Kommentar Einigung in Asylstreit: Es bleibt ein schmutziges Geschäft
Keine Verbesserung in Sicht: Der Asylkompromiss von Union und SPD ändert nichts daran, dass Menschen hin- und hergeschoben werden.
D ie Idee der haftähnlichen Transitzentren verschwindet aus der politischen Diskussion. Aber sonst wird nichts besser für die Geflüchteten. Der Asylkompromiss, den CDU/CSU und SPD am Donnerstagabend beschlossen haben, hat vor allem die Aufgabe, alle Beteiligten ihr Gesicht wahren zu lassen.
Nur jene sehr kleine Gruppe von Flüchtlingen, die schon einen Asylantrag in einem anderen EU-Land gestellt haben, soll künftig für maximal zwei Tage in Polizeistationen an der deutschen Grenze verbracht und schnellstmöglich in das zuständige Land zurückgeschickt werden. Sofern – und das ist der Knackpunkt – Deutschland mit dem betreffenden Land zuvor ein Verwaltungsabkommen abgeschlossen hat.
Für „Dublin-Fälle“, also für Flüchtlinge, die schon per Fingerabdruck in einem anderen EU-Staat registriert worden sind, sieht der Kompromiss gleichfalls Verschärfungen vor. Sie sollen in einem neuen, beschleunigten Verfahren in den großen „Ankerzentren“ abgefertigt und schnellstmöglich mit Hilfe der Bundespolizei in das Ersteinreiseland in der EU zurückgeschickt werden – egal, welche Hilfen sie dann in diesen Ländern, also etwa in Italien, Spanien, Griechenland, bekommen.
Die Frage ist, ob und wie diese Länder dabei mitspielen. Der Asylkompromiss von Union und SPD ändert nichts daran, dass Flüchtlingspolitik ein schmutziges Geschäft bleibt, in dem Menschen hin- und hergeschoben werden. Asylpolitik ist hässlich, weil Flüchtlingszuwanderung auch eine Folge der zutiefst ungerechten weltweiten Verteilung von Wohlstand, Sicherheit, Menschenrechten ist.
Fachkräfte vs. Geflüchtete
Flüchtlingspolitik kann dafür keine moralisch korrekte Lösung bieten, sondern vielerorts immer nur der Versuch sein, auf der Suche nach Lösungen die Inhumanität einzuhegen. Insofern ist es gut, wenn der Asylkompromiss vieles so weiterlaufen lässt wie bisher, aber die Hysterie aus dem Thema schwindet. In den ersten fünf Monaten diesen Jahres kamen übrigens nur etwa 17.000 „Dublin-Fälle“ nach Deutschland.
Der Asylkompromiss sieht auch vor, ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu beschleunigen. Das ist gut, hat aber mit der Flüchtlingszuwanderung nichts zu tun. Wenn auf einem Schlauchboot im Mittelmeer nicht 200 Schwarzafrikaner mit erschöpften Gesichtern säßen, sondern 200 gut ausgebildete chinesische Krankenschwestern lächelnd winkten, würde Seehofer persönlich ein Kreuzfahrtschiff schicken, um die Fachkräfte nach Bayern zu holen. Aber so ist es nun mal nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste