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Kommentar Grüne und DieselmotorenEine Frage der Taktik

Hannes Koch
Kommentar von Hannes Koch

Eine Umstellung auf Elektroautos ist ohne das Wollen der Autokonzerne nicht möglich. Kompromisse könnten helfen, aber ein Termin muss sein.

Ja, die Herren Kretschmann und Zetsche verstehen sich gut Foto: dpa

W er Politik machen will, muss Termine setzen. Sonst passiert nichts. So ist es eine klare Aussage, wenn Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann einen konkreten Termin für das Aus für erdölgetriebene Fahrzeuge ablehnt. Da freut sich Daimler-Vorstand Dieter Zetsche, der zum Parteitag der Grünen im November als Redner eingeladen ist.

Kann man sich einen Atomausstieg ohne Zeitplan vorstellen? Nach dem Motto: Wäre schön, wenn wir die AKWs bald abstellen könnten, denn wir halten sie für gefährlich. Und irgendwann machen wir das auch bestimmt. Eine solche Energiepolitik würde zu Recht für lächerlich gehalten. Deshalb hat die Bundesregierung einen Termin festgelegt: 2022 ist Schluss.

Nun kann man den Zeitplan für die Autos, wie ihn etwa SPD-Umweltministerin Barbara Hendricks vorschlägt, für ambitioniert halten. In nur 14 Jahren sollen Daimler, BMW, VW, Audi, Porsche quasi keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr herstellen, die heute nahezu ihre gesamte Produktion ausmachen? Das klingt ein bisschen wie „zeitnaher Bau einer Einfamilienhaussiedlung auf dem Mars“.

Dass die erneuerbaren Energien ein Drittel des Stroms in Deutschland liefern, dafür brauchte es 30 Jahre. Es dürfte sehr kompliziert und langwierig werden, globale Autokonzerne, die auf einer 130 Jahre alten Technologie basieren, komplett umzustellen. Da können die Grünen das Pariser Abkommen zur Dekarbonisierung der Weltwirtschaft noch so toll finden. Sie sind auf das Wohlergehen der großen Unternehmen angewiesen. Geht es einem Konzern wie Daimler schlecht, weil die Regierung zu hart auftritt, kann ihr der Laden um die Ohren fliegen: Demonstrationen der Beschäftigten, Protest der Gewerkschaften, Niederlage bei der nächsten Wahl.

Wer das nicht will, macht Kompromisse, wartet auf eine günstige Gelegenheit und lädt einen wie Zetsche zum Parteitag ein. Kretschmann hat Recht: 2030 oder 2034 ist nicht so wichtig. Man kann mit der Entscheidung, das faktische Ende des Verbrennungsmotors im Individualverkehr zu terminieren, vielleicht auch noch etwas warten. Irgendwann allerdings muss man den Beschluss doch fällen – wenn man die eigene Politik ernst nimmt. Kein Termin bedeutet: keine Klimapolitik.

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Hannes Koch
Freier Autor
Geboren 1961, ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin. Er schreibt über nationale und internationale Wirtschafts- und Finanzpolitik. 2020 veröffentlichte er zusammen mit KollegInnen das illustrierte Lexikon „101 x Wirtschaft. Alles was wichtig ist“. 2007 erschien sein Buch „Soziale Kapitalisten“, das sich mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen beschäftigt. Bis 2007 arbeitete Hannes Koch unter anderem als Parlamentskorrespondent bei der taz.
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27 Kommentare

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  • Tesla baut bereits weltweit gigantische Batteriefabriken und in Germany wird das Bestreben nach einer Wende als verspinnerte Idee "grüner Soziologen" abgetan ??!!

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Schmeißt den Kretschmann aus der Partei.

    Und ja, Elektroautos sind umweltfreundlicher als Solche mit Verbrennungsmotoren. AUCH wenn der Strom dem heutigen Strommix entspricht.

    Darüber gibt es Untersuchungen und die klingen ziemlich plausibel.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Die Politik und ihre griffigen Zahlen.

    Zehnpunktepapier, Agenda Zwanzigzehn.

    1 Million E-Autos bis 2020, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr.

    Eine Zielvorgabe darf ja gerne ambitioniert sein, aber dann auch realistisch, unter Hinzunahme von Rechenszenarien, erstellt durch Fachkräfte.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @571 (Profil gelöscht):

      Dann aber auch gleich Hundert Prozent Erneuerbare bis Zwanzigdreißig.

      Alles ist machbar, man muss es aber wollen.

  • Übrigens: im gleichen Zuge müsste man dann auch den Ausstieg aus der Massentierhaltung für 2030 verkünden... au weia, jetzt geht es aber ans Eingemachte. Wie viel wollen wir hier wirklich verändern, oder doch nur am Status Quo uns klammern?

    • @Sapasapa:

      P.S.: "Dass die erneuerbaren Energien ein Drittel des Stroms in Deutschland liefern, dafür brauchte es 30 Jahre." -> übrigens auch aufgrund der Lobbyarbeit der Großproduzenten, siehe auch Endlager. Das sollte doch klar sein, oder?

  • @V - "…Im Ergebnis werden zwei aussterbende Industrien mit viel Geld zu Lasten der Umwelt gefördert.…"

     

    Sorry - aber naturwüchsig ist daran

    Nur wenig - sondern dess meiste -

    Menschenwerk!

    Die beiden FellfressenGrinsebacken -

    Passen da ganz prima!

    kurz&kölsch - SackJeseechte!

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Lowandorder:

      "Die beiden FellfressenGrinsebacken -

      Passen da ganz prima!"

      Der auf dem Fahrersitz würde ich so gerne meine Gumminase schenken - die fehlt da ganz eindeutig. Aber vielleicht in Genf aufm Salon...

  • 2030, 2034

    Welche rationale Erklärung, also eine Erklärung die kein BWLer versteht, gibt es, dass der vollständige umstieg in 18 aber nicht in 14 Jahren möglich sein soll?

     

    Klar es ist komfortabler für die Autokonzerne aber letztlich müssen sie endlich mal Geld in die Entwicklung von Elektroautos oder anderen Antrieben stecken, der Benziner ist Tod und umso länger die Entwicklung verschlafen wird, umso schlimmer wird es, weil die deutschen Produkte einfach nicht mehr zukunftsfähig sind.

     

    Es ist ja nicht so, dass das ganze von Heute auf Morgen kommt, es ist seit Jahren absehbar. Seit Jahren wird geforscht und nun sind es nochmal 14 Jahre Zeit. Von einem ambitionierten Ziel kann man da nicht sprechen.

    • @Sascha:

      Der Umstieg wird weder in 14 noch in 18 Jahren klappen.

      Das ist einfach zu knapp - auch wenn grüne Soziologen mit technischer Unkenntnis und viel Wunschdenken gesegnet sind.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Hmm, was meinen Sie jetzt damit? Ich sehe in meiner Stadt E-Autos fahren, die nachts an der Säule aufgeladen werden. Oder sind das alles nur Attrappen aus Pappe?

        • @Sapasapa:

          Was ich damit meine?

          Die Grünen sollten vielleicht nen Plan vorlegen WIE sie das erreichen wollen. Aber ich sehe schon Auto an Steckdose -> prima klappt alles.

           

          Ich glaube wir sind uns einig, dass Elektromobilität nichts bringt wenn der entsprechende Strom aus Kohle gewonnen wird - so wie bei den E-Autos in ihrer Stadt (oder arbeiten da nachts Solarzellen?)

           

          Folglich - um wirklich den Umweltschutzgedanken zu berücksichtigen - macht das nur Sinn wenn die komplette Energie regenerativ erzeugt wird.

          Aktuell liegen wir 30%.

           

          Wir müssen also nicht nur noch 70% der Energie zum Heizen, Kochen, Fernsehen und taz-meckern auf regenerative Erzeugung umstellen - nein wir müssen noch zusätzlich genau die Energie erzeugen, die Deutschland jeden morgen zum Pendeln benötigt.

          Die kommt ja nicht mehr vom Öl sondern ebenfalls aus der "Steckdose" - natürlich nur Solar und Wind.

           

          ///

          Ja die Technologie gibt es. Es geht um die Masse.

          Seien sie ehrlich - ein Dieselauto macht sie auch nicht krank.

          Problematisch wird's wenn es die Masse wird und zig tausende davon gleichzeitig ihre Abgase in die Luft blasen.

    • @Sascha:

      Niemand muss mehr Geld in die "Entwicklung" von Elektroautos stecken, es wird da keine grandiosen Schritte nach vorne mehr geben. Das "Konzept" und die Umsetzung steht, mit seinen Vor und Nachteilen (Die die jeweilige Seite eh nichtmehr hören will, aber wo ist das heutzutage anders).

       

      Worein Geld investiert werden "müsste" von Seiten der Konzerne wäre Marktreife und Serienproduktion , weil momentan verdient niemand Geld mit E-Autos (Tesla ist atm eig. ne gewaltige Investorengeldverbrennmaschine mit dem Versprechen mal was großes zu werden), weil einfach niemand E-Autos in großem Umfang kaufen möchte. Klar kann ich nun als guter Linker argumentieren das der böse Konzern alles Schuld ist und doch mal dennoch E-Autos produzieren soll, aber solange wie sich 9 Liter+ 300 PS SUV`s verkaufen und nicht i3, wird BMW auch mehr Geld in die Entwicklung/Produktion von SUV`s stecken.(Sollte BMW das übrigens nicht tun, gehen sie vermutlich pleite und dann stehen die gleichen leute da und schreien wegen der verlorenen Arbeitsplätze)

       

      Wer sich Preisentwicklung und Käuferverhalten ansieht, merkt das im Automarkt die Nachfrage das Angebot bestimmt, hier muss man dann woanders ansetzen.

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Viele Länder um zns herum haben bereits viel ambitioniertere Ziele beschlossen, sperren bereits jetzt ihre Innenstädte für fossil bezriebene KFZ, verbieten fossile Heizingen im Wohnngsbau. Nur hierzulande sol das nicht gehen? Wenn selbst ein grüner MP sich mit solcher Chuzpe für ein unbegrenztes Weiterso einsetzt, wiseen wir doch wenigstens , wodran es hierzulande mangelt, oder?

  • Luxus Ökothemen des Westens. Hier in Nepal überholt man dann mal einen LKW, der gibt aber grad Gas und eine riesige schwarze Wolke bläst in Dein Auto.

    Der Westen mag vorangehen. Hier fängt die Mobilität überhaupt erst an. Als globales Problem sind wir noch weitere 130 Jahre von einer Lösung entfernt ?!?

    • @bloggerlogger:

      Die Technik, die wir morgen einsetzen, wird übermorgen dort eingesetzt. Wir haben die Wahl, welche Fakten wir schaffen werden.

      • @Bodo Eggert:

        Weil ja jemand in Nepal sich nen Tesla für 140k leisten kann.

         

        Und Stromtankstellen werden die im Himalaya sicherlich auch alle 200km eine bauen.

  • Und wieder wird stillschweigend vorausgesetzt: Diesel = Klimaschänder und Elektro = Klimafreundlich was mit nichten der Fall ist und man auch auf staatlichen Seiten nachlesen kann. In Deutschland wird bekanntlich der weitaus größte Teil des Stroms aus Kohle gewonnen. Von diesem klimaschädlichen Strom geht dann beim Transport noch über dei Hälfte verloren. Ganzheitlich betrachtet ist ein bewegtes Elektrofahrzeug also wesentlich klimaschädlicher also ein Diesel.

    Es sei denn man argumentiert weiterhin wie dieser Artikel nach dem Motto: Wieso Atomstrom? Bei mir kommt der Strom aus der Steckdose und ist ganz sauber...

    • @nick24:

      Der Verbrenner noch weniger effizient, als selbst ein mit Kohlestrom betriebener Stromer. In Joule gerechnet sogar bei Braunkohle.

       

      Glauben Sie, das Benzin kommt aus der Zapfsäule? Die Kette geht nicht ohne Verluste zurück bis zu Ölsanden, Fracking und Deepwater Horizon. Das leicht förderbare Öl ist alle, sonst würde sich die teure Förderung nicht lohnen.

  • Wie denn nun, lieber keine Klimapolitik machen als Wählerstimmen verlieren? Da halte ich aber locker dagegen: Wer seinen Kern verrät, schlägt Sargnägel ein, da empfiehlt sich mal ein Blick auf die SPD. Andererseits, was juckt das schon den Gerhard... So gesehen wird dann wohl nichts den Winfried aufhalten können.

  • Politik, die eine Industrie regulieren will, darf sich von ihr nicht die Feder führen lassen. Inzwischen scheint selbst die taz dieses Industriemärchen gefressen zu haben. Im Endeffekt wird dieses korrupte Konstrukt durch TTIP auch nur völkerrechtlich festgeschrieben - aber eine linke Zeitung sollte das nicht auch noch befürworten.

    Richtig dagegen ist, dass sich die Politik am Machbaren orientieren muss. Unerreichbare oder zu lasche Vorgaben helfen niemanden. Allerdings ist es mehr als naiv zu glauben, dass die Industrie die richtige Ansprechpartnerin wäre, um dies herauszufinden.

    Schliesslich ist es umweltpolitisch unsinnig, nur die Automotoren auszutauschen aber weiterhin soviel Energie für die Automobilität zu verschwenden. Gerade da die Energiewende ausgebremst wird, ist die Elektromobilität der Dinosaurierkarossen umweltpolitisch ein Fehlgriff. Doch darum geht es hier wohl gar nicht: Die grossen Strom-EVUs wollen einen garantierten Absatzmarkt für ihren dreckigen Strom. Der Zuwachs der regenerativen Energieerzeugung wird gebremst und der Automobilindustrie die Elektromobilität so lange versüßt, bis sie diese bereitwillig schluckt.

    Im Ergebnis werden zwei aussterbende Industrien mit viel Geld zu Lasten der Umwelt gefördert.

    • @Velofisch:

      Das sehe ich nicht ganz so. E Autos machen nur Sinn, wenn der Strom dafür aus erneuerbaren Energien kommt. Wir wollen die KKW abschalten. Wenn wir jetzt auch noch Strom für 40 Mio Autos ökologisch herzaubern wollen, dann haben wir aber was an der Brust. Das E Auto wird kommen. Wer einmal eine Probefahrt mit einem Stromer gemacht hat, der will nie wieder ein Auto mit stampfenden Kolben fahren. Viel schlimmer finde ich, dass immer mehr spritfressende SUV zugelassen werden dürfen. Wegen dem VW Skandal werden derzeit viele SUV mit Benziner verkauft. Da kann so ein Wagen schnell mal im Realbetrieb 9 Liter/100 Kilometer verbrauchen. Da gehen wir mit großen Schritten zurück. Die Co² Emissionen aus dem Verkehr nehmen soagr zu.

      • @Rohloffbiker:

        9 Liter? keine Chance. 15 Liter/100km dürfte eher hinkommen.

      • @Rohloffbiker:

        Da gebe ich Velofisch recht: die TAZ springt hier auf den Industriezug auf. Auf der Basis einer Erkenntnis, oder so wie der Großteil unserer Gesellschaft neoliberal verblendet?

         

        Firmenwagenbesteuerung, Abwrackprämie, Feinstaub, Unfalltote... ich meine, man muss nicht wirklich weiter Rücksicht auf die Autoindustrie in Deutschland nehmen. Es ist nicht so, dass die Produzenten keine E-Autos produzieren könnten. Sie wollen nicht, weil die Kunden nicht wollen, weil die Produzenten nicht wollen... Den Kreislauf zu durchbrechen ist Aufgabe der Politik.

         

        Dass der TAZ Redakteur das nicht sieht, ist schon fragwürdig. Aber vielleicht weiß er mehr als wir.

        • @Sapasapa:

          Jau - insb. Hannes Koch bestätigt durch die Bank die Einschätzung

          Fanny Müllers " …& die taz-Männer -

          Was sollen sie machen -

          Hoffen immer noch auf nen Anruf

          Von Welt FAZ Focus Spiegel usw…"

          That's the point!

          • 5G
            571 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Hannes Koch (siehe ganz oben rechts)

            " ist selbstständiger Wirtschaftskorrespondent in Berlin."

            • @571 (Profil gelöscht):

              Ja wie? - & zumal

              Der schreibt für lau -

              Für die taz - schau -

              Das glaubt nichemal

              Karl Lau!