Kommentar EUGH gegen Ungarn: Politisch schwache Wirkung
Die Unabhängigkeit der ungarischen Justiz ist nur vorläufig gewahrt. Die Demokratie in der EU muss mit stärkeren Gesetzen geschützt werden.
E ndlich. Endlich wird der schleichenden Abschaffung des Rechtsstaats durch die ungarische Regierung Einhalt geboten. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat mit seinem Urteil gegen die Zwangspensionierung von Richtern und Staatsanwälten zumindest vorläufig die Unabhängigkeit der ungarischen Justiz gewahrt. Der ungarische Premier Viktor Orbán wurde in seine Schranken gewiesen.
Allerdings sind die Worte aus Luxemburg längst nicht so klar ausgefallen, wie sie sein sollten. Das ist nicht die Schuld der Richter. Die EU-Kommission hat Ungarn wegen Altersdiskriminierung verklagt und nicht etwa wegen Eingriffen in das demokratische System. Die Richter konnten daher auch nur diese Argumente in ihrem Urteil anführen. Mit keinem Wort erwähnen sie die nationalistische und demokratisch bedenkliche Politik des ungarischen Regierungschefs, die auch dazu führt, dass alle wichtigen Posten mit Orbáns Unterstützern besetzt werden.
Die praktische Konsequenz des Urteils ist die gleiche: Orbán muss das Gesetz ändern. Aber die politische Wirkung des Richterspruchs ist dementsprechend schwächer. Das zeigt die großen Schwächen des EU-Rechtssystems. Die Kommission ging davon aus, dass eine Klage gegen Ungarn wegen Verletzung der demokratischen Prinzipien keinen Erfolg haben würde. Die entsprechenden Artikel in den EU-Verträgen seien zu schwammig.
ist Brüssel-Korrespondentin der taz.
Deshalb hat sich die Behörde auf den Vorwand der Altersdiskriminierung zurückgezogen. Die Demokratie in der Europäischen Union muss aber mit Gesetzen geschützt werden, die eine schleichende Entdemokratisierung wie in Ungarn aufhalten können. Damit sich die EU-Mitgliedstaaten nicht mehr auf Urteile wie das jetzige verlassen müssen, sollten sie schleunigst daran arbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen