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Kommentar Frauen in EU-SpitzenpostenDas neue Normal

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Von der Leyen, Lagarde, Vestager – dass diese drei Politikerinnen EU-Topjobs kriegen könnten, überrascht nicht. Sie verkörpern etwas Rares: Format.

Muss sie sich am Ende anhören, dass sie nur auf dem Posten ist, weil sie XX-Chromosomensätze hat? Foto: dpa

Europa spricht nicht nur über Frauen – Europa wählt Frauen.“ Diesen ungewollt toxischen Satz hat der Politiker Donald Tusk ausgesprochen. Der EU-Ratspräsident meinte in Brüssel jenes Personalpaket verteidigen zu müssen, das die Staats- und Regierungschefs am Ende nervenzerfetzender Verhandlungen ausbaldowert hatten.

Demnach soll die Deutsche Ursula von der Leyen Kommissionspräsidentin werden, die Französin Christine Lagarde würde die Europäische Zentralbank führen. Und wenn alles klappt, könnte die bisherige Wettbewerbskommissarin, die liberale Dänin Margrethe Vestager, Vizekommissionspräsidentin werden. Das wären dann drei Frauen in Europas Top-Positionen. Das ist nichts weniger als: das neue Normal.

Nach dem ganzen Hickhack wirkt Donald Tusks Lob auf die Frauen natürlich wohlfeil. Seht her, wir haben wenigstens was für die Quote getan. Das ist für euch, Ladies! Es ist ein schales Lob, das von interessierter Seite ab dem Tag ihres möglichen Amtsantritts permanent gegen ebendiese Frauen gerichtet werden wird. Ursula von der Leyen und Christine Lagarde werden schon jetzt als Trümmerfrauen präsentiert, die erst mal das Blut, den Schweiß und die ausgeschlagenen Schneidezähne der Brüsseler Kombattanten wegputzen dürfen. Und anschließend können sie sich anhören, dass sie ja nur auf ihren Posten sind, weil sie über XX-Chromosomensätze verfügen.

Die ganze Leier ist dermaßen ermüdend destruktiv. Dabei sind die machtbewussten Frauen in den Parlamenten letztlich nur ein freundlicher Hinweis auf das, was in Zukunft auf Leute wie Orbán, Salvini und Gauland zukommt. Diese Frauen sind schließlich längst jemand. Sie sind vernetzt, fleißig und, ja: machtbewusst mit allen hässlichen Konsequenzen, die derlei Jobs innewohnen. Sie sorgen dafür, dass der Laden läuft, und kümmern sich nicht darum, ob ihnen jemand dabei zuguckt. Leistung, und zwar hundertfünfzigprozentige, ist ihnen so selbstverständlich, dass sie darüber oft vergessen, nach getaner Arbeit lautstark über sie zu reden.

Politik von Frauen ist nicht automatisch besser

Ein weiterer Unterschied: Diese Politikerinnen sind in ihrem Tun loyal und fangen nicht an zu pöbeln, wenn es mal nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben. Die Dänin Vestager hätte schon als gute Verliererin gegolten, wenn sie am Ende des Posten-Powwows einfach nichts gesagt hätte. Stattdessen twitterte sie am Mittwochmorgen ein Foto mit Blumen samt der Bemerkung, sie sei froh zu sehen, dass mit Ursula von der Leyen erstmals eine Frau als Kommissionspräsidentin nominiert ist. „This is great!“ Das hatte Stil.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Nun kann man einwenden, dass die Deutschen, die am 26. Mai bei der Europäischen Volkspartei ihr Kreuzchen gemacht haben, keineswegs ihre Verteidigungsministerin als Kommissionspräsidentin im Auge hatten. Schließlich sah das bei seiner ersten harten Probe gescheiterte Spitzenkandidaten-Modell den Manfred Weber vor. Aber das hat bekanntlich nicht funktioniert. Die Jungs aus der Visegrád-Gruppe meinten, Merkel, Weber und Timmermans einen Denkzettel verpassen zu können. Das Ergebnis ist bekannt: Merkel wird – wenn alles klappt – eine ihrer profiliertesten Gefolgsfrauen an entscheidender Stelle installieren können.

Eine eher traurige Pointe der neuen weiblichen Normalität ist, dass auch Politikerinnen und Parteien von ihr profitieren, die gleichstellungspolitisch hinter dem Mond leben oder gern dorthin zurückkehren würden. Es sind Frauen wie Marine Le Pen vom Front National oder die frühere EU-Abgeordnete Beatrix von Storch.

Ohne das zähe Beharren ihrer Vorgängerinnen wäre für deren Parteifreunde noch immer Politik ganz ohne sichtbare Frauen denkbar. Es ist also mitnichten so, dass von Frauen gemachte Politik automatisch bessere Politik wäre. Aber so argumentativ kurz springen ja mittlerweile auch nur noch jene, die Frauen als Hindernisse auf dem Weg zu eigenem politischem Glanz verstehen.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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20 Kommentare

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  • Vor Jahrzehnten erheiterte ich mich über ein paar reifere Damen, die in einer ZDF Straßen Umfrage Björn Engholm nur wählen wollten, weil er so gut aussah. Dreißig Jahre später soll VdL Kommissionspräsidentin werden, warum? Die is doch ne Frau. Ein halbes Jahrhundert der politischen Bildung für den Orkus.

    • @Weidle Stefan:

      Eben - ooch keene Petitesse. Newahr. Nö. Normal nich.

      Das nenn ich doch mal des frühe Wort zum Sonntag. Björn - die Dunhillpfeife!



      Ja lebt denn der alte Holzmichel noch?

      “Björn Engholm? Das hört sich doch an:



      Wie 'n Ikea-Klappstuhl. Das wird doch wieder nix!“ - stands damals in der taz?



      Eh’s - “mein Ehrenwort“ - barschelte!



      Aber sowas von voll. Wollnichwoll.



      &



      Die Stern-Reporter den in der schwyzer Badewanne in Genf am See fanden:



      “Weil‘se Chaiselongue nicht schreiben konnten!“ Harry Rowohlt in memoriam



      &



      Der feine Herr MP - im Läuse-Hotel* an der Puppenbrücke zu Lübeck sich das Pfeiffersche Drüsenfieber infizierte - wa! 👹

      unterm—-* Volkers 👄



      Vulgo einst - Lysia-Hotel - gleich neben dem “Kahn“ mit - wie passend - Gelle:



      Sonntags - “Ball der einsamen Herzen“



      Tanztee 😎. Liggers. 'Da simmer dabei.'



      &



      upload.wikimedia.o...we-Bild-7734-1.jpg



      &



      de.wikipedia.org/wiki/Reiner_Pfeiffer & “LÜGT dir deine Meinung“



      “VOR 28 JAHREN LÖSTE REINER PFEIFFER DIE BARSCHEL-AFFÄRE AUS



      Der Mann fürs Grobe ist tot“



      Vor 28 Jahren löste er die Barschel-Affäre aus, mit seinem dunklen Machtspiel stürzte Reiner Pfeiffer zwei Ministerpräsidenten. Nun ist der geheimnisumwobene Medienberater tot!



      www.bild.de/politi...42287376.bild.html



      &



      “Björn Engholms Rücktritt vor 25 Jahren



      Untergang an der Waterkant

      Als Lichtgestalt der SPD hatte er gute Chancen, Kanzler Helmut Kohl abzulösen. Dann holte ihn eine Lüge aus der Barschel-Affäre ein - vor 25 Jahren legte Björn Engholm seine politischen Ämter nieder.“



      Engholms Rücktritt: Schubladen voller Geld - Triumph und Sturz



      www.spiegel.de/ein...rat-a-1205133.html

      Tja - Wie sagt doch Echo by Oskar Wilde - “War Narziss denn schön?“

      Liggers. Ooch dumm gelaufen - wa! 😈

      ——



      oedipus-online.de/...ythos-von-narziss/

      • @Lowandorder:

        Tja - by heart - kann schon mal täuschen. Liggers.

        Nicht Echo fragt's - nein - die Quelle - the pool - listen:

        The Disciple

        When Narcissus died, the pool of his pleasure changed from a cup of sweet waters into a cup of salt tears, and the Oreads came weeping through the woodland that they might sing to the pool and give it comfort.

        And when they saw that the pool had changed from a cup of sweet water into a cup of salt tears, they loosened the green tresses of their hair and said, “We do not wonder that you should mourn in this manner for Narcissus, so beautiful was he.”

        “But was Narcissus beautiful?” said the pool.

        “Who should know better than you?” asked the Oreads. “Us did he ever pass by, but you sought he for, and would lie on your banks and look down at you, and in the mirror of your waters he would mirror his own beauty.”

        And the pool answered, “But I loved Narcissus because, as he lay on my banks and looked down at me, in the mirror of his eyes I saw ever my own beauty mirrored.”

        – Oscar Wilde (Noted 11/3/77)

        lyndalbreen.wordpr...issus-oscar-wilde/

        -------deutsche Übs. -



        www.besuche-oscar-..._prosa/schuler.htm

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Lowandorder:

          Was ich schon immer fragen wollte, aber mich nie zu trauen wagte: bekommen Sie hier Zeilengeld?

          Davon ab: als - doppelt - alter Oscar Wilde - Fan schankedön für die geistige Nonntagssahrung. Der Tag nimmt Fahrt auf.

          Ps. Kinder, was die Zeit verge

          • @76530 (Profil gelöscht):

            Zeilengeld^¿* - Mach Bosse.

            War nie ein Pfennigfuchser.



            Aber früh unter Nase&Haaransatz -



            Wiewohl Langstreckler -



            Schnell zu Fuß. 😈

            • 7G
              76530 (Profil gelöscht)
              @Lowandorder:

              Schadé, dass wir zu unterschiedlichen Zeiten am Oberlauf der Lahn verweilten. The old Säntimäntl.

  • Wenigstens klappt die EU - Strategie wieder in einem Punkte.

    Frau Maier erwähnt Frau Legarde, als hätte die Europäische Zentralbank irgendetwas mit wenigstens halbwegs demokratisch zustandegekommenen EU - Posten zu tun. Hat sie aber nicht.



    Die europäische Zentralbank ist eine unabhängige Bank der Währungsunion, auf die kein Wähler irgendeinen Einfluß hat. Sie gilt zwar offiziell als EU-Organ, aber außer dem Rat und den Wirtschafts- und Finanzministern der Eurostaaten kann da keiner was aus dem EU - Parlament zu sagen. Freundlicherweise kann der EU Rat die entsprechende Ausschüße des Parlamentes anhöhren, aber mehr auch nicht.



    Wenn die EZB mal wieder einen Staat aus der Eurozone platt machen will, kann die das ohne irgendwelche demokratische Legitimation machen.



    Ob das jetzt so toll ist, dass eine Frau in einer solchen Position sitzt?

  • "Leistung, und zwar hundertfünfzigprozentige, ist ihnen so selbstverständlich ..."

    Ja ja, schöner Gedanke. Wenn dem wirklich so ist, wäre die Gorch Fock II möglicher Weise schon wieder unter Segeln ...

    Die ernüchternde Warheit ist aber, egal ob



    XX oder XY Chromosomensätze im Spiel sind. Mehr wie einhundert Prozent geht nicht.



    Alles darüber ist ihre Phantasie.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Das neue Normal wäre schön, wenn es nicht ausgerechnet diese wären ,mit dem L im Namen.



    Das ist eine Schande für das weibliche Geschlecht.



    Flintenuschi als Vorbild? Largarde mit ihrem Millionendeal?



    Hauptsache Frau und schon wird es beklatscht.



    GEHTS NOCH?

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Gehts selber noch? / „Flintenuschi“?

      „Flintenweiber ist Sprache des Nationalsozialismus. commons.m.wikimedi..._jüdische_Frau.jpg : „Jüdisches Flintenweib als Anführerin gemeiner Mordbanditen“

  • Schöner Kommentar, vielen Dank dafür.

  • Wahnsinnig witzig, eine völlig unfähige Bundespolitikerin, in allen bisherigen Resorts und dass trotz unzähliger Berater, als Bereicherung für das EU Parlament zu zeichnen ist schon peinlich. Aber wenigstens mit Lobbyismus Hörigkeit kennt sich die Flinten Uschi super aus, was wohl auch die Osteuropäischen Länder bewogen hat sich auf diese Personalie einzulassen, was aus meiner Sicht schon fast ein No Go Kriterium wäre. Die Festung Europa ist damit schon in Sichtweite. Ich kann gar nicht so viel essen wie ich kotzen könnte!

  • Wie aus dem Lehrbuch für Demagogie.

  • oje. uns´ Ursel und Format - da fällt mir nur das Format A6 ein, Postkarte.



    Und "machtbewusst"?? Wenn Ursula machtbewusst gewesen wäre, dann hätte sie aus ihrem Posten als Verteidigungsmnisterin etwas gemacht. hat sie aber nicht und sie ist es nicht. Im Gegenteil: sie ist eine Jasagerin und hört auf Merkel. Ihre Posten bekommt sie nur, weil sie noch unfähiger ist als Merkel und deswegen keine Gefahr für sie darstellt. Und genau deswegen unterstützen Orban usw. sie auch, weil sie wissen dass das nichts werden kann und damit ihr eigenes Gewicht in der EU steigen wird. Ich würde mir wünschen, dass die Autorin mal versucht die Wirklichkeit zu sehen, und nicht Wunschvorstellungen zu erträumen und dann mit der Realität zu verwechseln.

  • Format???

    Bei Frau Lagarde und Frau Vestager geht das OK.

    Aber bei vdL?

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @warum_denkt_keiner_nach?:

      Sie wissen doch: Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Und bei CDU und Merkel-Fans halt dort. Sie kennen die Vorlieben von Fliegen?

      Für mich wären alle drei zusammen, gerne ergänzt durch die üblichen VerdächtigInnen eine prima Crew für One-way-tickets-to-the-moon.

      Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

      • @76530 (Profil gelöscht):

        @WARUM_DENKT_KEINER_NACH? & @WOLFGANG LEIBERG

        Kann es sein, dass bei zwei weißen Kartoffeln die Verarbeitung des Begriffs „Format“ auf Äußerlichkeiten reduziert haben?

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Noch zu früh für das erste heutige Scherzkeks. Der Kaffee ist noch nicht aufgebrüht. Vielleicht später ...

    • @76530 (Profil gelöscht):

      Ja da schau her. Einer geht noch! 😎

      Unzeige - “Maier Sport - Quadratisch Praktisch - …ack. 👹 Gelle.



      &



      Schlimmer^?^ - Aber immer. 🤮 🤮 🤮

      Ende der Werbeeinblendung 😈

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Ich rieb mir zuerst die schon etwas alterstrüben Äuglein, suchte vergeblich den Hinweis "Wahrheit".

        Nein, es scheint wirklich ernst gemeint zu sein. Mehr: n.n.