Kommentar Einigung in Libyen: Die Hardliner haben sich durchgesetzt
Die konkurrierenden libyschen Parlamente einigen sich überraschend – und bremsen damit den UN-Plan aus. Es geht um Macht und um viel Geld.
D ie überraschende Einigung zweier Delegationen der beiden konkurrierenden libyschen Parlamente auf eine Einheitsregierung dürfte in diplomatischen Kreisen einen Schock ausgelöst haben. Denn der in einem Jahr Verhandlungen entstandene UN-Friedensplan für Libyen ist damit in seiner jetzigen Form vom Tisch. Die Hardliner beider Seiten haben sich durchgesetzt, um eine internationale Intervention zu verhindern.
Mit der Ernennung des neuen UN-Sondergesandten Martin Kobler hatte sich abgezeichnet, dass die internationale Staatengemeinschaft mit der Expansion des IS nach Nordafrika nun Schluss machen will. Im libyschen nachrevolutionären Chaos geht es weniger um Ideologien als um den Zugang zu Macht und den Geldtöpfen.
Viel zu lange hat auch Europa dabei zugesehen, wie sich Milizen und nun auch der „Islamische Staat“ das ölreichste Land Afrikas unter sich aufteilten – während die Golfstaaten und die Türkei mit Medien, Waffenlieferungen und Finanzierung von extremistischen Netzwerken aktiv in das Geschehen eingriffen.
Die Bürger von Bengasi, die dreimal die Willkürmilizen – mittlerweile mit dem IS verbündet – aus der Stadt jagten, lässt man bis heute im Stich. Erst seit dem Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer und dem Morden des „Islamischen Staates“ herrscht Aktionismus. Zu spät.
Nur mit der Bombardierung der IS-Lager wird man die Extremisten nicht mehr vertreiben können. Sie sind in Teilen Libyens längst so etwas wie die besseren Sozialarbeiter. Der IS sieht Libyen nicht als „Ersatzkalifat“ an, sondern als zentralen Ausgangspunkt der Expansion in Afrika, wo ein Millionenheer junger Männer auf irgendeine Perspektive im Leben wartet.
UN-Chef Kobler hat auch bei einem Scheitern seines Plans eine Mammutaufgabe vor sich. Dort, wo die lokalen Strukturen noch funktionieren, brauchen sie massive Hilfe, um die jungen Männer Libyens nicht an den IS zu verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin