Kein Gas mehr aus Russland: Vollkommen abgedreht
Über die Ukraine strömt kein Gas mehr nach Europa. Während die Lage in Deutschland vergleichsweise entspannt ist, herrscht anderswo Notstand.
WIEN taz Seit Mittwochmorgen strömt kein Gas mehr durch die Pipeline "Druschba". Sie war die letzte der über die Ukraine führenden Leitungen, die noch - auf niedrigem Niveau - russisches Gas nach Mitteleuropa leitete. Druschba heißt Freundschaft, was die derzeitigen Beziehungen zwischen Lieferant und Abnehmern wohl nicht trifft.
Während in einigen Ländern die Panik aus- und die Stromversorgung zusammenbrach, können Staaten wie Deutschland und Österreich, die über kommode Reserven oder alternative Leitungen verfügen, die Krise aussitzen. Ungarns Energieminister Csaba Molnár, der am Montag noch nichts von einer Energiekrise wissen wollte, meldete Dienstagnachmittag, dass kein Gas mehr aus Russland komme. Ein nationaler Notfallplan sieht zuerst Einschränkungen für Industriebetriebe vor. Kraftwerksbetreiber wurden aufgefordert, so weit möglich, von Gas auf Öl umzusteigen. Mit weiteren Beschränkungen müsse gerechnet werden, so die Regierung.
Ungarn ist zu etwa 65 Prozent von russischem Gas abhängig, die benachbarte Slowakei gar zu 98 Prozent. Dementsprechend dramatisch sind dort die Auswirkungen. Nach ersten Lieferausfällen von 70 Prozent wurde der Gasnotstand ausgerufen. Einschränkungen gelten aber vorerst auch nur für die Industrie. Obwohl die Slowakei über Reserven für 70 Tage verfüge, reiche der Druck in den Leitungen nicht mehr aus, alle industriellen Großabnehmer zu beliefern. Die Versorgung der Haushalte, Krankenhäuser und Schulen sei allerdings gewährleistet, so ein Regierungssprecher.
In Bulgarien, das kaum Reserven hat, leiden bereits tausende Haushalte unter dem Ausfall der Heizungen. Teilweise ist auch der Strom abgeschaltet. Die Regierung droht daher, einen der Reaktoren im alten Atomkraftwerk Kosloduj wieder anzuwerfen. Die Stilllegung von vier der sechs Reaktoren des Kraftwerks war eine der Bedingungen für den EU-Beitritt des Landes gewesen. Die EU wollte sich zu diesen Plänen zunächst nicht äußern.
Vergleichsweise entspannt sieht man die Lage in Deutschland, das ja, wie die meisten westeuropäischen Staaten, auch über Pipelines durch Weißrussland versorgt wird. Diese Alternativroute werde bereits verstärkt, teilte der Gasimporteur Wingas mit. Laut Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) müsse man sich keine Sorgen machen: "Für uns ist die Situation beherrschbar." Und der Energieversorger RWE versicherte: "Deutschlands Wohnzimmer bleiben warm."
Die Befürchtung, demnächst bei arktischen Temperaturen in ungeheizten Räumen zu sitzen, sei auch in Österreich unbegründet. Das versichert zumindest Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), der auf die vollen Reservetanks verwies. Nach der Gaskrise im Jahr 2006 hatte die halbstaatliche Österreichische Mineralölverwaltung (OMV) ihre Lagerkapazität ausgebaut. Österreich bezieht rund die Hälfte seines Erdgaskonsums von Gazprom, etwa 18 Prozent kommen aus eigener Förderung, der Rest aus Norwegen und anderen Staaten. Sollten dennoch Rationalisierungsmaßnahmen notwendig sein, so wären die Haushalte nicht betroffen, beruhigte Mitterlehner. Zunächst hätten nur die Großindustrie und Gaskraftwerke mit Versorgungsengpässen zu rechnen.
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