Kommentar Heiko Maas in Teheran: Krümelgroßes Zuckerbrot
Die Angst vor Trump scheint in Berlin größer zu sein als der Wille zu einer eigenständigen Außenpolitik in Sachen Iran. Das ist brandgefährlich.
W ährend die USA eine sehr große Peitsche schwingen, kam der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) mit einem winzigen Zuckerbrot in Teheran an, krümelgroß bestenfalls. Es nennt sich Instex und soll den Zahlungsverkehr für den europäisch-iranischen Handel über eine Art Tauschbörse ermöglichen. Das ist gut gemeint, doch dass dieses Instrument auch 13 Monate nach Trumps Kündigung des Atomdeals noch immer nicht in Kraft ist, sagt eigentlich alles.
Natürlich können weder Brüssel noch einzelne EU-Staaten Unternehmen dazu zwingen, den aggressiven US-Sanktionen gegen Iran zu trotzen und ihr US-Geschäft aufs Spiel zu setzen. Doch wenn es den Europäern ernst ist mit der Rettung des Atomdeals, dann müssen sie den Iranern entgegenkommen. Teheran erwartet eine Kompensation für den Vertragsbruch der USA. Die Forderungen, die hinter verschlossenen Türen erhoben wurden, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überzogen. Aber Deutschland und die EU können doch wohl mehr auf den Tisch legen als eine Tauschbörse, die noch immer nicht scharfgeschaltet ist.
An der Lage im Nahen und Mittleren Osten gibt es nichts schönzureden. Die diplomatische Konfrontation zwischen den USA und Iran könnte schnell zu einer militärischen werden. Seit Trump den Atomdeal hat platzen lassen, hängen Krieg und Frieden nur noch an einem seidenen Faden. Seitdem versuchen die Europäer den Atomdeal zu retten und Iran davon abzuhalten, das Abkommen nun ihrerseits aufzukündigen oder den Vereinten Nationen gar den gesamten Atomwaffensperrvertrag vor die Füße zu werfen. In so einer trüben Stimmung nach Teheran zu reisen, um mäßigend einzuwirken, wie Maas es am Pfingstwochenende getan hat, ist kein falscher Schritt – aber auch ein nutzloser, wenn man nichts zu bieten hat.
Die Angst vor Trump scheint in Berlin und anderen europäischen Hauptstädten offenbar am Ende doch größer zu sein als der Wille, eine eigenständige Außenpolitik durchzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin