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Kommentar Gipfeltreffen in KoreaDie Kälte atomarer Realpolitik

Martin Fritz
Kommentar von Martin Fritz

Das Ende des Kalten Krieges in Korea ist ein hehres Ziel. Aber wenn nukleare Aufrüstung zum Erfolg führt, ist das ein fatales Signal in Richtung Iran.

Historisches Treffen: Moon Jae-in (l.) und Kim Jong Un Foto: reuters

D er innerkoreanische Gipfel am Grenzort Panmunjom hat viele starke Bilder geliefert, die die Herzen nicht nur vieler Koreaner bewegt haben dürften. Die Führer von Nord- und Südkorea im ernsthaften Zwiegespräch auf einer Parkbank, fast wie Vater und Sohn – dieses Bild wird man so nicht schnell vergessen. Auch den hohen politischen Erwartungen ist die Begegnung zwischen Moon Jae In und Kim Jong Un am Freitag gerecht geworden: Die beiden Staaten haben regelmäßige Gespräche über militärische Entspannung vereinbart. Vor allem hat Kim wie erhofft die Ziele einer vollständigen Denuklearisierung und einer schrittweisen Abrüstung bestätigt.

Ganz überraschend kommt das allerdings nicht: Denn Kim hat die Verhandlungen mit Südkorea in der Absicht geführt, ein Gespräch mit den USA zu erreichen. Die Belohnung für den guten Ausgang dieses Korea-Gipfels ist das demnächst geplante Treffen mit US-Präsident Donald Trump. Die wahre Nagelprobe für die Kompromissbereitschaft des jungen Führers kommt daher erst später.

Aber man sollte diese historische Chance auf ein Ende des Kalten Krieges in Korea auch nicht kleinreden. Jeder Schritt aufeinander zu ist ein Schritt weg vom Abgrund des Krieges. Am 38. Breitengrad stehen sich zwei bis an die Zähne bewaffnete Bruderstaaten gegenüber. Ein neuer Konflikt würde Millionen von Menschen töten.

Nach 65 Jahren Eiszeit könnte für die beiden Koreas nun eine Zeit anbrechen, wie sie das geteilte Europa in den 1970ern erlebt hat. Damals wurde durch die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit das Misstrauen zwischen Ost und West abgebaut. In Korea ist der Graben noch viel tiefer: Es gibt keine regelmäßigen staatlichen Kontakte, keine privaten Besuche und Telefonate, nicht einmal Briefverkehr. Eine Normalisierung brächte enorme Fortschritte.

Nur wer die Bombe besitzt, gewinnt an Ansehen und Macht – das ist die Lehre, die jeder skrupellose Staatschef aus dem Beispiel Nordkorea ziehen wird

Das Kernproblem ist allerdings, dass Nordkorea mit Denuklearisierung etwas anderes meint als seine Nachbarn und die USA. Präsident Trump stellt sich einen Tausch der Atomwaffen gegen einen Friedensvertrag vor. Aber die Beispiele Irak und Libyen haben Nordkorea gezeigt, dass eine Sicherheitsgarantie der USA nicht viel wert ist. Atomraketen sieht das Kim-Regime als beste Lebensversicherung und zusätzliches Erpressungspotenzial.

Nüchtern betrachtet hat Nordkoreas Nuklearrüstung die jetzige Gipfeldiplomatie überhaupt erst ermöglicht: Die USA lassen sich nur auf Gespräche ein, weil man sich durch die Atomraketen bedroht fühlt wie nie zuvor. Kim wird seine Bomben lieben – sie haben ihm verschlossene Türen geöffnet und aus einem Paria einen gefragten Gesprächspartner gemacht. Dank dieser Waffen kann Kim auch seine Gegner gegeneinander ausspielen. Den USA könnte er zum Beispiel anbieten, seine Langstreckenraketen zu verschrotten, falls er ein paar Atomwaffen behalten darf. Das wäre für die USA attraktiv, aber für deren Partner Südkorea und Japan unerträglich. Ohne seine Atomraketen wäre Kim auf der Weltbühne nur ein Statist.

taz am wochenende

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Die Kälte dieser nuklearen Realpolitik ist das eigentlich Bedrückende an der Entwicklung in Korea. Nur wer die Bombe besitzt, ist unangreifbar und gewinnt an Ansehen und Macht – das ist die Lehre, die jeder skrupellose Staatschef aus dem Beispiel Nordkorea ziehen wird. Der Iran wird Donald Trump dankbar sein, falls die USA aus dem Atom-Deal aussteigen. Sollte das Mullah-Regime sich Atomraketen verschaffen können, käme es aus seiner Sicht endlich auf Augenhöhe zu Israel.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Kim für seine Atomrüstung nicht belohnt werden darf. Der junge Diktator wähnt sich in einer Position der Stärke und fühlt sich der Supermacht USA ebenbürtig. Ihm diese Illusion zu nehmen, ist die eigentliche Herausforderung für die nächsten Gipfeltreffen. Der sprunghafte Trump wird dies nicht schaffen, aber Südkoreas Präsident Moon könnte die nötige Geduld und Überzeugungskraft dafür aufbringen.

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Martin Fritz
Auslandskorrespondent Japan/Südkorea
Volontariat beim NDR. War Hörfunk-Korrespondent in Berlin während der deutschen Einheit. Danach fünf Jahre als Südasien-Korrespondent in Neu-Delhi. Berichtet seit 2001 aus Tokio über Japan und beide Koreas.
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15 Kommentare

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  • Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion befand sich auf dem Gebiet der Ukraine das 3. größte Atomwaffenarsenal der Welt. Die Ukraine hat diese Atomwaffen gegen die Garantie ihrer territorialen Integrität (Budapester Memorandum) eingetauscht und die Atomwaffen an Rußland abgegegeben. Rußland - eine der Garantiemächte des Budapester Memorandums hat die Krim annektiert und schürt einen Krieg niedriger Intensität mit der Ukraine. Die Welt darf deshalb so lange nicht auf nukleare Abrüszung hoffen wie sie Rußland nicht zwingt seine Verpflichtungen aus dem Budapester Memorandum einzuhalten. Die Lektion für jeden Diktator ist nämlich bis jetzt ganz einfach: Garantien der Nuklearmächte sind nichts wert! Atomwaffen hingegen verleihen außenpolitischen Respekt und Sicherheit!

  • „Nur wer die Bombe besitzt, gewinnt an Ansehen und Macht – das ist die Lehre, die jeder skrupellose Staatschef aus dem Beispiel Nordkorea ziehen wird“

     

    Diese „Lehre“ lässt sich sogar noch kürzer formulieren: „ERPRESSUNG LOHNT SICH“!

  • Warum bitte schön soll das ein fatales Signal sein? Nach meiner Wahrnehmung sind heute Atomwaffen wichtiger denn je um angenommen zu sein und ich finde sie sollten nicht in wenigen Händen konzentriert sein. Warum sollten gerade die westliche Möchte sie besitzen? Hat nicht gerade der vor kurzem erfolgte Luftschlag auf Syrien gezeigt wie deren Politik funktioniert. Ich finde, trotz aller Propaganda, Kim vertrauenswürdiger als Trump und all die anderen, zum Beispiel auch Moon. Wenn wir eine Atomwaffenfreie Welt wollen, dann müssen alle abrüsten! Dafür setze ich mich ein! Solange dem aber nicht so ist und so lange die kleinen, schwachen schnell zum Spielball der mächtigen großen werden oder schon lange sind, sind Atomwaffen ihre einzige Chance erst genommen zu werden. Sonst geht es ihnen schnell wie der Ukraine, wie Syrien, dem Irak, ... Oder glaubt hier einer der Iran oder Nord Korea würden noch als souveräne Staaten existieren, wenn sie nicht potentiell bzw. real Atomwaffen besäßen. Ich kenne Menschen aus beiden Staaten und es spricht vieles dafür, dass es ihnen im Bezug auf Freiheit und Lebensstandard nicht schlechter geht als den oben genannten Staaten, mit beständigen Bürger- bzw. Stellvertreterkriegen. Bitte um einen Blick über den Tellerrand ständiger Propaganda und westlichen Hochmuts!

    • @TobiasK:

      Der Iran ist aber kein kleines, schwaches Land, sonder gehört zu den 20 bevölkerungsreichsten Staaten der Welt.

       

      Außerdem wird der Iran inzwischen seit 39 Jahren von den Mullahs regiert. Die hatten lange weder praktisch noch theoretisch die Möglichkeit die Nuklearkarte zu spielen. Wo sind die in den letzten 20 Jahren in ihrer Souveränität bedroht worden?

      • @Sven Günther:

        "Wo sind die in den letzten 20 Jahren in ihrer Souveränität bedroht worden?"

         

        Durch immer mal wiederkehrende Angriffsdrohungen der USA? Nur so als Beispiel.

         

        PS: Heute kämpft man nicht mehr mit Keulen. Bevölkerungsreichtum ist nicht gleich Stärke.

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Sah der Irak auch so, bis die Basidsch-e Mostaz'afindie die irakische Armee mit Wellen von Menschen zum stehen gebracht haben. Teils zwar mit hohen Verlusten aber sie haben es geschafft.

           

          Die Taktik der Iraner hieß ja nicht umsomst menschliche Welle. Und natürlich hat es etwas mit der Größe der Bevölkerung zu tun wie hoch die eigenen Verluste sein können.

          • @Sven Günther:

            Sie vergessen, dass der Irak technisch auch nicht zur Spitzenklasse gehörte. Dazu kommt, dass sich in den letzten Jahrzehnten das Militärwesen stark verändert hat. Der Iran ist auch längst seine Taktiken verändert. Zumal der Einsatz von "Masse" auch damals schon nur eine Notlösung war.

      • @Sven Günther:

        Iran hat einen Nuklearvertrag mit den USA und anderen Nationen geschlossen, der unter Vorwänden von diesen Nationen nicht eingehalten wird. Jetzt soll sogar Druck auf den Iran ausgeübt werden. Er wird wieder als Terrorstaat gebrandmarkt, und man muß sich nicht wundern, wenn er demnächst wieder angegriffen wird. Was hat ihm der Verzicht auf die Kernwaffen gebracht?

        • @Martin_25:

          Vieles für die iranische Führung wichtiges. Zu erst einmal Zeit, dann eine Stärkung der Wirtschaftskraft, durch die Lockerung der Sanktionen und wieder Zugriff auf erhebliche Finanzmittel, die vorher eingefroren waren und jetzt nach Syrien, den Libanon und in den Jemen fließen.

    • @TobiasK:

      Bitte mal wieder auf den Boden der Realität landen! Es geht um Atomwaffen und deren möglicherweise verheerenden Auswirkungen! Die großen werden niemals ihre Waffen aufgeben. Es ist naiv zu Denken eine atomwaffenfreie Welt sei möglich. Es ist nun mal so wie es ist. Das mag nicht glücklich machen... aber immer noch besser als das sich die Länder Hinz und Kunz sich mit Atomwaffen aufrüsten. Denn dann kommt es unweigerlich zu atomaren Kriegen. Ist es das TOBIASK was Sie wollen?

    • @TobiasK:

      Ist dies wirklich ihr ernst?

       

      Ist ihnen klar was eine detonierende Atombombe anrichtet?

       

      Selbstverständlich muß das Ziel eine atomwaffenfreie Welt sein.

       

      Leider leben wir nicht im "ich wünsch mir was Land"; sondern sehen uns mit der brutalen Realität konfrontiert:

      immer mehr "Mittelmächte" wollen die A-Bombe in der Hoffnung auf Einflußgewinn.

       

      Also bleibt es an den Großmächten USA, Russland und China hängen.

       

      Ganz egal was man von diesen Atommächten im einzelnen auch halten mag: sie sind die einzigen mit genug Autorität um andere Länder von nuklearer Aufrüstung abzuhalten.

       

      Und genau dies ist aktuell der Knackpunkt: es geht nicht darum abzurüsten; es geht darum dafür zu sorgen, daß diese g***verda**ten A-Bomben nicht noch weiteren Akteuren zur Verfügung stehen!

       

      Btw: "Ich finde, trotz aller Propaganda, Kim vertrauenswürdiger als Trump..."

       

      Trump ist der gewählte Präsident der USA. Er ist - völlig zu Recht- sehr umstritten. Auch die aktuelle und vergangene Politik der USA ist - völlig zu Recht- umstritten.

       

      Völlig unstrittig ist hingegen die Tatsache, daß sich das Kim Regime schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hat. Und sie vertrauen diesen Typen soweit, daß sie ihm Atomwaffen wünschen? Damit er sich gegen den bösen Tyrannen USA behaupten kann? Gehts noch?

  • *Aber die Beispiele Irak und Libyen haben Nordkorea gezeigt, dass eine Sicherheitsgarantie der USA nicht viel wert ist. Atomraketen sieht das Kim-Regime als beste Lebensversicherung und zusätzliches Erpressungspotenzial.* *Der Iran wird Donald Trump dankbar sein, falls die USA aus dem Atom-Deal aussteigen. Sollte das Mullah-Regime sich Atomraketen verschaffen können, käme es aus seiner Sicht endlich auf Augenhöhe zu Israel.**Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Kim für seine Atomrüstung nicht belohnt werden darf.*

    Kann man aus diesen Aussagen schließen, dass der Iran sich also nicht atomar bewaffnen soll (obwohl er von Atomstaaten umzingelt ist, die da wären Russland, Indien Pakistan China und Israel), und darauf warten soll bis die USA und die Nato das Land in die Steinzeit zurückbomben. Also da gestehe ich dem Iran doch lieber Atomwaffen zu, da in dieser Welt scheinbar nur die Atomare Abschreckung politische Gegner an den Verhandlungstisch zwingt, Weis sie schon richt festgestellt, sind Versprechen und Sicherheitsgarantien der USA und des Westens nicht mal das Papier wert, auf dem diese geschrieben wurden.

  • "Nur wer die Bombe besitzt, ist unangreifbar und gewinnt an Ansehen und Macht – das ist die Lehre, die jeder skrupellose Staatschef aus dem Beispiel Nordkorea ziehen wird."

     

    Ist das so neu? Nach diesem Muster haben alle Staaten gehandelt, die sich bisher die Bombe angeschafft haben. In gewisser Weise ist das diesen Staaten auch nicht zu verdenken solange andere die Bombe haben. Es ist ein Teufelskreis, der nur durchbrochen werden könnte, wenn die bisherigen Atommächte endlich ihrer Verpflichtung aus dem Atomwaffensperrvertrag nachkämen und selber abrüsten würden. Dort liegt im Endeffekt der schwarze Peter.

  • Völlig falsche Einschätzung meiner Meinung nach.

     

    Ja, Nordkorea ist Atommacht (an alle Regierungen der Welt die seit 1991 nichts getan haben um dies zu verhindern: Danke dafür!)

     

    Sollte sich aber Nordkorea erhofft haben als Atommacht irgendwie eine bessere Verhandlungsposition zu haben so ging dies gründlich nach hinten los.

     

    Die USA unter Trump haben, mit Hilfe von China und Russland, solch strikte Sanktionen verhängt (und wichtiger: sie setzen sie auch durch!), daß das Kim Regime über kurz oder lang darüber zusammenbrechen wird.

     

    Aus diesem Grund, und aus diesem Grund allein ist Kim zu Gesprächen bereit.

     

    Die A-Bombe ist für das Kim Regime zu nichts anderen als ein Klotz am Bein geworden.

     

    Der Iran und andere potenzielle "A-Bombensympathisanten" werden gewiss ganz genau schauen wie es Nordkorea ergeht (nämlich: atomar bewaffnet aber pleite).

     

    Ganz egal was man nun von Trump hält aber zu seiner bisherigen Nordkoreapolitik kann man nur folgendes sagen: Well done, Mr. President!

  • Ich verstehe die Intention des Verfassers nicht und finde seine Argumentation ziemlich wirr. Frieden ist erstrebenswert, Korea rückt ein Stück vom Abgrund weg, aber Kim darf auf keinen Fall belohnt werden? Bedeutet, das Regime soll abrüsten, auf seine Atomwaffen verzichten, das Land öffnen und schön brav werden ohne irgendeine Form der Gegenleistung? Warum um alles in der Welt sollte sich jemand, der seinen Verstand halbwegs beisammen hat, auf einen derart abstrusen „Handel“ einlassen? Entweder man akzeptiert das Regime als Verhandlungspartner, dann muss man etwas bieten, oder man akzeptiert es nicht - und muss dann eben mit dem permanenten Risiko der Eskalation leben. Wenn man letzteres auf keinen Fall möchte - was beim Verfasser des Kommentars der Fall zu sein scheint - dann wird man sich wohl zu ersterem bequemen müssen!?