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Kommentar Ehe für alleDas slowenische Debakel

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Das Land hat sich entschieden, die Ehe nur heterosexuell zu privilegieren. Ein Rückschritt, für den auch Linke und Liberale Verantwortung tragen.

Mit „Čas je ZA“ – „Zeit für ein Ja“ warben die Befürworter der Ehe für alle, hier vor dem Denkmal des Nationaldichters Prešeren in Ljubljana. Foto: imago/pixsell

D as Resultat markiert ein Desaster: Slowenien hat sich in einer Volksabstimmung dafür entschieden, die Gleichstellung Homosexueller im Eherecht zurückzunehmen. Verantwortung hierfür tragen Konservative im Bund mit dem katholischen Klerus, der dieses Plebiszit zum Anlass nahm, die Uhren des Fortschritts tüchtig zurückzudrehen. Das Land, das sich vor 25 Jahren als erste jugoslawische Teilrepublik für unabhängig erklärte und sich als europäischster und liberalster Flecken südlich der Karawanken verstand, hat sich ohne Not wieder der vatikanische Weltanschauung angepasst.

Davon abgesehen, dass der aktuelle slowenische Fall ein starkes Indiz dafür ist, dass es auch rechtlich fundamentalen Rückschritt geben kann, dass also Mehrheiten sehr wohl in der Lage sind, Minderheiten im moralischen (Selbst-)Verständnis wieder zu entwerten, verweist das Ergebnis, dass Sonntag Abend aus Ljubljana vermeldet wurde, auf einen Mangel an politischem Bewusstsein bei Liberalen und Linken.

Auch in Deutschland denken die liberalen und linken Szenen über die Ansprüche Homosexueller auf die „Freiheit zur Ehe“ nicht politisch, sondern als Grille einer doch im Guten erledigten Lebensstilpolitik. Im Sinne von: Haben es Schwule und Lesben nicht nett und gemütlich? Dürfen die nicht sogar seit Jahren ihre CSD-Umzüge veranstalten?

Was für ein Missverständnis: Konservative (ob in Polen, Slowenien oder Deutschland) wissen sehr genau, dass die Ehe als Kern ihrer Identitätspolitik für Heterosexuelle privilegiert bleiben muss. Sie haben genau im Blick, dass die „Freiheit zur Ehe“, die auch Homosexuelle in Anspruch nehmen können, keine modische Attitüde ist, sondern ein Angriff auf ihr Schema von dem, wie die Welt strukturiert sein soll: mit der Institution Ehe als bevölkerungs- und liebespolitischem Instrument. Moderne aber ist: Die Liebe zählt – nicht die genormte Kinderproduktion.

Entpolitisierter Zusammenhang

Nicht minder davon abgesehen, dass die sich links verstehenden Teile der Schwulen- und Lesbenbewegung eben diesen Zusammenhang entpolitisieren und nicht wahrhaben wollen und damit faktisch Alliierte vatikanischer Macht sind, hat in Slowenien zu dieser Niederlage die groteske Nicht-, bzw. Kaum-Mobilisierung der Liberalen und Linken zu dieser Abstimmung beigetragen.

Einer Abstimmung, die zudem nie hätte stattfinden dürfen. Das mag pathetisch klingen, gleichwohl: Das Recht auf Ehe im Sinne gemeinsamer Übernahme von Verantwortung und namens der Liebe ist ein Menschenrecht, das nicht an biologische Voraussetzungen geknüpft bleiben darf.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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9 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Einfach den Begriff "Ehe" für die standesamtliche Lebenspartnerschaft abschaffen (und diesen uralten Begriff den Kirchen und Religionen überlassen). Damit wäre das Problem gelöst und die eingetragene Lebenspartnerschaft für gleich- und zweigeschlechtliche Partner Problemlos einzuführen.

  • Es mag eine Nachwirkung der europäischen Teilung sein, dass sich die europäische Linke seit Jahrzehnten fast ausschließlich über ihren Lebensstil definiert. Vermutlich wollte man lieber mit den neu im politischen Spektrum aufgetauchten grünen Bürgerkindern verwechselt werden, als mit den osteuropäischen Betonköpfen, die das eigene Volk in Haft hielten und von der Ökonomie ganz offensichtlich keine Ahnung hatten.

     

    Der Preis dieser "Sicherheitspolitik" war und ist hoch. Eine entpolitisierte Linke kann einer noch immer ausgesprochen politischen Rechten kaum etwas entgegensetzen. Nein, die "Nicht-, bzw. Kaum-Mobilisierung der Liberalen und Linken" in Slowenien ist kein großes Wunder. Heiraten ist, sozusagen, out in diesen Kreisen. Wozu die Ehe ganz neu denken, wenn es doch so viel leichter ist, sich von den Etablierten abzugrenzen, indem man deren Lebensstiel schlicht für überholt erklärt? Ja, wozu? Ganz einfach: Um nicht zu verlieren, ohne überhaupt gekämpft zu haben.

     

    Nein, links ist nicht, wer einen angeblich linken Lebensstil pflegt. Links ist, wer kapiert, dass jeder Mensch den eigenen Weg in seine, unsere Zukunft finden muss. Ohne Bevormundung von mehr oder weniger wohlmeinenden PatriarchInnen, die das, was sie bereits besitzen, nicht zu schätzen wissen. Ohne sich sagen lassen zu müssen, dass es dumm und überholt ist, das, was man nie haben durfte, endlich auch zu wollen. Und sei es auch nur, um es anschließend abzulegen wie ein zu eng gewordenes Hemd.

     

    Vielleicht ist die Ehe ja tatsächlich eine "Grille". Vielleicht auch nicht. Herausfinden muss das jeder und jede für sich selber. Und das geht nur, wenn er bzw. sie es ausprobieren darf.

  • Queer.de weiss übrigens mehr:

     

    "Eine Regierungssprecherin sagte, Gleichstellung lasse sich nur verschieben, aber nicht aufhalten. .. Auch gibt es seitens der Regierung wohl Überlegungen, ein neues Gesetz zur Ehe-Öffnung ohne eingeschlossenes Adoptionsrecht vorzulegen oder zunächst die eingetragenen Lebenspartnerschaften rechtlich aufzuwerten. Das Referendum zur Ehe-Öffnung selbst bindet die Politik nur für ein Jahr. ..

     

    Eine Parlamentsmehrheit hatte die Initiative [der homophoben Fundamentalisten] für ungültig erklärt, da eine Verfassungsänderung aus dem Jahr 2013 Volksabstimmungen verbietet, die Menschenrechte oder grundlegende Freiheiten entziehen sollen oder gegen die Verfassung verstoßen. Das von der Koalition gegen LGBT-Rechte angerufene Verfassungsgericht entschied aber vor zwei Monaten aus formalen Gründen, diesen Beschluss für ungültig zu erklären: Nur das Verfassungsgericht, nicht aber das Parlament dürfe über die Zulässigkeit von Referenden entscheiden.

     

    Das Gericht äußerte sich nicht zum Inhalt des Referendums. Das lässt eine Tür offen für eine nachträgliche inhaltliche Überprüfung des Referendums, zumal das Gericht bereits 2009 die Regierung aufgefordert hatte, Benachteiligungen von Lebenspartnern gegenüber Eheleuten abzubauen."

     

    Für die Menschenrechtsbewegung bleibt also noch die Option übrig, vor dem Verfassungsgericht gegen das Referendum zu klagen.

  • Typisch rechter Demokratiestil: jedes Mittel und jedes rechtsstaatliche Schlupfloch ist recht, um die Menschenrechte zu bekämpfen.

     

    Warum stimmen wir nicht einfach darüber ab, allen homophoben Menschenfeinden das Wahlrecht zu entziehen?

     

    Ein entsprechendes Referendum wäre doch auf der gleichen Ebene angesiedelt wie das slowenische Referendum und aus demokratiepolitischer Sicht mindestens genauso "vernünftig".

  • "Einer Abstimmung die nie hätte stattfinden dürfen...."

    typisch linkes Demokratieverständnis... Volksabstimmungen nur dann wenn das Ergebnis der linken Ideologie genehm ist...

    • @Thomas März:

      Schon komisch - und gestern brülle man noch "wir wollen kein deutsches Europa".

      Und jetzt sollen wir wieder losziehen und den anderen erzählen wie man es macht - und das völlig suveräne Votum der Slowenen nicht respektieren.

    • @Thomas März:

      nicht typisch links, sondern ein absolut richtiger Einwand, Menschenrechte gelten für alle, auch wenn es einer Mehrheit nicht passt, ansonsten müssen sie sich fragen lassen, welche Minderheit als nächstes zur Abstimmung steht. Es geht hier um Menschen ganz unmittelbar und nicht "nur" um irgendein Bauprojekt.

      • @ingrid werner:

        Seit wann ist die Ehe ein Menschenrecht?

         

        Ich finde sie antiquiert und in der Form, wie sie heute betrieben wird (nur monogam) auch eher die Rechte und Wünsche des Individuums auf Selbstverwirklichung beschneidend.

        • @Age Krüger:

          Wie wahr, Age Krüger. Wer braucht eine nicht mehr zeitgemäße Institution wie die Ehe noch ? Ich kann mir nicht erklären, weshalb die queer community gerade sie noch für erstrebenswert hält. Noch vor 30 Jahren galt sie für jeden progressiv denkenden Menschen als miefig und spießig.