piwik no script img

Kommentar Grüner Politiker bei SnowdenDanke, Christian Ströbele!

Kommentar von Martin Reeh

Mit seinem Besuch bei Edward Snowden beweist der junggebliebene Grüne, was alles möglich ist, wenn Politik die ausgetretenen Pfade verlässt.

W as hat sich Christian Ströbele nicht alles anhören müssen, als er nach seiner Krebserkrankung erneut für den Bundestag kandidierte: Flugs wurde der Berliner Grüne von Journalisten zu den „Polit-Junkies“ gezählt, die den Platz für den Nachwuchs blockieren. So sehr 68er wie Ströbele die Toleranz für unterschiedliche Lebensformen in allen möglichen Bereichen vorangebracht haben, an einem sind sie gescheitert: Die Vorstellung, dass spätestens mit 70 nur noch Warten auf den Tod angesagt ist, steckt heute mehr denn je in den Köpfen.

Ströbeles Snowden-Coup zeigt, warum seine erneute Kandidatur richtig war. Auf die Idee, den Whistleblower im russischen Exil zu besuchen, hätten auch andere, Jüngere, kommen können. Sie sind aber nicht gefahren. Nicht die eigenen Fraktionsmitglieder. Nicht die Sozialdemokraten, die wieder auf eine internationale Diplomatie setzen, deren Grenzen zum Appeasement fließend sind. Und natürlich nicht die schwarz-gelbe Bundesregierung, die das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht durch ein Treffen mit Obamas Staatsfeind N. 1 belasten wollte.

Dabei war ein Treffen mit Snowden nicht nur aus Gründen der Solidarität geboten, sondern auch, um ein deutliches Zeichen zu setzen. Diplomatie, verbale Proteste, vorübergehendes Aussetzen von Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aus Protest gegen die Ausspähung der Europäer – das alles wird ohne Wirkung verpuffen, wenn es nicht gelingt, den USA deutlich zu machen, dass es die Aufgabe des Westens ist, Whistleblower zu schützen statt sie zur persona non grata zu machen.

Ströbele beweist, was möglich ist, wenn Politik die ausgetretenen Pfade verlässt. Damit Edward Snowden besser geschützt ist, müsste allerdings mehr geschehen als der Besuch eines grünen Kreuzberger Abgeordneten.

Einmal angenommen, die SPD erinnerte sich an Gerhard Schröders Nein zum Irak-Krieg: Wenn dann die Sozialdemokraten in den Koalitionsverhandlungen das Auswärtige Amt für sich reklamieren würden, und im Dezember ein Außenminister Sigmar Gabriel nach Moskau flöge und Snowden Asyl anböte, müssten ihre Umfragewerte in lange nicht mehr erreichte Höhen steigen. Und der Abhörpraxis der USA würde erstmals ernsthaft contra gegeben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
Mehr zum Thema

27 Kommentare

 / 
  • S
    schreiber

    Ich fasse nicht was ich hier lesen muss. Bevor man Grün lobt sollte man anklagen und zwar massiv!! Unter RotGrün wurden so viele Überwachungsgesetzte installiert das einem schwindelig werden kann. Das Grün jetzt hier so dargestellt wird ist nicht in Ordnung. Das ist von Grün reine Bauernfängerei um auf den Zug der Freiheitskämpfer aufzuspringen. Das wird aber Grün nicht mehr gelingen. Das Netz wird die RotGrünen verfassungsverachtenden Taten niemals vergessen!

  • SC
    Sarah Cihen

    Ich bin bei weitem kein Anhänger von RAF-Anwalt Ströbele und auch keiner der Grünen, dennoch zolle ich ihm für diesen Schritt meinen Respekt und hoffe, dass Snowdens Aussage dafür sorgen kann, dass die gesamte Affäre aufgeklärt wird - auch wie deutsche Behörden darin verwickelt waren und sind!

  • I
    ion

    .... liebe taz, das ist allmählich nur noch ultrapeinlich, cf Headline:

    Who is: "Snoeden"?

  • Hoffentlich lässt sich die breite Masse - bei aller Dankbarkeit für die Aktion von Ströbele - nicht von einer reinen "Feindbild" Debatte aufs Glatteis führen. Es wäre begrüßenswert, wenn auch die Spy-Aktionen von Krankenkassen, Deutsche Post, DB, Betrieben und Firmen etc etc genauso kritisch ins Rampenlicht gerückt werden. Sonst verliert sich das Thema im Abstrakten, irgendwo bei der fernen NSA und kalifornischen Wüstenabschnitten. Das wäre aber zu kurz gegriffen. Zur Erinnerung:

     

    "Einig sind sich Experten darin, dass nur Open-Source-Produkten zu trauen ist, also Software, deren Quellcode öffentlich einsehbar ist. Denn so kann jeder Kenner den Code auf Sicherheitslücken und Hintertüren überprüfen - und die Nutzer müssen nicht blind einem Einzelunternehmen vertrauen."

     

    Infos u.a. bei

    https://prism-break.org/

    http://www.onlineaktivisten.de/index.php

    https://digitalegesellschaft.de/

  • TT
    Thea Tiger

    Ja, genau. Danke für diese neuen Nachrichten, Christian Ströbele.

    Dank auch an Florian Forenfleiss

    für den Kommentar : Moskauer Nächte.

  • Boah, wat ham mer gelacht über diesen Coup! Aber irgendwie zeigt es auch ein Dilemma in der deutschen (Berufs)Politiker-Landschaft von heute: Da muss ein alter Mann von fast 75 Jahren einmal demonstrieren, was der Job eines gewählten Volksrepräsentanten ist. Nachfragen, nachhaken und wenn das nichts bringt auch aktiv werden. Genau dafür werden sie gewählt!

     

    Wie peinlich für alle Routine-Aufreger der politischen Bühne, dass das jemand macht, der soviel Lebenserfahrung hat und offenbar genau weiß, worum es bei der Errichtung einer politisch-wirtschaftlichen Orwell geht. Den Mann kann man nach 10 Jahren als Politiker nicht wie andere mit einem Vorstandsposten eines IT-Konzerns o.ä. mehr locken. Und wir müssen uns fragen, wie freiwillig wir von den anderen verkauft werden, die sich da echauffiert verrenken und offiziell empören. Dazu gehören auch die Sozis und diverse Kollegen seiner eigenen Partei.

     

    Und die Piraten müssen sich mal fragen, warum von denen eigentlich niemand auf diese Idee gekommen ist *feix*

     

    Mir gruselt's bei dem Gedanken, was passiert, wenn wir diese Sorte Politiker nicht mehr im Lande haben. Dann wird's düster.

    • S
      schreiber
      @StiftChronist:

      lol … na da haben Sie die Piraten nicht verfolgt ;) Es wurde leider sehr wenig darüber Berichtet. Wozu auch - sitzen die halt nicht im Parlament und sind daher eher uninteressant

  • A
    Arne

    Jetzt muss Strobele nur noch aus den Grünen austreten, um in einer Reihe mit ehrenwerten Menschen wie Jutta Ditfurth, Rainer Trampert, Thomas Ebermann, Ilka Schröder u.ä. zu stehen.

     

    Dank an Herrn Ströbele und Dank an den Kommentar, der auch berücksichtigt, dass nicht alles, was alt ist, schlecht ist.

    • @Arne:

      Kann man sich da anschließen?

  • MB
    mustafa b.

    Der letzte Nebenaußenminister vor dem wirren Greis Ströbele hieß Franz-Josef Strauß - und in ihrem Gebahren unterscheiden sich die BündnisGrünen nicht mehr wirklich von der CSU.

    Diplomatisch wird diese Republik noch immer von der amtierenden Regierung vertreten und nicht Politikern, die im politischen Abklingbecken schwimmen.

  • Ich habe auch meine Bedenken wenn Herr Snowden nach Deutschland käme..... Die Aussage des US- Botschafters in Berlin war deutlich...

     

    http://www.change.org/de/Petitionen/heben-sie-edward-snowden-in-den-status-eines-fl%C3%BCchtlings

  • J
    joHnny

    "lupenreine demokratie"

     

    bleibt auch noch zeit für

    kreuzberg??...

  • HB
    Harald B.

    Glückwunsch Herr Ströbele,

    so geht Politik mit Rückgrat!

    Ich hoffe, wir bekommen nun mehr von Snowden zu hören!

  • MK
    Michael Kuhlmann

    Ina Deter sang 1982 "Neue Männer braucht das Land" - ich würde es umformulieren in "SOLCHE Männer braucht das Land" (und Frauen) - Christian Ströbele zeigt einmal mehr, dass glaubwürdige Politik vor allem aus klugem HANDELN besteht. Um Ihre pointierte Überschrift noch einmal zu benutzen, Herr Reeh, Danke, Christian Ströbele.

  • L
    lowandorder

    Schließe mich meinen Vorrednern an;

     

    Martin Reeh mit der Einschränkung,

    daß GazPromGerds/BMW-Joschkas

    " Nein" - keins war;

    nicht einmal Appeasement, sondern - als billiger Wahlkampftrick verpackt - klandestine verfassungs- und völkerrechtswidrige Teilnahme

    'schlands am Irak-Krieg!

    ( vom Bundesverwaltungsgericht auf 150 Seiten im einzelnen und überzeugend dargelegt;

    Gegenteiliges wird auch durch permanentes Wiederholen nicht richtiger!)

  • FF
    Fridolin Forenfleiß

    Ich sitze schon seit Stunden ziemlich dumm,

    nicht ganz allein mit Edward Snowden rum.

    Ich trinke schnell obwohl ich’s nicht vertrag,

    weil ich ihn nicht versteh, aber sehr mag.

    Da plötzlich setzen sich 6 Mann zu mir,

    “wir sind vom FSB, drum sind wir hier“.

    Wenn Sie nicht gehn, haun wir sie auf den Mund,

    Das Spionenleben ist halt nicht gesund.

     

    Moskauer Nächte sind lang,

    Moskauer Nächte sind lang,

    Erst fang sie ganz langsam an,

    Aber dann, aber dann.

     

    Zuhaus hat Claudia mich dann noch gefragt,

    ob ich in Moskau noch was andres sag.

    Über Greenpeace, über Knast, Piraterie,

    Ich sag, ein richtig Grüner war ich nie.

    Ich schlug ihr vor, das mache besser sie,

    sie stehe doch für mehr Demokratie.

    Ich dagegen anti-USA.

    Weshalb ich jetz zu diesem Snowden fahr.

     

    Moskauer Nächte sind lang,

    Moskauer Nächte sind lang,

    Erst fang sie ganz langsam an,

    Aber dann, aber dann.

     

    Dann steckt mir Snowden dieses Brieflein zu.

    “Gib das der Merkel, denn ich weiß, das kannst nur Du.

    Nur RAF-Anwälten trau ich das noch zu.

    und Kreuzberger Radlern like you.

    Selbst Putin sagt zu mir ich sollt mich schäm.

    Was ich tät, wär auch in Russland nicht genehm.

    Obama würgt er zwar gern einen rein.

    Doch Verräter seien überall ein Schwein.“

     

    Moskauer Nächte sind lang,

    Moskauer Nächte sind lang,

    Erst fang sie ganz langsam an,

    Aber dann, aber dann..

    Kreuzberger Nächte sind lang,

    Kreuzberger Nächte sind lang,

    Erst fang sie ganz langsam an,

    Aber dann, aber dann.

    Moskauer Nächte sind lang,

    Moskauer Nächte sind lang,

    Erst fang sie ganz langsam an,

    Aber dann, aber dann.

  • U
    Uli

    Welch ein Unterschied zu den unsäglichen Spiessern Kretschmann und Özdemir!

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Mir fällt kein einziger ähnlich gradliniger und seinen Idealen mehr verpflichteter Politiker als Christian Ströbele ein.

    Vielleicht bekommt Obama was zu Ohren. Und vielleicht erinnert ihn Ströbeles Aktion an seine vor-präsidialen Worte, an denen er sich selbst messen müsste.

    Yes we can, hope, change

    und Grüße an den Friednesnobi

  • Auch mein Dank an Christian Ströbele. Er hat`s mal wieder allen gezeigt.

  • Ströbele rules.Er ist der letzte wahre Grüne .

    • @Sid:

      Das sehe ich genauso, ausser Ströbele kannst du alle nach Hause schicken!

  • S
    sarko

    Nein nein , ... bitte nicht Asyl in Deutschland ! Es wäre wirklich das Allerletzte , wenn Snowdon in Deutschland auf unnatürliche Weise zu Tode käme ! Natürlich würde das Weiße Haus es Lichtjahre weit von sich weisen , dass amerikanische Dunkelmänner dahinter steckten . In Russland wird das Leben Snowdons besser geschützt . Hoffentlich ...

  • UF
    Ulrich Frank

    Nur wird es doch sehr wahrscheinlich so sein, daß CSU-Mann Friedrich jetzt nach vorne aufgeschlossen tut, aber hintenherum sucht man nach Hinderungsgründen und aus Einreise und Aussage von Edward Snowden wird nichts.

  • G
    gerstenmeyer

    na,jetzt hat sich der ex-terroristenanwalt nochmals ins rampenlicht stellen können,was jetzt so gross herausgekommen ist ausser den schlagzeilen wird sich noch herausstellen

    • @gerstenmeyer:

      Ein Gerstenkorn muss ausheilen.

      Nicht zuviel Alk und milde Aufgüsse am Abend :-)))

      • G
        gerstenmeyer
        @Pink:

        leg mal dein strickzeug beiseite,zieh deine wollsocken und sandalen an und geh an die frische luft-das schraubt den pulsa runter,o.k.?

    • AH
      aber hallo!
      @gerstenmeyer:

      Die Frage, was ausser den Schlagzeilen herauskommen wird ist ein vollkommen unangemessener Kommentar. Er lenkt davon ab, dass Hans-Christian Stroebele, auf der richtigen Seite steht und bereit ist fuer seine Ueberzeugungen und Ideale ein zu treten. Was er damit erreicht haengt dann von vielen von ihm nicht zu beeinflussenden Umstaenden ab, auch und insbesondere von dem unsaeglichen Verhalten diverser Opportunisten und Spiesser, zu den Sie ja ebenfalls zu gehoeren zu scheinen.