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Eine unendliche Schändlichkeit des reichen MITTELeuropas.
Griechenland, Italien, Spanien, Bulgarien durften/dürfen es ausbaden und jetzt werden die Flüchtlinge in die nordafrikanischen Länder zurück geschickt, in denen sie noch brutaleren Misshandlungen und Elend aus gesetzt sind.
Nach Alternativen sucht man in dem Artikel, wie üblich, vergebens. Hach ja, als Journalist kann man sich es ja auch so schön einfach machen und sagen: so wie das läuft, find ich das doof.
Als Kommentator allerdings auch: Was der Herr Jakob vermutlich will, find ich auch doof. Ein Teufelskreis.
Das ist sie, die "Moral" der Europäer: Meine Lösung = dein Problem. Eine Kollegin hat kurz nach der wende eine als Scherz getarnte Zustandsbeschreibung der Lage im vereinten deutschland über ihrem Schreibtisch hängen. Da waren "die 10 As erfolgreicher Führung" wie folgt aufgeführt: Alle anfallenden Arbeiten an andere austeilen, anschließend alle anständig anscheißen.
Wie's aussieht, haben die, die Deutschland endlich wieder als echte Führungsmacht sehen wollten, Erfolg gehabt. Zum Verzweifeln, das alles. Dass sich Leute, die andere schon für den Kauf eines Schiffes feiern, bevor die überhaupt etwas unternommen haben gegen die Misere, "ohnmächtig fühlen", lasse ich mir übrigens nicht einreden. auch nicht von Christian Jakob, den ich ansonsten ziemlich schätze. Ich glaube eher, diese Leute wollen das Gefühl der Ohnmacht grade nicht aufkommen lassen. Sie belügen sich selber um sich besser fühlen zu können als die Umstände es eigentlich erlauben. Kein Wunder, dass sich nie was ändert, wenn das alle "guten" Menschen machen aus Angst vor irgendwelchen Depressionen!
Deutsche Täter sind keine Opfer, hieß es nach den Bombardements deutscher Städte 1943. Wie hängt das mit der Wahrnehmung von Gaza zusammen?
Kommentar Flüchtlingspolitik: Unerreichbares Europa
Flüchtlinge im Mittelmeer abfangen und in Nordafrika internieren: So wird Völkerrecht gebrochen und niemandem geholfen.
Dass Flüchtlinge den Boden der EU überhaupt betreten, wie hier auf Sizilien, soll verhindert werden. Bild: dpa
Viel ist jetzt von sicheren und unsicheren Transportmitteln die Rede. Das untere Ende der Risikoskala markieren zweifellos die Flüchtlingsboote zwischen Italien und Libyen. Von 40 Menschen, die hier starteten, starb letztes Jahr durchschnittlich einer – das sind über 100.000-mal mehr als im Luftverkehr.
Und viel ist gerade die Rede davon, was man da tun kann. Die einen kaufen ein kleines Schiff, um Frontex auf die Finger zu schauen, und werden dafür schon gefeiert, bevor sie überhaupt in See gestochen sind – so sehr kollidiert das alltäglich gewordene, aber vermeidbare Sterben vor Europas Haustür mit dem Moralempfinden vieler, die sich dabei nur noch ohnmächtig fühlen.
Die Mächtigeren haben andere Vorschläge: Immer mehr Innenminister schlagen vor, Europas Flüchtlingsproblem Afrika aufzuhalsen. Die Idee von Bundesinnenminister De Maizière, die Asylverfahren in Lagern in den Transitstaaten abzuwickeln, ist auf dem Tisch.
Dazu passt, was das restlos entnervte, weil mit dem Flüchtlingsproblem konsequent im Stich gelassene Italien vorschlägt: Wenn Europa schon Rom nicht dafür entschädige, dass es die Flüchtlinge zu Zehntausenden aus dem Wasser gezogen hat – dann könne es doch Ägypten und Tunesien dafür bezahlen, die Flüchtlingsschiffe einzufangen und nach Nordafrika zurückzuholen. Dass das völkerrechtliche Zurückweisungsverbot gekippt wird, stört in der EU offenbar niemand.
Das Grund dafür ist: Beide Vorschläge kommen auf dasselbe raus – für die Flüchtlinge ist im Transit Schluss, Europa unerreichbar. Wer das angesichts der Rekordflüchtlingszahlen für geboten hält, hat die Statistik nicht verstanden: Die echten Flüchtlingsrekorde werden immernoch außerhalb Europas aufgestellt. Wie es aussieht, wird das auch so bleiben.
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Kommentar von
Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erscheint von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. 2020/'21 als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg.
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