Kommentar Energiepolitik auf dem Balkan: Eingefroren im Gestern

Die meisten Balkanstaaten haben keine Gasreserven. Jetzt zeigt sich, was die russichen Zusicherungen wert sind, dass die Gaslieferungen sicher seien.

Die Ärmsten trifft es wieder mal am stärksten. Weil das Geld fehlte, haben die Politiker der meisten Balkanstaaten keine Gasreserven anlegen können. Die Serben haben sogar ihre gesamte Energieversorgung einem russischen Konsortium anvertraut und den staatlichen Energiekonzern für fast nichts verscherbelt. Nun müssen sie erleben, was die russischen Zusicherungen wert sind, ihre Gas- und Ölversorgung sei sichergestellt.

Auch in Bosnien, Mazedonien und dem Kosovo ist die Stimmung auf einen Tiefpunkt gesunken. Für die nächsten Tage sind Minuswerte unter 20 Grad prognostiziert. Jetzt den Gashahn abzudrehen, offenbart, wie berechnend die Machtpolitik des Kreml sein kann. Und wie verletzlich die eigene Energiewirtschaft ist.

Doch grundsätzliche Konsequenzen zu ziehen, ist die Sache der balkanischen Politiker nicht. Ihr Rat lautet: Heizt mit Holz! Insbesondere für Städter mutet das zynisch an. Auch auf die durch Georgien geplante Gaspipeline aus Kasachstan zu warten, hilft den Kindern, Alten und Kranken in diesem Winter nicht. Und sie sind die ersten Opfer der Kältewelle. Jetzt müsste man Wärmestuben und warmes Essen organisieren. Aber zu solch sozialen Taten schwingen diese Volksvertreter sich niemals auf.

Wer am liebsten Atomkraftwerke bauen will und darauf nur verzichtet, weil das Geld fehlt, interessiert sich eben nicht für zeitgemäße Lösungen. Statt auf die Entwicklung der erneuerbaren Zukunftsenergien zu setzen und damit auch moderne Industrien und Know-how im eigenen Land zu fördern, bleibt man lieber der Rattenschwanz Europas.

Aber nicht nur die Politiker sind schuld an diesem Zustand. Auch die Öffentlichkeit hat versagt. Die Medien müssten neue Ideen verbreiten, anstatt unverwandt mit Skandalen und Desinformation Auflagen zu erzielen. Die Abwanderung der klügsten Köpfe tut ihr Übriges dazu. Dabei hätte die Region aufgrund ihrer geografischen Lage gute Chancen für eine positive Entwicklung. Auch für eine nachhaltige Energieversorgung.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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