Kommentar Flugzeugabsturz: Putins Paranoia
Vor einer Woche stürzte der Airbus 321 über dem Sinai ab. Warum fürchtet sich der Kreml, sich die Ursache der Flugzeugkatastrophe einzugestehen?
A uch Russland stoppt nun aus Sicherheitsgründen sämtliche Flüge nach Ägypten. Dennoch will dem Kreml das Wort Terror für die Opfer des abgestürzten russischen Airbus 321 nicht über die Lippen. Ein tragisches Ereignis, das von einer tragikomischen Performance der Leitzentrale begleitet wird. Warum fürchtet sich der Kreml so sehr, die Ursache der Flugzeugkatastrophe einzugestehen?
Innenpolitisch hat Russlands Präsident Wladimir Putin nichts zu befürchten. Er versprach dem Volk, dass es sich nach der Schmach des kommunistischen Abgesangs wieder „von den Knien erheben“ könne. Und es steht – wie immer eigentlich aufrecht, nur wirkt es etwas benommen, als hätte es sich beim Aufstehen den Kopf gestoßen.
Von innen droht dem Kreml deshalb keine Gefahr. Auch die Empathie für die Terroropfer im Lande hielt sich in Grenzen. Russlands schlimmste Flugzeugkatastrophe der Geschichte wurde einen Tag staatlich betrauert. Nichts kann die Menschen zurzeit aus dem nationalen Nirwana zurückholen.
Daher verblüfft die Paranoia der Führung. Dämmert ihr, dass sie sich in Syrien verrechnet haben könnte? Für die Propagandisten wäre es ein Leichtes, Terroranschlag und IS-Bedrohung in das Bild der belagerten Trutzburg Russland einzufügen. Nur müsste der Kreml dann der eigenen Logik folgend mit aller Härte gegen den Islamischen Staat vorgehen und dürfte sich nicht mehr mit der Rolle des Assad-Leibwächters begnügen. Es liefe auf eine umfassendere militärische Operation hinaus.
Auch die jüngsten Rückeroberungen von Geländegewinnen der Assad-Armee würden stärkeres Engagement verlangen. Über kurz oder lang wäre Russland wieder in Afghanistan. Das Volk ahnt nichts und wird noch länger träumen. Der Führung schwant indes nichts Gutes. Der IS meint es ernst, auch wenn Moskaus Bomben ihn eher verschonten.
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