Kommentar Flüchtlingsunterbringung: Der Flüchtling, dein Untermieter
Bei der Unterbringung von Flüchtlingen sprechen viele von einer Art Notstand, aber kaum jemand will daraus ganz persönlich die Konsequenzen ziehen.
Kaum ist das Kind ausgezogen, zieht der Flüchtling ins Jugendzimmer? Das kommt für die meisten Menschen nicht in Frage Foto:
dpa
HAMBURG taz | Hamburg wird in diesem Jahr wohl 18.000 Flüchtlinge unterbringen müssen – und das bei einem ohnehin knappen Wohnungsangebot. Es ist zwar richtig, dass die Linke fordert, der Senat solle an allen Ecken und Enden nach belegbarem Wohnraum suchen, aber wenn das Problem so akut ist, wird es wohl kaum durch paar leer stehende Wohnungen bei der Stadt zu lösen sein. Zumal es hier zu Zielkonflikten kommt, etwa zwischen einer kurzfristigen Belegung und dem mittelfristig nötigen Zubau; Zwischenbelegungen könnten Neubauten verzögern.
Es mutet weltfremd an
Die Vorstellung, es ließe sich in der gegenwärtigen Lage auf Containerdörfer verzichten oder es wäre unzumutbar, Flüchtlinge zumindest übergangsweise in einer Lagerhalle unterzubringen, mutet weltfremd an. Die Flüchtlinge werden mit Zumutungen leben müssen, aber auch die HamburgerInnen – und es wäre gut, sie darauf einzustimmen: Sie werden mit fremden Sitten leben müssen, mit baulicher Verdichtung und Einsparungen in anderen Bereichen.
Einfach die Schuldenbremse über Bord zu werfen, ist zu billig. Schließlich ist der Witz daran, in guten Zeiten Überschüsse zu erwirtschaften – und irgendeine „Krise“, die zu Mehrausgaben zwingt, taucht schließlich immer auf. Warum nicht mal an die Opferbereitschaft der Menschen appellieren? Neulich war die schöne Schlagzeile zu lesen: „Wir packen das!“
Wer dürfte ins verwaiste Kinderzimmer?
Würde es ernst mit der Hilfe, klärte sich auch so manche leicht dahingesagte politische Position, etwa die Haltung zum Thema der sicheren Drittstaaten. Im Zweiten Weltkrieg gab es Zwangseinquartierungen. So weit müsste man nicht gehen. Aber wen würden Sie freiwillig in Ihre Ferienwohnung oder das verwaiste Kinderzimmer einziehen lassen: den syrischen Arzt, die Roma-Familie aus Serbien oder den jungen Mann aus Albanien, der hier einen Job sucht?
Kommentar Flüchtlingsunterbringung: Der Flüchtling, dein Untermieter
Bei der Unterbringung von Flüchtlingen sprechen viele von einer Art Notstand, aber kaum jemand will daraus ganz persönlich die Konsequenzen ziehen.
Kaum ist das Kind ausgezogen, zieht der Flüchtling ins Jugendzimmer? Das kommt für die meisten Menschen nicht in Frage Foto: dpa
HAMBURG taz | Hamburg wird in diesem Jahr wohl 18.000 Flüchtlinge unterbringen müssen – und das bei einem ohnehin knappen Wohnungsangebot. Es ist zwar richtig, dass die Linke fordert, der Senat solle an allen Ecken und Enden nach belegbarem Wohnraum suchen, aber wenn das Problem so akut ist, wird es wohl kaum durch paar leer stehende Wohnungen bei der Stadt zu lösen sein. Zumal es hier zu Zielkonflikten kommt, etwa zwischen einer kurzfristigen Belegung und dem mittelfristig nötigen Zubau; Zwischenbelegungen könnten Neubauten verzögern.
Es mutet weltfremd an
Die Vorstellung, es ließe sich in der gegenwärtigen Lage auf Containerdörfer verzichten oder es wäre unzumutbar, Flüchtlinge zumindest übergangsweise in einer Lagerhalle unterzubringen, mutet weltfremd an. Die Flüchtlinge werden mit Zumutungen leben müssen, aber auch die HamburgerInnen – und es wäre gut, sie darauf einzustimmen: Sie werden mit fremden Sitten leben müssen, mit baulicher Verdichtung und Einsparungen in anderen Bereichen.
Einfach die Schuldenbremse über Bord zu werfen, ist zu billig. Schließlich ist der Witz daran, in guten Zeiten Überschüsse zu erwirtschaften – und irgendeine „Krise“, die zu Mehrausgaben zwingt, taucht schließlich immer auf. Warum nicht mal an die Opferbereitschaft der Menschen appellieren? Neulich war die schöne Schlagzeile zu lesen: „Wir packen das!“
Wer dürfte ins verwaiste Kinderzimmer?
Würde es ernst mit der Hilfe, klärte sich auch so manche leicht dahingesagte politische Position, etwa die Haltung zum Thema der sicheren Drittstaaten. Im Zweiten Weltkrieg gab es Zwangseinquartierungen. So weit müsste man nicht gehen. Aber wen würden Sie freiwillig in Ihre Ferienwohnung oder das verwaiste Kinderzimmer einziehen lassen: den syrischen Arzt, die Roma-Familie aus Serbien oder den jungen Mann aus Albanien, der hier einen Job sucht?
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Kommentar von
Gernot Knödler
Hamburg-Redakteur
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