Kommentar „Emma“ über Germanwings: Täter Mann, Opfer Frau
Der Männeranteil im Cockpit muss kleiner werden, fordert „Emma“. Doch das kann man nicht mit einer angeblichen weiblichen Überlegenheit begründen.
Mit einer Andrea wäre das nicht passiert. Andreas L. steuerte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit 150 Menschen in den Tod. Eine Frau hätte das nicht getan, suggeriert Linguistin Luise Pusch in der Emma. Der Pilot: ein Mann, die Schulklasse: 2 Lehrerinnen, 14 Mädchen und zwei Jungen, und schon lautet die Gleichung: Täter Mann, Opfer Frau. Subtrahiert man die Männer, dann gibt es keine Mordanschläge mehr.
Daran ist leider einiges zu kurz gedacht. Auf der Passagierliste stehen nicht nur 14 Schülerinnen, sondern 149 Männer und Frauen. Sogenannte „erweiterte Suizide“ werden nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen verübt. Und das Wichtigste: Seit Langem schon sind sich die meisten FeministInnen einig, dass nicht „die Männer“ das Problem sind, sondern welche Art von Männlichkeit in unserer Gesellschaft möglich ist.
Eine psychische Krankheit etwa ist in diesem Bild weiterhin nicht vorgesehen. Es könnte also sein, dass der Massenmord damit zu tun hat, dass Andreas L. den befürchteten Jobverlust durch seine Fluguntauglichkeit für unerträglich hielt – was auch mit seiner Vorstellung vom erfolgreichen Mann zu tun haben könnte. Aber Puschs Logik lautet: Männer sind gefährlich und müssen minimiert werden, indem man den Frauenanteil steigert. Warum dann nicht das Restrisiko Mann ganz ausschließen?
Luise Pusch hat für ihren Kommentar einen Shitstorm hinnehmen müssen. Der hat sicher auch etwas mit problematischer Männlichkeit zu tun. Aber die Forderung nach einer Frauenquote kann man nicht mit einer angeblichen weiblichen Überlegenheit begründen. Aus der Welt der Zuschreibungen von Eigenschaften müssen wir doch gerade herauskommen! Frau Pusch, die sonst so kluge Sprachanalytikerin, hat der Sache da einen Bärendienst erwiesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge