Kommentar Japan und Südkorea: Deutschland ist kein Vorbild
Die Geschichtsbewältigung zwischen Südkorea und Japan funktioniert nicht. Deutschland gilt dort als positives Beispiel — und das ist falsch.
S üdkorea und Japan streiten seit Jahren über ihre gemeinsame Vergangenheit. Es ist für beide beschämend, dass sie sich nicht einigen können. Die Hauptverantwortlichen sitzen in Japan, wo Geschichtsrevisionisten in den höchsten Kreisen sitzen. Das führt dazu, dass Entschuldigungen von japanischer Seite nur als halbherzig wahrgenommen werden.
In den letzten Jahren ging der Streit vor allem um das Thema der Zwangsprostituierten, die von Japans Armee im Zweiten Weltkrieg versklavt worden waren. Südkorea spricht von 200.000 Frauen, während in Japan deren Zahl kleingeredet oder ihre Existenz bestritten wird. Jetzt hat sich der Streit auf das Thema Zwangsarbeiter ausgedehnt.
Den Versuch, Industrieanlagen zum Welterbe erklären zu lassen, ohne auf die Ausbeutung von Zwangsarbeitern hinzuweisen, sollte man Tokio nicht durchgehen lassen. Die historischen Standards der Unesco müssen höher sein als die selektive Wahrnehmung rechter Japaner. Dabei ist auch Korea etwa beim Umgang mit der eigenen Diktaturvergangenheit zu kritisieren, ganz abgesehen von den Geschichtsverfälschungen in China, das immer wieder versucht, Japan vorzuführen.
Koreaner und Chinesen verweisen gern auf Deutschland, das sie als Vorbild empfehlen. Deutschland hat bestimmt manches besser gemacht. Trotzdem taugt es nicht als Vorbild – und sollte sich aus Scham über die eigene Geschichte mit Belehrungen zurückhalten. Auch in der hiesigen historischen Aufarbeitung gibt es immer wieder Fehltritte.
Genannt seien nur die ausstehende Entschuldigung für den Völkermord an den Herero oder die Bezeichnung des ehemaligen Berliner Flughafens Tempelhof wegen seiner Rolle bei der Luftbrücke als „Tempelhofer Freiheit“, was die Existenz des einstigen Konzentrationslagers dort ausblendet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen