Kommentar Familienpolitik: Das war’s mit der Gleichstellung
Geschlechtergerechtigkeit spielt für die große Koalition keine Rolle. Die Union hat sich mit ihrer Antiemanzipationspolitik durchgesetzt.
D ie Frauenbewegung soll jetzt aufgearbeitet werden, auch die der DDR. Fantastisch. Und auch der Helene Weber Preis für Kommunalpolitikerinnen soll weiterbezahlt werden. Noch nie gehört? Egal, beides ist ungemein wichtig. Zumindest in den Augen der neuen Koalition, die diese Vorhaben in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben hat – unter der Überschrift „Gleichstellung sicherstellen“.
Auf neun von 185 Seiten referieren Union und SPD, was sie für Familien, Frauen und Kinder in den nächsten vier Jahren tun wollen. Von „Familienfreundlichkeit“ ist da die Rede, von „geschlechtsspezifischen Ungerechtigkeiten“ und von der „Würde des Menschen“. Und die Koalition „wirbt für“, „will, dass“ und „wird Studien auflegen“. Ungenauer und unengagierter kann man eine politische Agenda nicht formulieren.
Was sich in den Verhandlungen bereits andeutete, ist nun beschlossen: Gleichstellung, Emanzipation, Geschlechtergerechtigkeit spielen für Christ- wie für Sozialdemokraten keine Rolle. Hier wird also in den nächsten vier Jahren nichts vorangehen.
Noch im Sommer hat die SPD großspurig propagiert, was sie alles für Frauen, Eltern und Familien tun will, wenn sie erst mal regiert: Betreuungsgeld abschaffen, Frauenquote einführen, Ehegattensplitting reformieren, Adoptionsrecht für Homosexuelle einführen. Fast nichts davon ist übrig geblieben.
Die Union hat sich mit ihrer Antiemanzipationspolitik klar durchgesetzt. Das versteckt sie geschickt, unter anderem mit einem länglichen Passus zu Jugendpolitik und Jugendverbandsarbeit. Pure Verlegenheitspassagen. Und wo beide Seiten gar nicht mehr weiterwussten, wurde flott ein neues „Prüfverfahren“ hingekritzelt – als „Demografie-Check“, als „Jugend-Check“ oder als „Dienstleistungsplattform“ im Internet.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel