Kommentar Einwanderungsgesetz: Nein, längst nicht jeder kann bleiben
Für viele abgelehnte Asylsuchende ändern die neuen Regeln nichts. Dennoch poltert die CSU im Einklang mit der AfD gegen den Kompromiss.
W er die Schlagzeilen zu den Plänen für das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz am Dienstag las, mochte denken, dass für Flüchtlinge nun bequeme Zeiten anbrechen: Wer beim Bundesamt mit seinem Antrag abgelehnt wird, geht einfach eine Tür weiter zum Arbeitsamt – und darf für immer in Deutschland bleiben. So jedenfalls stellen CSU und AfD den so genannten „Spurwechsel“-Kompromiss hin, auf den sich die Große Koalition vorerst geeinigt hat. Mit der Realität hat das nichts zu tun.
Die Koalition will – das ist das einzige, was zur „Spurwechsel“-Frage in dem Papier steht – „klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind“.
Wer abgelehnt wird und abgeschoben werden kann, für den ändert sich gar nichts. In der Regel können Geduldete nur dann, wenn eine Abschiebung gar nicht möglich ist eine Arbeitserlaubnis bekommen. Nur wenn diese erteilt wird, kann (vielleicht) künftig eine Aufenthaltsverfestigung beantragt werden.
Die Ausländerbehörden verweigern diese Arbeitserlaubnis aber vielen Geduldeten. Sie tun dies unter anderem um Druck zu machen, damit die Menschen von allein ausreisen oder an ihrer Abschiebung mitwirken. Deshalb können sie ihren Lebensunterhalt gar nicht selbst erwirtschaften. Und für sie kommt auch künftig kein Spurwechsel in Frage. Die Menschen bleiben nur geduldet.
Überfällige Neuerung
Und zweifellos werden bis zum fertigen Gesetz noch zusätzliche Ausschlusskriterien festgelegt werden: Straftäter oder Menschen etwa, denen Identitätsverschleierung vorgeworfen wird, fallen höchstwahrscheinlich raus.
Schon lange stellt sich die Frage, warum langfristig Geduldeten nicht ohnehin ein Aufenthaltstitel ausgestellt wird, statt sie jahrelang in diesem rechtlosen – und hochgradig unproduktiven – Zustand der Duldung zu halten. In der Vergangenheit gab es für diese Gruppe teils Stichtagsregelungen, 2016 trat dann eine neue so genannte Bleiberechtsregelung in Kraft: Wer acht Jahre in Deutschland lebt und für sich sorgt, kann ein Bleiberecht erhalten. Zukünftig könnten Geduldete dieses Bleiberecht nun vielleicht deutlich schneller bekommen. Ein Fortschritt, keine Frage.
Dass es diesen Vorstoß nun überhaupt gibt, hat auch mit dem massiven Druck der Wirtschaft zu tun. Sie braucht Arbeitskräfte und sieht die Sache – im Gegensatz zur CSU – halbwegs unverbohrt und pragmatisch: Wem soll geholfen sein, wenn man Menschen die schon hier sind, abschiebt, um gleichzeitig andere ins Land zu holen?
Geradezu infam ist, wie die CSU nun versucht zu verhindern, dass dieser Fortschritt tatsächlich Gesetz wird. Der Spurwechsel sei ein „fatales Signal“, schreibt sie. Er folge dem Motto: „Es ist vollkommen egal, ob jemand anerkannter Asylbewerber ist oder ob er abgelehnt wurde – er kann in jedem Fall bleiben.“ Wer dies fordere, wolle „nichts anderes, als das geltende Rechtssystem ausheben,“ twitterte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, dem wirklich keine Äußerung zu dumm scheint.
Die AfD nahm diese böswillige Verdrehung der Vereinbarung mit Kusshand an – und giftete, „illegale Einwanderer dürfen für immer bei uns bleiben, sobald sie unsere Grenzen überschritten haben.“
Davon kann, wenn das „Eckpunktepapier“ umgesetzt wird, keine Rede sein. Das weiß die CSU ganz genau. Seit Jahren ist eine Reform hier fällig. Doch statt diese mitzutragen, bildet sie nun lieber eine rhetorische Koalition mit der AfD, um den Rest der Großen Koalition in dieser wichtigen Frage aufzuhalten.
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