Verkehrswende: E-Autos für die Weiten Niedersachsens
Keine Diesel und Benziner mehr bis 2030? Unter anderem E-Autos sollen Alternativen bieten. Aber wie sieht es mit der Infrastruktur aus?
HAMBURG taz | Geht man abends durch Seitenstraßen im Bremer Steintor-Viertel, so kann man ihn mit Glück beobachten: den Besitzer eines E-Autos. Mit langem Kabel steht er dann auf der Straße und legt eine Spur vom Briefkastenschlitz seines Reihenhauses über Gehweg und Fahrbahn bis zu seinem BMW i3. Ganze 264 E-AutobesitzerInnen wie ihn gibt es in Bremen – bei insgesamt 284.484 PKW. Das Aufladen eines E-Autos in einem Gebiet wie dem hippen Steintorviertel ist dabei nicht einfach. Nur mit viel Glück gelingt es, einen Parkplatz in der eigenen Wohnstraße zu finden, und Häuser mit Garage sind selten. Dennoch sollen Verbrennungsmotoren aus den Stadtbildern verschwinden, unter anderem E-Autos die Zukunft sein. Doch wie geht das in ländlichen Regionen?
Derzeit diskutiert das Bundeskabinett in Sachen emissionsarmer Mobilität über einen Beschluss des Bundesrats von Ende September. Darin wurde die EU-Kommission gebeten, Vorschläge zu unterbreiten, „damit spätestens ab dem Jahr 2030 unionsweit nur noch emissionsfreie PKW zugelassen werden“. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) lobte den Beschluss, Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hält ihn für „Unsinn“. Dem Bundesrats-Beschluss stimmte unter anderem auch Niedersachsen zu, wo Volkswagen seinen Sitz hat.
Der Städte- und Gemeindebund des Flächenlandes hat nun am Montag eine stärkere Förderung von E-Autos auf dem Land und in den Dörfern gefordert. Wenn Niedersachsen bei der E-Mobilität an die Spitze wolle, müsse das Land gemeinsam mit der Automobilindustrie einige Milliarden Euro in die Hand nehmen, sagte Städtebund-Sprecher Thorsten Bullerdiek. Er forderte flächendeckend Ladestationen und eine Förderung für den Einsatz von E-Fahrzeugen. Die Infrastruktur in der Fläche dürfe nicht wieder vernachlässigt und damit eine Zukunftstechnologie verschlafen werden.
Laut einer Erhebung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft gab es in Niedersachsen Mitte 2016 insgesamt 484 Ladestationen für E-Autos. Das sind zehn Ladestationen auf 1.000 Quadratkilometer des Bundeslandes. Zum Vergleich: In Hamburg ist das Netz mit 292 öffentlich zugänglichen Ladestationen 15 Mal dichter.
Bundesweit haben von 45.071.209 PKW 25.502 einen Elektroantrieb.
Bremen hat für 264 E-Autos 65 öffentlich zugängliche Ladestationen. Insgesamt fahren im Land 284.484 Autos.
In Hamburg gibt es 292 Ladestationen für 858 E-Autos. Insgesamt hat Hamburg einen Bestand von 761.655 PKW.
In Niedersachsen gibt es 484 Ladestationen für die 2.484 E-Autos unter den insgesamt 4.528.650 PKW.
Schleswig-Holstein hat 61 Ladestationen für 740 angemeldete elektrobetriebene Autos. Insgesamt hat das Land einen Bestand von 1.583.822 PKW.
Mecklenburg-Vorpommern hat 79 Ladestationen für 176 Elektroautos. Insgesamt gibt es hier einen Bestand von 832.708 angemeldete PKW.
Sind Elektroautos also eher eine Mobilitätsalternative für die Stadt? Der kleine Flitzer für den kurzen Einkauf? Kommt man bei durchschnittlichen Reichweiten zwischen 70 bis 100 Kilometern auf Landstraßen nicht regelmäßig ins Schwitzen? Zumindest die Parkplatzsuche ist auf dem Land nicht das Problem, das Laden eines E-Autos im Carport vor dem Haus scheint komfortabel.
Tatsächlich sieht etwa der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) für E-Autos eher eine Zukunft auf dem Land. E-Mobilität sei für Pendler interessant, die 40 bis 50 Kilometer zur Arbeitsstelle fahren müssten und ihre Strecken gut planen könnten. In der Stadt plädiert der VCD hingegen eher für „autoreduzierte Mobilität“. Und ohnehin ist man beim VCD von E-Autos nicht begeistert: Zwar helfen die Fahrzeuge bei der Luftreinhaltung, ohne Strom aus regenerativen Energien seien E-Autos den Benzinern bei der CO2-Bilanz aber keineswegs voraus.
Ganz in diesem Sinne setzt man etwa in Bremen auch nicht wirklich auf Elektroautos. „Bremen als Großstadt setzt auf den Umweltverbund“, erklärte Jens Tittmann, Sprecher des Bremer Umweltressorts – also auf öffentlichen Personennahverkehr, Fahrräder, und den Gang zu Fuß. Ziel müsse es sein, von Motoren mit fossilen Energien loszukommen. Bremen investiere dafür in neue Straßenbahnen und elektrobetriebene Busse.
Hamburg hingegen verfolgt seit einem 2014 beschlossenen Masterplan den Ausbau der Infrastruktur für E-Autos. „Elektromobiliät entwickelt sich aus urbanen Räumen“, sagt dazu Christoph Steinkamp, Leiter des Projektes Elektromobilität Modellregion Hamburg. Fast jeden Tag würden Ladestationen im Stadtgebiet geschaffen.
(Mit Material von dpa und Reuters)
Leser*innenkommentare
Aruba
Elektroautos mit den kurzen Reichweiten und den langen Ladezeiten sind aktuell noch nicht die Alternative. Das belegen auch die Verkaufszahlen. Im 2. Quartal 2016 wurden in der Europäischen Union fast doppelt soviele Hybridfahrzeuge verkauft wie reine Elektroautos. Im Vergleich zum 2. Quartal 2016 ist das ein Anstieg bei Hybriden von fast 23% und bei E-Autos von "nur" 7%. Quelle: http://www.autokreditevergleich.de/wachstum-bei-fahrzeugen-mit-alternativen-antriebstechnologien-im-2-quartal-2016-stabil/
Eine Alternative zum Hybrid ist derzeit eigentlich nur Tesla mit Reichweiten von 300 bis 400 km, aber in einem Preissegment, dass für die meisten nicht leistbar ist. Wenn Opel im kommenden Jahr den Ampera-e auf den Markt bringt und die versprochenen 500 km halten kann, kann sich die Situation aber schnell ändern. Dann werden andere Hersteller sicher schnell nachziehen. Insbesondere VW ist ja nach dem Dieselskandal im Zugzwang.
mundomejor
Der Individualverkehr muss aus den Städten verschwinden, ob elektrisch oder nicht. Erst dann können wieder menschliche Lebensräume entstehen. Allein die Ressourcen- und Platzverschwendung für jede Art der Herum-Stehzeuge ist enorm. Nachweislich wird ein KFZ nur eine Stunde pro Tag benötigt. Nachweislich liegen die gefahrenen Strecken in Städten bei 80% aller Fahrten deutlich unter 5km. Wozu also dann der Unsinn des Individualverkehrs? Es scheint auch kaum jemanden zu interessieren, dass wegen des Ressourcenverbrauchs und der daraus resultierenden enormen Schadstoffmengen, unser Lebensraumgarant namens Erde vor dem Kollaps steht! Extraktivismus sogenannter notwendiger Rohstoffe tötet schon jetzt täglich viele Menschen im globalen Süden. Verantwortbar ist es nicht einen Tag länger!
Senza Parole
Interessant.
HB setzt, vernünftigerweise, auf den Umweltverbund.
HH wieder auf das Auto. Dort hat man nicht begriffen, dass auch E Autos genau soviel Platz brauchen wie konventionell betriebene und schließlich ist der enorme Platzverbrauch in der Stadt neben den Abgasen das größte Manko von Kfz.
Wenn die E Autos in HH dann auch noch mit Kohlestrom aus Moorburg betrieben werden, bekommt die ehemalige Umwelthauptstadt mal wieder ein Sternchen.....
Eckhard Fröbel
Ich verstehe das nicht. Betankt ihr eure Autos auf der Strasse vor eurer Wohnung mit einer Pipette? Es sollten an Tankstellen Schnell-ladestationen bereitstehen, die dem Elektroauto in 5 Minuten die Energie für 500km einverleiben. Moderne Batterien geben das her...Der Strom muss auch nicht umsonst sein. Man kann damit gleichzeitig die Batterie abbezahlen.
Martin Froese
Leider geben moderne Batterien das nicht her...
Ich persönlich lade mein Elektroauto mit einem Kabel vor meinem Reihenhaus in der Innenstadt und ich empfinde es als mittlerweile schwer vorstellbar, dass ich zum "tanken" irgendwo hinfahren soll. Die Denkweise hat sich während der Nutzung bei mit gedreht.