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Kommentar Teilzeit von FrauenDas Mantra Wahlfreiheit

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Viele Mütter wollen mehr arbeiten. Aber sie finden keine Vollzeitjobs, so das Ergebnis des neuen Fachkräfteberichts der Regierung.

Frauen wollen auch 38 Stunden arbeiten, nicht nur 18,6 Bild: dpa

A ls „verschenkte Potenziale“ bezeichnet die Soziologin Jutta Allmendinger Frauen, die hierzulande am Arbeiten gehindert werden. Diese These erfährt mit dem Fortschrittsbericht des Arbeitsministeriums gerade eine weitere Bestätigung: Mehr als die Hälfte der berufstätigen Mütter würde gern mehr arbeiten als die durchschnittlich 18,6 Stunden, die sie jetzt im Job verbringen.

Das muss nicht so bleiben. Dagegen gibt es seit Jahren Widerstände, beispielsweise von Frauen- und Wirtschaftsverbänden. Auch linke PolitikerInnen fordern, dass einmal Teilzeit nicht immer Teilzeit (für Frauen) heißen muss. Auch Andrea Nahles tut das. Jetzt ist sie Ministerin, ausgerechnet in dem Haus, das zuständig ist für Arbeit, Teilzeit und verschenkte Potenziale. Jetzt hat sie die Chance, zu liefern.

Doch sie wird sich darauf einstellen müssen, dass sie Gegenwind bekommt. Nicht nur vom Koalitionspartner, der allein mit dem Betreuungsgeld eine konträre Politik verfolgt. Auch von links darf sie Angriffe erwarten. Auch von Frauen. Wer hierzulande vehement für Vollzeit auch für Mütter plädiert, wird rasch als kapitalismusfreundlich und frauenfeindlich angeklagt.

Dabei besteht kein Widerspruch zwischen linkem Denken, Kapitalismuskritik und weiblicher Vollzeitbeschäftigung. Nur wird das so selten zusammen gedacht. Derzeit gibt es keine Konzepte für eine befriedigende Zeitpolitik. Eine, die vielen Lebensentwürfen gerecht wird. Eine, bei der Frauen sich nicht entscheiden müssen zwischen Familie und Erwerbsarbeit, sondern beides gleichermaßen haben können. Oder zeitversetzt.

Alle wollen das gute Leben. Die meisten mit Job und Kindern, jenseits der traditionellen Muster. Um das zu bekommen, bedarf es der inzwischen so zur Leerformel verkommenden Wahlfreiheit.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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3 Kommentare

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  • G
    gast

    Ach, das erstaunt mich jetzt aber.

    Immer mehr Frauen arbeiten, immer mehr Frauen verzichten ganz auf Kinder, oder verschieben den Kinderwunsch hin zum SanktNimmerleinsTag, immer mehr Frauen "müssen" arbeiten, da sie Alleinerziehend sind und die Harz4-Keule droht, immer weniger Familien kommen mit einem Haushaltseinkommen aus, immer mehr heitzen die Medien den Frauen Rentenangst und Beziehungsangst ein und dann...

     

    ....wenn alle versuchen auf den Arbeitsmarkt eine Stelle zu bekommen, reicht das Arbeitsvolumen nicht aus um allen Arbeitsbedürftigen nachzukommen.

    Dann plötzlich gibt es keine Vollzeitjobs für all die Lebensoptimiererinnen, all die Beziehungsverliererinnen, all jene die nach Familienarbeitsphasen zurückkehren wollen.

    Und das Überangebot an weiblichen Arbeitskräften führt zu Lohndumping und Ausbeutungsverhältnissen.

     

    Hallo, wie naiv war hier wer ?

    Sozialistische Planwirtschaft war gestern, willkommen in der knallharten Marktwirtschaft.

     

    Wer zu spät Kapitalismuskritik übt, nichts mitbekommt vom "normalen" Leben und lieber auf Aufsichtsratposten schielt, den bestraft die Geschichte mit Irrelevanz.

  • H
    Heinz

    Der Widerspruch zwischen Feminismus und Kapitalismuskritik besteht darin, dass feministische Positionen nur darauf abzielen, die Plätze an den Fleischtöpfen neu zu vergeben - nicht aber am Prinzip rütteln möchten, dass es überhaupt Fleischtöpfe und Katzentische gibt.

     

    Sich einfach hinzustellen und für Mütter die Möglichkeit zur Teilnahme an Vollzeitarbeit und kapitalistischer Knochenmühle zu fordern, ist nunmal keine linke Position. Auch wenn Sie das noch so gerne hätten.

     

    Wirkliche und ernsthafte Kapitalismuskritik kommt nämlich eigentlich ganz gut mit dem Begriff "Mensch" aus - da werden "Mann" und "Frau" gar nicht so dringend benötigt.

  • G
    Gast

    Also ich kann nur sagen, mir reichen meine 28kommairgendwas Stunden völlig aus, ich würde auch weniger arbeiten, dabei bin ich noch nicht mal Mutter.

    Ich frage mich, ob die Frauen wirklich alle vollzeit erwerbstätig sein wollen, oder ob sie nicht einfach das volle Gehalt wollen bzw. brauchen, oder auch ob sie einfach auf Arbeit für voll genommen werden wollen.

    Es gab doch mal die Forderung von 30-Stunden-Woche für alle (mit Bezahlung, von der man leben kann), das halte ich für viel sinnvoller. Wer mit dem Rest seiner Zeit nichts anfangen kann, kann sich ja immer noch ehrenamtlich betätigen.