piwik no script img

Kommentar Grüne „Pädo-Aufarbeitung“Von der Theorie zur Praxis

Nina Apin
Kommentar von Nina Apin

Bei der Aufarbeitung sexualisierter Gewalt gehen die Grünen den Schritt von der Theorie zur Praxis: Sie wenden sich den Opfern zu. Das ist konsequent.

Die Berliner Grünen gehen weiter als der Rest der Partei: Pressekonferenz am 20. Mai. Bild: dpa

D er Berliner Landesverband der Grünen hat eine Ombudsstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt eingerichtet. Außerdem stellt man allen, die „im institutionellen Verantwortungszusammenhang“ der Partei Opfer geworden sind, Anerkennungszahlungen in Aussicht. Und man fordert seit Mittwoch explizit auch Betroffene, die damals in den 80er und 90er Jahren im Umfeld der linksalternativen Szene Leid erfahren haben, dazu auf, sich zu melden. Um ihnen zuzuhören und Hilfe anzubieten.

Mit dem, was sie am Mittwoch auf einer Pressekonferenz zur „Pädo-Aufarbeitung“ angekündigt haben, sind die Berliner Grünen einen Schritt weiter gegangen als der Rest der Partei. Sie streiten nicht länger über Positionspapiere, Diskursfäden und Institutionenverantwortung. Sondern strecken denen die Hand aus, die vielleicht nicht vom Kreuzberger Grünenmitglied in einem Parteiraum missbraucht wurden – sondern von einem alternativ daherkommenden „Kinderrechtler“ in einem Jugendfreizeittreff.

Dieser Schritt weg von der Theorie der Verantwortlichkeit hin zur konkreten Praxis einer Opferzugewandtheit ist nur konsequent. Denn er folgt den zentralen Erkenntnissen aus dem Berliner Bericht: Darin ist nicht nur von grünen Pädophilie-Diskursen die Rede und davon, wie sie ihren Weg in die verschiedenen Parteiebenen und Gremien fanden. Sondern auch von belegten, strafrechtlich geahndeten sexuellen Übergriffen auf Kinder, begangen durch Pädolobbyisten mit grünem Parteibuch.

Die von den Grünen lange vertretene Haltung, man sei nicht „Ort der Täter“ gewesen, ist schon lange unhaltbar. Dass die Berliner jetzt bereit sind, eine weitreichende Mitverantwortung für das ihnen verwandte und von ihnen mitgeprägte „alternative Milieu“ übernimmt, ist ein ermutigendes Signal Richtung Bundesverband.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die Opfer sind die Zeitzeugen, die am authentischsten darüber berichten können, was geschehen ist. Und wer da welche Rolle gespielt hat.

    Erst wenn man sie angehört hat, kann entschieden werden, wie und wo weiter untersucht werden sollte.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Dass die Berliner jetzt bereit sind, eine weitreichende Mitverantwortung für das ihnen verwandte und von ihnen mitgeprägte „alternative Milieu“ übernimmt, ist ein ermutigendes Signal Richtung Bundesverband.

     

    Es bleibt ihnen ja wohl nichts anderes übrig.