Kommentar Ende von „Mare Nostrum“: Verabredung zum Sterbenlassen
Italien hat genug, und die EU schickt die Grenzschützer von Frontex, um „Mare Nostrum“ zu ersetzen. Die Konsequenzen sind fatal.
W ir setzen alles in Bewegung, was wir haben. Aber ihr helft uns: Das war Italiens Ansage an die EU nach der Katastrophe vor Lampedusa im letzten Herbst. Rom sorgte für ein vorläufiges Ende des Sterbens auf dem Meer. Nie kamen mehr Flüchtlinge als in den letzten Monaten. Und nie zuvor wurden mehr gerettet als durch die „Mare Nostrum“-Marinemission.
Hilfe bekam Italien allerdings nicht. Die EU trug nur etwa ein Zehntel der Kosten von etwa 8 Millionen Euro im Monat. Italien blieb nicht nur auf diesen Ausgaben sitzen. Europa änderte auch nichts daran, dass das Land sich ganz allein um die über 100.000 Flüchtlinge kümmern muss, die Italiens Soldaten aus dem Wasser zogen. Es war klar, dass Rom das nicht lange mitmachen würde. Seit dem Frühjahr hatte es immer wieder Unterstützung aus Brüssel gefordert. Ohne Erfolg.
Im Mai erhöhte es den Druck und zog sich etwa von Libyens Küste zurück. Sofort schnellten die Unfallzahlen hoch: 1.600 der 1.800 ertrunkenen Flüchtlinge in diesem Jahr starben in dieser Zeit. Die tödliche Demonstration ließ Europa unbeeindruckt. Denn anders als bei dem Unglück 2013 wurde jetzt langsam hintereinanderweg gestorben, und nicht auf einen Schlag.
Jetzt hat Italien genug, und die EU schickt die Grenzschützer von Frontex, um „Mare Nostrum“ zu ersetzen. Es ist die Verabredung zum Sterbenlassen. Frontex ist nicht ansatzweise imstande, das Meer so zu sichern wie Italiens Marine. Stattdessen wird Frontex tun, wozu es da ist: die Migranten daran hindern, anzukommen. Und wenn sie dabei ertrinken. Bald wird das Wetter wieder schlechter, die Überfahrt noch riskanter. Die Kriege im Nahen Osten und Afrika werden die Menschen weiter aufs Meer treiben. Auf diesem Meer werden dann keine Retter mehr sein. Dafür umso mehr Leichen.
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