den Gerichten zu entfernen, auf dass künftig überall in Polen „Recht und Gerechtigkeit“ herrsche.

Zwar protestierte Polens Zivilgesellschaft vehement gegen die zunehmende Willkürjustiz, doch am Ende blieb nur die Hoffnung auf ein entschiedenes Eingreifen der EU-Kommission, des Europäischen Rates und am Ende des Europäischen Gerichtshofes. Tatsächlich eröffnete die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen sowie – am Montag – ein Vertragsverletzungsverfahren. Doch die EU-Mühlen mahlen viel zu langsam. Wahrscheinlich kommt die Rettung aus Brüssel für Polens Demokratie zu spät.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Auslandskorrespondentin Polen
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Östlich der Oder bis zum Bug leben eh die meisten Faschisten. Schmeißt die Polen aus der EU raus, macht die Grenze zu denen Dicht.

    Sollen sie doch in ihren nationalen Faschismus unter sich bleiben.

  • Die EU müsste erst einmal von dem Schmuse Kätzchen zum Tiger mutieren, bevor sie irgend etwas verändern kann!



    Der Zahnlose Tiger EU hat sich in allen Rechtsstreitigkeiten selbst die Zähne gezogen, zu dem Zeitpunkt, an dem Beschlossen wurde so gut wie alles nur Einstimmig zu regeln.

    Selbst wenn die EU jetzt gegen Polen und die PiS vorgehen wird, stößt sie auf Widerstand von Orban, der bereits eine Zustimmung, egal wie die EU gegen Polen vorgehen will, verweigern will!



    Somit wäre die Absolute Stimmenanzahl nicht zu erreichen, zum Beispiel, wenn es um den Entzug der Stimme Polens in der EU geht und um die Zahlungen an Polen!

    Die EU muss, wenn sie überhaupt noch als Glaubwürdiger Akteur gelten will, unbedingt damit beginnen Reformen in der gesamten Gremien zu beschließen, um handlungsfähig zu werden!

    Schon bei der Gründung hätten sich die Gründungsmitglieder darüber Bewusst sein müssen, das es, wie in allen Demokratien, nicht möglich ist immer Einstimmigkeit zu erreichen und somit ein Handlungsspielraum nicht existiert!

    Gut zu sehen ist es in allen Sachfragen, welche die gesamte EU betrifft, wie zur Zeit in der Frage des Umgangs mit der Migration nach Europa!

    Auch hier ist die EU nicht in der Lage eine konsensfähige Lösung zu erarbeiten, es muss sich ausschließlich an den Befindlichkeiten einiger Nationalpolitiker abarbeiten, um überhaupt noch als Gemeinschaft wahrgenommen zu werden!

    Die EU ist kurz davor sich in den Mitgliedsländern zu überleben, denn es werden ausschließlich Politiker Befindlichkeiten, ohne die Berücksichtigung der europäischen Bürger diskutiert!



    Keiner, auch die Regierungen der einzelnen Mitglieder, nimmt noch, auch nur ansatzweise Rücksicht auf die Volksmeinung.



    Jeder glaubt diese Volksmeinung durch seine Befindlichkeiten ausgemacht zu haben, ohne sich die Mühe zu machen sich mit den Bürgern auseinander zusetzen!

    Ohne das europäische Volk ist die Europäische Union nichts Wert, es fehlt der Rückhalt unter den Bürgern!!!

  • Die Geschichte hat es wiederholt bewiesen, dass Verfassungsreformen, die von den Machthabern vorangetrieben werden, Menschen immer fesseln. Je stärker die Macht der Machthaber ist, desto weniger werden die Rechte der Menschen. Russland braucht eine umfassende Verfassungsreform. Der Staat soll seine Macht an das Volk zurückgeben und die Oberhäupter der Verwaltungs-, Justiz- und Strafverfolgungsbehörden regelmäßig durch direkte Wahl erneuern. Die Wiederwahl der Abgeordneten folgt ein Vierteljahr später. Siehe die "Charta dauerhaften Friedens" für Details.

  • Was ich nicht verstehe, warum soll das herabsetzen des pensionsalter rechtswidrig sein?

    • @Struppi:

      Es ist ein Interessenskonflikt. Bei uns wurde das Pensions - oder Rentenalter im Jahr 2015 das letzte malheraufgesezt damit angeblich die Kasse nicht so schnell lehr wird. In Polen wird wurde es jetzt heruntergesetzt. Aber nicht weil sie zuviel Geld in der Rentenkasse haben. Weil es das Interesse der Regierung ist.