Kommentar Investorenschutz: Kollateralerfolg für TTIP-Gegner
Wegen der Proteste ist die EU-Kommission von ihren Investorenschutz-Vorstellungen abgerückt. Im Herbst legt sie ein neues Konzept vor.
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S chiedsgerichte für Investoren wurden in den 1950er Jahren von westdeutschen Juristen erfunden, um die Interessen von Unternehmen in Ländern ohne funktionierendes Rechtssystem zu sichern. Dabei scheinen die Gerichte aus dem Inventar einer Bananenrepublik zu stammen: Sie sind mit wirtschaftsnahen Anwälten besetzt, Verhandlungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, und es gibt keine zweite Instanz.
Konzerne können so gegen unliebsame politische Entscheidungen vorgehen – etwa wegen Erhöhung von Mindestlöhnen wie in Ägypten oder Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen in Australien. Staaten oder Menschenrechtsgruppen können Unternehmen aber nicht verklagen, wenn etwa versprochene Arbeitsplätze nicht geschaffen oder wie in Bangladesch Menschen unter katastrophalen Bedingungen ausgebeutet werden.
Über Jahrzehnte haben die Konzerngerichte im Verborgenen agiert. Das hat sich dank der breiten Proteste gegen das transatlantische Handelsabkommen TTIP geändert. Denn auch dort sollten die Schiedsgerichte für Investoren verankert werden.
Die EU-Kommission ist aufgrund der Proteste von ihren Vorstellungen von Investorenschutz abgerückt. Im Herbst legt sie ein neues Konzept vor. In das gerade zu Ende verhandelte Handelsabkommen zwischen EU und Vietnam soll das neue Modell aufgenommen werden – ein großer Kollateralerfolg für die TTIP-KritikerInnen.
Auch dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) keine Gelegenheit auslässt, sich gegen Privatgerichte auszusprechen, können sie für sich verbuchen. Um glaubwürdig zu sein, muss Gabriel aber mehr tun, als unverbindliche Erklärungen abzugeben. Er muss dafür sorgen, dass die privaten Schiedsgerichte aus dem Auftrag für alle Verhandlungen über Freihandelsabkommen gestrichen werden. Und nicht nur das: Auch aus alten Verträgen müssen die Privatgerichte verschwinden.
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