Kommentar Flüchtlingskinder-Betreuung: Keine Kinder zweiter Klasse

Kinder in Flüchtlingsunterkünften haben die beste Betreuung verdient. Die Zeit, in der Provisorien geduldet werden konnten, ist vorbei.

Gute Miene, kein Geld: Flüchtlingskoordinator Sprandel (r.) hat nicht für Kinderbetreuung gesorgt Foto: Daniel Posselt/ZKF

Rund 900 Kinder im Kita-Alter leben in den provisorischen Erstunterkünften mit ihren Familien unter denkbar beengten Umständen. Es gibt, so erfahren wir, in etwa zwei von drei dieser Sammelunterkünfte wiederum ein Provisorium namens „halb offene Betreuung“. Aber das Geld reicht nicht, um so eine Mini-Kita schön auszustatten, dafür braucht man Spenden. Und die schönen, kindgerechten Räume sind dann nur wenige Stunden geöffnet. Danach heißt es wieder zurückgehen ins Container-Kabuff.

Als vor einem Jahr in kurzer Zeit viele Menschen nach Hamburg flüchteten, brauchte man Provisorien und alle helfenden Hände. Besonders den Kindern haben Ehrenamtliche gern geholfen.

Bei Kindern offenbar kein Handlungsbedarf

Bei den Verantwortlichen muss irgendwie hängen geblieben sein, dass das reicht. Während man anderswo Millionen verpulverte, schien es bei der Kinderbetreuung keinen ernsten Handlungsbedarf zu geben. Ideen dazu wurden im Frühjahr 2015 auf einer Tagung der Evangelischen Hochschule ersonnen. Etwa die eines „Willkommens-Kita-Gutscheins“ oder von „Kita-Lotsen“, die Eltern zeigen, wie man den Schein beantragt. Aber sie wurden verworfen. Stattdessen gibt es einige Eltern-Kind-Cafés, wo die Mütter dabei sind.

Es sei ja so, dass die Flüchtlinge von ihrer Heimat keine Kita kennen, dass sich die Eltern von ihren Kindern nur schwer trennen können, hört man. Diese Erzählung passt gut zur Sparvariante, muss aber nicht stimmen. Schließlich wollen die Menschen hier bleiben und sich integrieren. Wenn nur 19 von fast 900 Kindern eine Kita besuchen, wurde dafür nicht ernsthaft geworben.

Anspruch ab dem ersten Tag

Für Wissenschaftler ist es klar: Flüchtlingskinder sind keine Kinder zweiter Klasse. Ihr Anspruch auf Bildung und Betreuung, auf Räume, gilt ab dem ersten Tag. Doch Hamburg und die anderen Länder haben sich darauf verständigt, dass dies für Erstunterkünfte nicht gilt – auch wenn die Kinder Monate bleiben. Dabei bekommen die Länder Geld dafür, dass Flüchtlingskinder in die Kita gehen.

Vielleicht möchte man auch nur nicht Kinder in die Kitas schicken, die später abgeschoben werden. Schon in der Schule – es gibt ja Schulpflicht – ist das nicht schön. Vielleicht aber ist es auch wirklich so, dass manche Eltern klammern und ihre Kinder nicht in einen entfernten Kindergarten geben möchten.

Dann aber müsste erst recht größter Wert auf die Kinderbetreuung in den Unterkünften gelegt werden. Sprich: ein ordentlicher Personalschlüssel, passendes Spielmaterial, sorgsam gestaltete Räume, die ganztags für die Kinder zugänglich sind. Und Ehrenamtliche, die sich anbieten, müssten finanziell und administrativ unterstützt werden.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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